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04.06.2012 um 23:41 Uhr
Kranke alte Dame an der Spree
Die kranke „Alte Dame" an der Spree

„Dit sind doch allet Memmen! Dit sind doch keene Männer! Die haben doch nüscht in der Hose, die janze Bande da!" Es wird laut an dem kleinen Bistotisch mit der Plastikdecke und dem rostigen überqualmenden Aschenbecher.

„Ick könnte kotzen! Dit war´s! Ick geh´ nischt mehr ins Stadion. Nächste Saison geb´ick die Dauerkarte ab, kannste aber globen, Alta!" Manni ist stinksauer. An diesem kühlen Frühlingsmorgen steht er mit seinen beiden Kumpels „Ralle" und „Körti" vor dem Getränkemarkt in der Ackestraße. Das Dosenbier wärmt nur notdürftig, denn der Wind pfeift heute ganz besonders unerbittlich durch die Häuserschluchten zwischen Platte, Seniorenresidenz und Gertränkemarkt.

Worüber sich die drei Kumpels so ärgern wird dem aufmerksamen Verfolger des Fußballsports sofort klar, wenn er sich die Männer kurz ansieht. Alle drei tragen sogenannte „Kutten", also kurzärmlige, ausgefranste Jeanswesten, die mit Hertha BSC Aufnähern und diversen aufgebügelten Beleidigungen anderer Fußballvereine verziert sind. Blau und Weiß sind die beherrschenden Farben bei der Kleiderwahl dieser drei Herren. Manni trägt, um seiner Unterstützung für Berlins größten Fußballverein zusätzlich Ausdruck zu verleihen, einen Anglerhut, auf dem ebenfalls das Hertha Emblem prangt.

Ihre tiefe emotionale Verbundenheit zum Hauptstadtklub ist im Moment wohl bestenfalls bittersüß für die drei Mitvierziger. Gestern war die Jahreshauptversammlung der Hertha-Mitglieder und die Entscheidungen des Vorabends beherrschen den hochemotionalen Disput, der nur unterbrochen wird, wenn einer der drei Männer sich ein neues Dosenbier aus dem Getränkemarkt holt. Dann halten die beiden übrigen inne und verharren still in ihren Gedanken. Auch ohne übersinnliche Fähigkeiten lässt sich erkennen – die wärmsten Gedanken sind heute auch nicht dabei, wenn es um ihr Lieblingsthema geht.

Der Fußballfan muss leidensfähig sein

„Alle an die Wand stellen..." ist Körtis Vorschlag für die Konsequenzen bei der Personalpolitik in der Führungsetage des Klubs. „Steck die janze Bande von der Jeschäftsstelle in een Sack und immer feste druf. Triffste schon immer den Rischti´en", pflichtet ihm sein Kumpel Ralle zu.

Von der Aufstiegseuphorie, die zu Beginn der vergangenen Bundesligasaison hier vor dem Getränkemarkt herrschte, ist nichts mehr übrig. Damals hing in gefühlt jedem zweiten Fenster des großen Plattenbaus gegenüber ein Hertha-Wimpel oder eine blau-weiße Fahne. Heute hängen genau drei. Die drei Männer sind schwer enttäuscht von ihrer großen Liebe. Sie fühlen sich verraten - für ihre Treue und ihre Unterstützung nur ungenügend honoriert von Spielern und Funktionären des Vereins, den sie schon so viele Jahre im Herzen tragen. Wer könnte es ihnen verübeln?

Der Fußballfan muss leidensfähig sein. Er definiert sich zumindest auch über diese Qualität. Nicht von ungefähr werden Fans des FC Bayern München immer wieder mit dem fragwürdigen Vorurteil konfrontiert, nur Erfolgsfans zu sein. Denn ein Fan, dessen Verein im Normalfall gewinnt, der hat nichts zu leiden und ist ergo gar kein Fußballfan. Vor der Gefahr sich in dieser Argumentationskette zu verstricken, müssen sich Hertha Fans wahrlich keine Sorgen machen. Der sportliche Erfolg hat sich bei den Berlinern ja spätestens mit Markus Babbel verabschiedet – der wirtschaftliche schon lange davor. Dass der Verein latent pleite, oder zumindest chronisch finanzschwach ist, damit hat man sich in der Spreemetropole längst abgefunden. Es wäre ja auch gegen jegliche Berliner Etikette nicht arm und sexy zu sein. Und so, wie Stadt und Land Berlin auf die Unterstützung der Geberländer angewiesen sind, so braucht auch Hertha stets frisches Geld aus dem Rest der Republik. So ist es fast schon zur Tradition geworden, dass die besten Kicker der Berliner abwandern – oft schon in jungen Jahren und zwar zur Konkurrenz.

