By Hannover96
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Zwei Spieltage ist die Bundesligasaison 2014/15 jetzt alt. Das Transferfenster des Sommers ist seit einer Woche geschlossen und langsam aber sicher sind die ersten Tendenzen für die laufende Saison zu erkennen. Somit ist es an der Zeit eine Bestandsaufnahme der Entwicklung von Hannover 96 zu machen. Hinter Hannover liegt die erste Sommervorbereitung unter Trainer Tayfun Korkut und Manager Dirk Dufner. Besonders für Dufner war es ein ereignisreicher Sommer, galt es doch einen Umbruch in der Mannschaft zu managen. So haben insgesamt 12 Spieler den Verein verlassen, darunter hochkarätige Offensivkräfte wie Mame Diouf, Didier Ya Konan und Szabolcs Huszti. Es gab insgesamt einen Transfererlös von circa 3,30 Millionen Euro. Demgegenüber stehen 10 Neuzugänge in die circa 10,80 Millionen Euro investiert wurde. Der Großteil der Transferausgaben fällt auf die Neuzugänge Joselu und Kyotake. Die beiden Hoffnungsträger in der Offensive kosteten jeweils an die 5 Millionen Euro. Damit sind sie die teuersten Transfers seit der Verpflichtung von Mike Hanke im Jahr 2007. Hannover hat sich dazu entschieden, den eigenen Umbruch weiter voranzutreiben und ein Minus von 7,5 Millionen Euro auf dem Transfermarkt zu akzeptieren. Aufgrund der großen Umbauarbeiten im Kader war Hannover in den Saisonvorschauen so etwas wie die große Wundertüte. Im Folgenden sollen nun die einzelnen Mannschaftsteile einmal genauer unter die Lupe genommen werden.
Tor
Ron-Robert Zieler (25), Robert Almer (30), Markus Miller (32), Timo Königsmann (17)
Auf der Torhüterposition ist Hannover 96 mit dem Weltmeister Ron-Robert Zieler auch weiterhin stark besetzt. Wie bereits in den letzten dreieinhalb Jahren ist die Nummer 1 ganz klar an Zieler vergeben. Als neue Nummer 2 wurde Robert Almer verpflichtet, immerhin Nationaltorhüter in Österreich. Mit diesem Transfer wurde auf den Ausfall Millers in der Vorbereitung reagiert. Denn durch das Fehlen Zielers aufgrund der Weltmeisterschaft und Millers Verletzung wäre nur noch Timo Königsmann als Torhüter einsatzbereit gewesen. Um jedoch einen qualitativ hohen Standard in den Testspielen und im Training dauerhaft aufrecht zu erhalten, wurde mit Almer ein vierter Torhüter hinzugeholt. Da der Österreicher ablösefrei verpflichtet wurde und auch nur einen Einjahresvertrag erhalten hat, hält sich das Risiko bei diesem Transfer in Grenzen.
Sollte sich Ron-Robert Zieler während der Saison nicht verletzen, dürfte es auf dieser Position bei Hannover in der gesamten Saison keinen Wechsel geben.
Abwehr
Andre Hoffmann (21), Marcelo (27), Salif Sané (24), Christian Schulz (31), Felipe (27), Stefan Thesker (23), Marius Stankevicius (33), Florian Ballas (21), Miiko Albornoz (23), Christian Pander (31), Hiroki Sakai (24), Vladimir Rankovic (21)
Bereits in der zweiten Trainingseinheit des Sommers gab es eine Hiobsbotschaft zu vermelden: Andre Hoffmann erleidet einen Kreuzbandriss. Mit seinen gerade einmal 21 Jahren hatte sich Hoffmann in der letzten Saison unter Tayfun Korkut einen Stammplatz in der Innenverteidigung erkämpft und galt auch für diese Saison als defensiver Hoffnungsträger. Nun allerdings fällt er mindestens bis zur Winterpause aus. Infolge dieser Verletzung kristallisierte sich ziemlich schnell das Innenverteidigerduo Marcelo und Christian Schulz heraus. Verkörpert Schulz mit seiner ruhigen Art den grundsoliden Part, so agiert Marcelo in der Verteidigung spektakulärer, wandelt mit seinem Spiel jedoch auch oft an der Grenze des Erlaubten. Gelingen die Defensivaktionen Marcelos, ist er beinahe nicht zu überwinden, so wie beispielsweise in Hannovers letztem Bundesligaspiel in Mainz. Misslingt jedoch eine Aktion, besteht die große Gefahr eines Gegentores oder gar eines Platzverweises. Als erste Ersatzkraft gilt momentan Felipe, ein gefühlter Neuzugang, konnte er doch in den zwei vergangenen Saisons verletzungsbedingt nur acht Spiele absolvieren. Primäres Ziel ist bei Felipe demnach fit durch die Saison zu kommen. Hinter den drei etatmäßigen Innenverteidigern sind die beiden Neuzugänge Stefan Thesker und Marius Stankevicius weitere Alternativen. Thesker soll sich in diesem Jahr primär im Trainingsbetrieb beweisen, Stankevicius soll mit seiner großen internationalen Erfahrung bei möglichen Engpässen sofort aushelfen können.
