Nun ist also fix, was schon seit einigen Wochen wie ein Gespenst durch die Gazetten des Landes spukte: Philipp Lahm hängt mit Ablauf dieser Saison seine Fußballschuhe endgültig an den Nagel. Blickt man zurück auf seine überaus erfolgreiche Laufbahn, ist die Entscheidung, seinen laufenden Vertrag vorzeitig zu beenden, wenig überraschend, sondern vielmehr Ausdruck einer im heutigen Fußballgeschäft besonderen Konsequenz, die Philipp Lahm wie kaum ein anderer im Profigeschäft verkörpert.
Mit sieben Meistertiteln, sechs Pokalsiegen, dem Gewinn der Champions League und dem krönenden Weltmeistertitel 2014 gehört Philipp Lahm zu den erfolgreichsten deutschen Fußballern aller Zeiten und wird bis in alle Ewigkeit in einem Atemzug mit den anderen Weltmeister-Kapitänen Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus genannt werden. Obwohl der amtierende Kapitän des FC Bayern München seit mehr als einem Jahrzehnt lang als der beste Außenverteidiger der Welt gilt und wie kein anderer den Fußball der Bayern und der deutschen Nationalmannschaft geprägt hat, blieben Lahm bis heute jedoch sämtliche Einzelauszeichnungen verwehrt.
Dass Lahm derartige Auszeichnungen nie am Herzen lagen und er den Erfolg der Mannschaft immer über den persönlichen Erfolg gestellt hat, zeugt von seiner charakterlichen Stärke und macht ihn zum Vorbild für die Jugend. Mit seiner Professionalität auf und neben dem Platz verkörpert der Bayern-Kapitän die Fußballgeneration von heute, bei der der klassische Leitwolf à la Effenberg und Kahn ausgedient hat. Spätestens mit dem Weltmeistertitel hat es Lahm all seinen Kritikern, die ihn zuvor als zu weich, zu leise und zu zurückhaltend bezeichneten, gezeigt.
Wie schmal der Grat zwischen Professionalität und Streberhaftigkeit bei Lahm jedoch ist, kann man an seinem Verhältnis zu den Fans ablesen. Nahezu gefürchtet sind seine Interviews nach Spielschluss, bei denen der 33-jährige so viele Phrasen aneinanderreiht, dass er dafür beim Sport-Talk Doppelpass ein Vermögen verlieren würde. Kein flapsiger Spruch, keine Kritik an Mitspielern oder Trainern kommt dem stets kontrollierten Lahm über die Lippen. Für die Emotionen, nach denen sich die Fußballfans so sehnen, waren immer andere zuständig. Zum Fanliebling der Bayern wurde Lahm deshalb - im Gegensatz zu Fußballgott Schweinsteiger oder Spaßvogel Müller - nie, auch wenn der gebürtiger Münchner Lahm die Identifikationsfigur schlechthin für den deutschen Rekordmeister darstellen müsste.
Die Konsequenz, mit der Lahm nun sein Karriereende und den Verzicht auf den Sportdirektorposten beim FC Bayern verkündete, dürfte keinen Beobachter des Bayern-Kapitäns überraschen. Wie schon bei der Entscheidung seine Nationalmannschaftskarriere nach der WM 2014 zu beenden, zeigt Lahm, dass er die Fäden seiner Karriere in den eigenen Händen behalten will. Eine Situation, wie sie Michael Ballack nach seiner Demontage in der Nationalmannschaft erlebte, oder eine Demütigung, wie sie Bastian Schweinsteiger derzeit bei Manchester United mitmachen muss, wollte Lahm im Herbst seiner Karriere unbedingt vermeiden. Dass er gleichzeitig die Chance ungenutzt lässt, die vakante Position des Sportdirektors beim FC Bayern zu übernehmen, ist dabei nur folgerichtig. Ohne die nötige Machtfülle als Sportvorstand wäre Lahm im Machtkonstrukt des FC Bayern nicht mehr als eine Marionette der beiden Alphatiere Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge gewesen und hätte seine eigenen Vorstellungen kaum durchsetzen können. Der künftige Privatier Lahm ist intelligent genug sich dieser Situation nicht auszusetzen und erst mal abzuwarten.
Bleibt zu hoffen, dass sich die Ungereimtheiten bei der Verkündigung seines Karriereendes nicht negativ auf Lahm und seine sportlichen Leistungen in den verbliebenen Monaten seiner Laufbahn auswirken. Philipp Lahm, der beste deutsche Fußballer des letzten Jahrzehnts, hätte einen würdigen und erfolgreichen Abschied aus dem Profifußball verdient.