Edition: Suche...
12.12.2013 | 15897 Aufrufe | 21 Kommentare | 13 Bewertungen Ø 8.5
Warum Philipp Lahm Weltfußballer sein müsste
In der Defensive
Ein Plädyoer

Lionel Messi, Cristiano Ronaldo und Franck Ribéry machen den Weltfußballer unter sich aus. Das ist keine große Überraschung, vielmehr die Zementierung gängiger Prinzipien: Im Mittelpunkt stehen immer die Offensiven, die Dribbler, die Torschützen. In meinen Augen aber wäre ein anderer an der Reihe gewesen.



Von 1990 bis 2009 wurde die Trophäe des Weltfußballers ausgehändigt, seit 2010 vergibt die FIFA den Ballon dOr. Lassen wir formelle Unterschiede einmal beiseite und einigen uns darauf, dass beide Auszeichnungen denselben Zweck verfolg(t)en: Die Ehrung des herausragenden Fußballers eines Jahres. Was beim Betrachten der Gewinnerliste sofort auffällt, ist die strikte Neigung zu Spielern, die der Fußballsprache ihr Vokabular verleihen, ihre Rechtschreibung und Grammatik. Wer viele Tore schießt oder sie initiiert, steigert seine Chancen, und wer dabei auch noch ein Touch Star-Potential beherbergt, treibt die Aussichten in verlockende Höhen. Wahrscheinlichkeitsrechnung für Fortgeschrittene.


Der Fußball hat nicht zuletzt durch das Spektakel seiner Protagonisten den Status erlangt, der ihn zu einem Gesellschaftsereignis erster Güte verkehrt hat. Biedere Arbeiter, treuherzige Abschirmjäger, emsige Fleißbienen sind seit Anbeginn des Spiels nur die Beilage zur Feinkost, irgendwie nötig zwar, aber selten mit besonderer Aufmerksamkeit oder gar Ruhm bedacht. Von allen unscheinbaren Helferlein hat der Ausputzer des Kaisers noch die größte Wertschätzung erfahren (wider Willen).


So wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten hauptsächlich Persönlichkeiten ausgezeichnet, die Verzückung und Vermarktung garantierten. Roberto Baggio, Ronaldo, Zinedine Zidane, Ronaldinho, Kaká, Cristiano Ronaldo, Lionel Messi sind Paradebeispiele der Merkmalsausprägungen Tempo, Tricks und Tore, Marketing, Merchandising und Moneten.



Die Figur, der Floh, der Filou



Messi gewann den Preis zuletzt viermal in Folge. Und vermutlich ist er nach wie vor der Beste seines Fachs. Wenn man es daran bemisst, welches irdische Wesen die Kugel am Elegantesten streicheln kann, führt kaum ein Weg an ihm vorbei. Aber man bemisst es nicht daran. Zumindest nicht ausschließlich. Fußball ist keine One-Man-Show, die im Drei-Tage-Rhythmus eine neue Ich-AG anmeldet, nicht einmal ein extrovertierter Vertreter wie Cristiano Ronaldo kann sie ungestraft abziehen - obwohl er seine Mimosenhaftigkeit etwas abgelegt hat. Der Portugiese gehört zweifellos zu den spektakulärsten Fußballern unserer Zeit, er strotzt vor Kraft, Tordrang und Haargel. Ronaldo ist eine Figur geschniegelter Präsenz, die sowohl im edlen Wachsfigurenkabinett als auch des Gegners Strafraum prächtig in Szene gesetzt wird. Meist von ihm selbst. Einer muss es ja tun.


Natürlich befindet sich Messi in der Endauswahl, weil es wohl töricht wäre, ein solches Geschöpf nicht in den erlauchten Kreis zu befördern. Fast Blasphemie. "La Pulga", der Floh, ist wieder infantil gehüpft, aber in den entscheidenden Momenten kürzer und niedriger. Als Barcelona an Bayern abprallte wie eine Fliege an der Fensterscheibe, konnte er, bereits angeschlagen, keine Impulse setzen und musste später eine Verletzung auskurieren. Es war nicht die einzige wunde Stelle in einer keinesfalls perfekten Saison.