Als Außenverteidiger in die Saison gegangen sind Hiroki Sakai auf der rechten Seite und etwas überraschend Christan Pander auf der linken Seite. Sakai ist rechts beinahe konkurrenzlos, es gibt lediglich den in der Bundesliga unerfahrenen Rankovic als Ersatz. Für die linke Seite wurde der chilenische WM-Teilnehmer Miiko Albornoz aus Malmö verpflichtet. Pander konnte den Konkurrenzkampf auf der linken Seite jedoch für sich entscheiden. Besonders seine offensiven Standards sind eine gefährliche Waffe in Hannovers Offensivspiel. Die gelegentlichen defensiven Unsicherheiten Panders sind aufgrund seiner Offensivqualitäten zu verkraften. Albornoz jedoch musste sich in den ersten Saisonspielen jedoch nicht mit einem Platz auf der Bank zufrieden geben, sondern rückte eine Position vor und ist momentan Stammkraft im linken Mittelfeld. Auf dieser offensiveren Position kann er seine technischen Qualitäten zur Geltung bringen und sich an das schnelle Tempo in der Bundesliga gewöhnen.
Mittelfeld
Manuel Schmiedebach (25), Ceyhun Gülselam (26), Leon Andreasen (31), Maurice Hirsch (21), Edgar Prib (24), Lars Stindl (26), Tim Dierßen (18), Hiroshi Kyotake (24), Leonardo Bittencourt (20), Jan Schlaudraff (31), Jimmy Briand (29)
Im defensiven Mittelfeld hat sich im Vergleich zur Vorsaison nichts verändert. Weiterhin bilden Manuel Schmiedebach und Leon Andreasen die Doppelsechs vor der Abwehr. Schmiedebach nimmt hier die Position des kleinen, giftigen Arbeiters ein und Andreasen agiert als strategischer, dynamischer Staubsauger. Die Aufgabenteilung und die Zusammensetzung der beiden Spielertypen passen hervorragend zusammen, sodass Neuzugang Ceyhun Gülselam, gekommen von Galatasaray Istanbul, sich vorerst auf der Ersatzbank wiederfindet.
Das offensive Mittelfeld kann jedoch nicht mit derselben Stabilität aufwarten. Der Topscorer der letzten beiden Jahre, Szabolcs Huszti, hat Hannover in Richtung China verlassen. Außerdem fällt der Kapitän und absolute Anführer der Mannschaft, Lars Stindl, seit Saisonbeginn mit einem Außenbandanriss im Knie aus. Infolge der Neustrukturierung und Verjüngung des Kaders kristallisierte sich Stindl immer mehr zum prägenden Spieler Hannovers heraus. So gilt er schon seit Längerem als etablierter Wortführer innerhalb der Mannschaft. Außerdem versetzte Korkut ihn von der rechten Mittelfeldseite auf die zentrale Spielmacherposition. Auf diese Weise ist Stindl weniger an taktische Zwänge gebunden und kann aktiver Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen. Positiver Nebeneffekt dieser Versetzung ist die neue entdeckte Torgefährlichkeit des 26-jährigen.
Aufgrund der Verletzung Stindls musste die Spielmacherposition von Korkut anderweitig besetzt werden. So füllte am ersten Spieltag Edgar Prib diese Rolle sehr erfolgreich aus. Zum 2:1 gegen Schalke 04 trug er mit einem Tor und einer Vorlage bei. Allerdings kam nur einen Tag nach dem Spiel die Nachricht, dass auch Prib aufgrund einer Meniskusverletzung längere Zeit verletzungsbedingt ausfällt. Somit setzt sich die offensive Dreierreihe im Mittelfeld momentan aus Leonoardo Bittencourt, Hiroshi Kyotake und Miiko Albornoz zusammen. Trotz der Ausfälle zweier Führungsspieler ist dieser Teil der Mannschaft somit auch weiterhin stark besetzt. Muss man Albornoz möglicherweise noch etwas Eingewöhnungszeit zugestehen, so sind Kyotake und Bittencourt bereits jetzt zwei spielstarke, überdurchschnittliche Bundesligaspieler. Besonders Bittencourt hat in der Vorbereitung einen Sprung nach vorne gemacht und soll in dieser Saison eine tragende Rolle in Hannovers Spiel übernehmen.