Die Jugendarbeit der Berliner gehört schon lange mit zum Besten, was die Fußballrepublik anzubieten hat. Sowohl die U17, als auch die U19 der Berliner stehen dieses Jahr im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft. Immer wieder bringt der Klub Talente hervor, die das Zeug zur ganz großen Karriere haben – nur eben meistens nicht in Berlin. Jerome Boateng, Stammspieler der deutschen Fußballnationalmannschaft, ist über den Umweg Hamburg und Manchester City beim großen FC Bayern München gelandet. Sein Halbbruder Kevin-Prince beim ruhmreichen AC Mailand. Talente wie sie oder seinerzeit Sebastian Deisler verließen den Verein und mit den Ablösesummen hielt sich die Hertha über Wasser.

Ein Teufelskreis

So wie es aussieht, muss der Verein auch jetzt, nach dem Abstieg in die 2. Liga wieder einige Leistungsträger abgeben. Selbst Identifikationsfiguren wie Patrick Ebert, Raffael oder Ramos werden sich wohl einen neuen Arbeitgeber suchen. Vornehmlich einen mit Erstligazugehörigkeit.

Damit beginnt jedoch ein Teufelskreis. Die besten Spieler müssen verkauft werden, um den Etat für Spielergehälter herunterzufahren - die fehlenden Mehreinnahmen aus Stadionbesuchern, TV- und Vermarktungsrechten würden dazu zwingen. Dadurch wird jedoch sportlich auch der Wiederaufstieg erschwert. Wenn der verpasst wird, würde das zu weiteren Einsparungsmaßnahmen zwingen. Wieder müsste man Spieler abgeben, wodurch ein Aufstieg in noch weitere Ferne rücken würde, und so weiter.

Als die Hertha vor zwei Jahren das letzte Mal aus der Bundesliga abgestiegen war, wurden enorme Schulden angehäuft um den Kader beisammenzuhalten. Der Wiederaufstieg sollte dafür entschädigen. Von einem derartigen finanziellen Kraftakt kann man diesmal wohl nicht ausgehen. Man hat sich wohl verzockt. Und die Leidtragenden sind, ihrer Meinung nach, vor allem Manni, Ralle und Körti. „Mann, ick schäme mir schon rischti" lamentiert Manni. Er erzählt davon, dass in seiner Stammkneipe mittlerweile schon mehr BVB Fans zu finden seien als Herthaner. Er stellt nüchtern (soweit man das in seinem Zustand sagen kann) fest: „Traut sich ja ooch keener mehr zuzugeben, dass er Hertha jut findet." Seine Analyse trifft auf allgemeine Zustimmung.

Es bleibt tatsächlich festzuhalten, dass die Bundesliga in der kommenden Saison europaweit die einzige Top-Liga sein wird, in der die Hauptstadt keinen Teilnehmer stellt. Undenkbar in England, wo sogar eine Vielzahl von Klubs aus London kommt. Madrid hat mit Real und Atletico immerhin zwei, wenn man den Vorort-Verein Getafe dazunimmt, sogar drei Klubs in La Liga am Start. Selbst in der Türkei wo Istanbul klar das Fußballepizentrum darstellt, hat die Hauptstadt Ankara meist zwei Vertreter in der Süperlig.

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Aufrufe: 4806 | Kommentare: 2 | Bewertungen: 7 | Erstellt:04.06.2012
ø 5.0
KOMMENTARE
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HA_HO_HE
06.06.2012 | 13:33 Uhr
5
0
HA_HO_HE : 
06.06.2012 | 13:33 Uhr
0
HA_HO_HE : 
selten son scheiß gelesen. Die erste Textpassage finde ich nicht lustig. Aber ist ja geschmackssache

Zitat:"wieder einige Leistungsträger abgeben. Selbst Identifikationsfiguren wie Patrick Ebert, Raffael oder Ramos werden sich wohl einen neuen Arbeitgeber suchen. Vornehmlich einen mit Erstligazugehörigkeit.

Damit beginnt jedoch ein Teufelskreis. Die besten Spieler müssen verkauft werden"

Ebert Leistungsträger? Du bist ja lustig. Der kann froh sein wenn Ihn Babelsberg oder Union II haben will so scheiße wie der die letzten Jahre spielt. Die anderen beiden haben sich wahrlich auch nicht mit Ruhm bekleckert. Und ein KP Boateng für 7 Mio an Tottenhamm zu verkaufen war das beste was man machen konnte. Seine letzten Umgangsformen mit Mitspielern waren: ey Opfer Fenster".....Das war der Satz ob doch bitte mal das Fenster in der Umkleide geschlossen werden könnte. Sone Spieler brauch kein Verein.
5
Slaver
06.06.2012 | 16:58 Uhr
3
-1
Slaver : 
06.06.2012 | 16:58 Uhr
-1
Slaver : 
Da kann ich mich @HA HO HE nur anschließen.

Das ist schon ziemlich viel Blödsinn dabei.
3
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