Ein Weltfußballer solle etwas vorweisen können im Jahr seiner Krönung, das ist bei leitenden Angestellten des FC Bayern München 2013 nicht das größte Problem. Gleich mehrere Leistungsträger wurden in den erweiterten Zirkel aufgenommen, wo sie verschämt Hoffnungen hegen durften. Aber Manuel Neuer war zu unterbeschäftigt, Thomas Müller zu wenig Fußballer im ureigensten Sinn, Bastian Schweinsteiger im zweiten Halbjahr zu häufig malad. Bleibt Franck Ribéry, der Filou.


Oder?


Es gibt da diese alte, uralte Weisheit von den Spielen und der Offensive sowie den Titeln und der Defensive. Ein ausgeleierter Aphorismus, dauernd gewälzt, gewaltig überstrapaziert. Und wahr. Andernfalls würde dem Fußball das Gros seiner Facetten fehlen, die ihn zu einer derart interessanten, vielschichtigen und unkalkulierbaren Institution peitschen, spannend, diskutabel und oft absurd. Käme es allein darauf an, welches Team den treffsichersten Individualisten in seinen Reihen hat, wäre der Sport ziemlich dröge. Außerdem, das gilt es zu bedenken, können nicht alle Zlatan sein.



"Der kann gar nicht schlecht spielen!"



Für meine Begriffe sollte der Weltfußballer 2013 Philipp Lahm heißen. Es wird nicht dazu kommen, die drei Kandidaten sind nominiert, unumstößlich. Doch für den Gesamterfolg der Mannschaft war Lahm die unverzichtbare Stütze schlechthin. Gerne hämisch auf seine Körpergröße minimiert, avancierte er auf dem Feld zum Riesen. Ob in Augsburg oder bei Arsenal, in Bremen oder Barcelona, und speziell, als das Wohl und Wehe eines stolzen Klubs zur Disposition stand: In Wembley streifte er als einer der Ersten das Zitterfüßchen der hypernervösen Anfangsminuten ab - ein Signal zur Attacke, das Bayern brauchte. Lahm entpuppte sich nicht nur als verlässliche Korsettstange im rotationserprobten Ensemble, er war der heimliche Dirigent des Triumphzugs. Der Möglich-Macher. Der Null-Fehler-Mann. Der Beste eben.


Philipp Lahm musste über Jahre gegen sein Dasein auf der linken Seite anreden, rechts sei er (noch) besser aufgehoben, meinte er dann. Er übte sich, 25-jährig, im medialen Armdrücken mit Bayern München, schwatzte dem tatenlosen Capitano die Binde ab, publizierte als Aktiver seine Memoiren, diskreditierte darin denjenigen Bundestrainer, der ihm in die Nationalelf verholfen hatte (Rudi Völler), fusionierte gewissermaßen mit dem Hause Springer, stieg zum mächtigsten deutschen Fußballer auf.


Und spielte überragend.


Egal, in welchen Frequenzen. Egal, gegen welchen Angreifer. Egal, auf welcher Position. Pep Guardiola probierte Lahm aus Personalmangel im defensiven Mittelfeld und konnte sich gar nicht mehr einkriegen vor Begeisterung über dessen verblüffende Aneignung des fremden Territorialgebiets. Lahm sei der "intelligenteste Spieler", den er je trainiert habe, schwärmte Pep, darauf kann man sich schon etwas einbilden. Selbst Hermann Gerland, in seiner Funktion als Fußballtrainer nicht für hemmungslose Nächstenliebe bekannt, entfuhr einst ein rares öffentliches Lob für einen seiner Schützlinge: "Der kann gar nicht schlecht spielen", raunte der Tiger, als er den pubertierenden Philipp bewerten sollte.


Auf Twitter gibt es regen Zuspruch für die Kombination Lahm/Weltfußballer. @das_ailton ereifert sich: "Maßlos unterschätzt und weit unter Maß gewürdigt, was der Woche für Woche abreißt." @BrandyU2 kennt den Grund für die Nichtbeachtung: "Schicksal eines Defensivspielers! Leider!"