Kurz vor Transferschluss wurde noch Jimmy Briand ablösefrei verpflichtet. Briand kann in der Sturmspitze wie auch im rechten Mittelfeld eingesetzt werden. Allerdings dürfte der Weg zur Stammkraft sich schwierig gestalten, da er die komplette Vorbereitung der Mannschaft verpasst hat und somit die erarbeiteten Automatismen innerhalb der Mannschaft nach und nach erlernen muss. Allerdings lässt die individuelle Qualität Briands eine Jokerrolle bereits jetzt zu, trotz der kurzen Eingewöhnungszeit.
Beinahe zum Inventar Hannovers gehört mittlerweile Jan Schlaudraff. Nach einigen Jahren mit Höhen und Tiefen scheint Schlaudraff sich mit der Rolle als Einwechselspieler arrangiert zu haben. Die Aussicht auf Einsätze von Beginn an ist praktisch nicht gegeben, durch die hohe Akzeptanz innerhalb des Teams kann Schlaudraff aber trotzdem eine wichtige Rolle innerhalb des Mannschaftsgefüges während der Saison einnehmen.
Angriff
Joselu (24), Artur Sobiech (24), Kenan Karaman (20)
Wie bereits im Tor sind auch hier die Positionen ganz klar verteilt. Neuzugang Joselu ist der neue Mittelstürmer von Hannover 96. Der Publikumsliebling hat sich sofort in die Mannschaft gespielt und in den ersten drei Pflichtspielen drei Treffer erzielt. Kann er den Eindruck der ersten Monate bei Hannover bestätigen, so scheint es, dass 96 mit der gewagten Investition von fünf Millionen Euro einen Volltreffer gelandet hat. Hinter Joselu reiht sich momentan Artur Sobiech ein. Sobiech konnte wie schon so oft in der Vorbereitung mit einigen sehenswerten Treffern überzeugen, zum Durchbruch fehlt ihm aber leider immer noch die Konstanz in seinem Spiel. Außerdem werfen ihn immer wieder kleinere Muskelverletzungen zurück. Durch sein kämpferisches Spiel ist Sobiech prädestiniert für die Rolle als Joker.
Zweiter Neuzugang im Angriff ist Kenan Karaman. Karaman ist erst 20 Jahre alt und wurde als Perspektivspieler verpflichtet. In den Testspielen konnte er bereits seine Torgefährlichkeit unter Beweis stellen und arbeitet sich momentan immer näher an die ersten Bundesligaminuten für Hannover heran.
Durch die Flexibilität Briands ist Hannover somit mit 3 gelernten Angreifern im Kader quantitativ ausreichend besetzt. Außerdem scheint es so, dass die Abgänge von Mame Diouf und Dider Ya Konan gut kompensiert werden konnten und die Angriffsreihe auch qualitativ gut besetzt ist.
Fazit
Das Ziel Hannovers in dieser Saison ist es, den Weg des Umbruchs konsequent zu verfolgen und die Spielphilosophie des Trainers umzusetzen. Gleichzeitig wird eine tabellarische Verbesserung zur Vorsaison angestrebt, was nach Rang zehn im Vorjahr einen Platz in der oberen Tabellenhälfte bedeutet. Momentan scheint es so, dass Tayfun Korkut die Mannschaft immer mehr an seine Spielphilosophie des aktiven und solidarischen Spiels anpassen kann und die Spieler sich allmählich vom taktischen Korsett des Vorgängers Mirko Slomka lösen. Slomka war in den ersten zweieinhalb Jahren in Hannover ein Verfechter des Konterspiels und führte mit dieser Taktik die Roten zweimal in Folge in die Europa League. In den letzten anderthalb Jahren verpuffte Slomkas Kontertaktik jedoch zusehends, die gegnerischen Teams hatten sich darauf eingestellt. In der Folge war 96 zu stark auf die Einzelleistungen der starken Offensivspieler angewiesen, ein klares Spielkonzept war jedoch in dieser Zeit nicht mehr zu erkennen. Besonders nach den Unruhen der letzten Saison mit Trainerentlassung, Derbyniederlage in Braunschweig und langem Abstiegskampf scheint sich Hannover 96 unter Tayfun Korkut auf dem richtigen Weg zu befinden. Es herrscht Ruhe im Verein, dem Trainer wird vertraut und die Mannschaft scheint sich stetig weiter zu entwickeln. Kann dieser Kurs die gesamt Saison über beibehalten werden, so dürfte den Roten eine sorgenfreie Saison bevorstehen.
90PLUS dankt Gastautor @hanni96
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