Außer dem Italiener Fabio Cannavaro 2006 wurde nie ein Verteidiger mit dem goldenen Ball geehrt. Stets waren und sind es die Offensivvirtuosen, die sicherlich ihre Daseinsberechtigung auf den roten Teppichen dieses FIFA-Imperiums besitzen, aber nicht als geschlossene Gesellschaft erscheinen sollten. Manchmal wäre der Rest vom Fest bedeutsamer.


Vielleicht greift Philipp Lahm die Missstände ja in seinem nächsten Buch auf.


Bildquelle: spox.com

KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
Hugenay
13.12.2013 | 11:06 Uhr
1
-1
Hugenay : Sportlich richtig, aber
13.12.2013 | 11:06 Uhr
-1
Hugenay : Sportlich richtig, aber
Von der sportlichen Seite aus gesehen hast du sicherlich recht, da gibt es weltweit niemanden der Lahm auf seiner Position das Wasser reichen kann und nur ganz wenige (auch auf anderen Positionen) die so konstant auf höchstem Niveau ihre Leistung bringen.
Aber die Wahl zum Weltfußballer (ich finde auch Schweinsteiger kommt in der Diskussion zu kurz) ist ja auch ein wenig von der Sympathie beeinflusst. Und alleine schon dadurch hat Lahm wohl nie eine Chance zu gewinnen (genauso wie hoffentlich Ribery). Ich hätte gehofft das es Schweinsteiger wird, aber leider ging der gänzlich leer aus...
1
HSV_Jan
13.12.2013 | 11:34 Uhr
2
0
HSV_Jan : 
13.12.2013 | 11:34 Uhr
0
HSV_Jan : 
Die Wahl ist auch ein bisschen wie der GrandPrix, bloß schlimmer, weil Spanier auch Spanier wählen dürfen.
2
FrankDr
13.12.2013 | 11:36 Uhr
1
0
FrankDr : 
13.12.2013 | 11:36 Uhr
0
FrankDr : 
Man muss einfach sagen, dass fast der gesamte Bayern-Kader letzte Saison einfach ihren Zenit hatte.
Da kann man neben Lahm, Ribery auch Schweinsteiger und viele andere nennen... selbst ein Martinez, der erst als überschätzt gehandelt wurde, verblüffte (auch mich). Wahnsinnig wie der Kerl antizipiert, unzählige gegnerische Angiffe vernichtet, bevor sie überhaupt entstehen. Das sind eben Fußballer, die selbst in jeder Landesliga-Mannschaft intern die größte Wichtigkeit fürs Team haben, aber in der Zeitung werden eben nur die Torschützen usw genannt.
1
barca2000
13.12.2013 | 11:49 Uhr
0
0
barca2000 : Ist doch nur Show
13.12.2013 | 11:49 Uhr
0
barca2000 : Ist doch nur Show
Da sollte ein Lahm nicht daran zerbrechen, benötigt man doch eine große Lobby für solch eine Wahl. Um den aktuell produktiveren geht es doch gar nicht und das Wort "beste" ist doch relativ - immer gibt es einen besseren oder schlechteren! Wenn nicht heute, dann halt morgen und die Liste schaut sich doch in unserer schnelllebigen Zeit eh keiner mehr an.

Die eigende Persönlichkeit im Erfolg mit den Vereins- und Länderteams zählt doch und da waren eigentlich alle Bayern und BVB Spieler im aktuellen Jahr doch die "BESTEN"!
0
DaBen
13.12.2013 | 12:36 Uhr
0
0
DaBen : 
13.12.2013 | 12:36 Uhr
0
DaBen : 
Die Wahl ist besonders in diesem Jahr ein Farce! Da wird Politik gemacht um Ronaldo zu pushen damit der Blatter gut dasteht um ihn nachher die Hand zu schütteln...

Für den besten Torjäger gibt es einen anderen Titel "Welttorjäger" Ansonsten muss man schon WM etc werden damit es mal nicht ein Offensivemann wird! Alleine das Trainer und Kapitäne aus der ganzen Welt wählen ist ein Witz! Da haben doch Fanboys Poster von Ronaldo an der Wand....

Fußball ist ein Mannschaftssport! Daher sollte der beste Spieler aus dem besten Team den Titel holen! Alles andere ist doch lachhaft! Dazu werden aktuelle Ereignissen viel zu stark mit eingebracht! Ronaldo hätte z.b vor 2 Monaten niemand gewählt...

0
Libero_
13.12.2013 | 13:09 Uhr
0
0
Libero_ : 
13.12.2013 | 13:09 Uhr
0
Libero_ : 
10 Punkte, weil ich 100 Prozent zustimme. Bei einer objektiven Wahl, die sämtliche sportlichen Faktoren zusammenfasst, ist Lahm duchschnittlich eindeutig der beste/konstanteste Spieler ! ;) Ein paar mehr Fakten wären schön gewesen, es gibt ja reichlich davon, die das untermauern...

Einfach unfassbar, dass dieses Jahr ein Typ der jahrelang mit seinem Team nichts reisst Weltfußballer wird! Letztendlich spielen da zuviele finanzielle Interessen von Leuten, die an Ronaldo Geld verdienen eine Rolle. Gegen eine derartige Lobby kommt man schwer an.
0
PDZ
13.12.2013 | 13:09 Uhr
4
0
PDZ : 
13.12.2013 | 13:09 Uhr
0
PDZ : 
Man sollte die Wahl in "Stürmer mit den meisten Toren des Jahres" umbenennen. Moment, gibts ja schon.

Dann eben "Stürmer mit den meisten Toren des Jahres, wobei der letzte Monat und mögliche Verlängerungen der Wahl doppelt zählen, obwohl die zweite Kalderhälfte in der Regel deutlich unwichtiger ist"
Guter Name, oder?

4
smackss
13.12.2013 | 14:13 Uhr
0
0
smackss : Leider wird es aber CR7 :(
13.12.2013 | 14:13 Uhr
0
smackss : Leider wird es aber CR7 :(
Ich habe genau gar nichts für den FC Bayern und schon gar nicht für Philip Lahm übrig, aber genau den gleichen Gedanken hatte ich gestern Abend auch! Ich denke er war und ist wichtiger für die Mannschaft als Robben oder Ribery.



0
InoDellaJuventus91
13.12.2013 | 14:54 Uhr
0
0
13.12.2013 | 14:54 Uhr
0
Bester Spieler der Welt ist er sicherlich nicht. Aber Lahm und Alaba sind auf ihren Positionen im Moment einfach das absolute Non plus ultra. Wenn ich ihn nehmen würde und nach Dynamo Dresden packen würde würde sich dort kaum etwas verändern. Nehme ich Ribery,Messi oder Ronaldo,dann schon, dass ist der Unterschied. Für sein Lebenswerk wird er sicherlich in 3-4 Jahren noch genug ausgezeichnet werden, doch ohne Lahm und Schweinsteiger funktioniert Bayern immer noch genau so gut wie mit beiden. 0 Fehlermann stimmt ebenfalls. Ich könnte jetzt kaum einen Fehler nennen den er gemacht hat. Und wie er sich auf der 6 geschlagen hat ist wahnsinn! Respekt!
0
Freezy
13.12.2013 | 15:12 Uhr
0
0
Freezy : Auf den Punkt
13.12.2013 | 15:12 Uhr
0
Freezy : Auf den Punkt
"Der-Null-Fehler Mann" trifft es auf den Punkt, warum Lahm den Titel verdient hat.
0
COMMUNITY LOGIN
Du bist nicht angemeldet. Willst Du das ändern?
Benutzername:
Passwort:
 

Wir aktualisieren unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenschutzrichtlinie. Wir haben neue Community-Richtlinien zur Inhaltsnutzung - Verhaltenskodex eingeführt und mehr Informationen darüber bereitgestellt, wie wir Ihre Daten erheben und nutzen. Indem Sie unsere Website und unsere Dienste weiterhin nutzen, stimmen Sie diesen Aktualisierungen zu.
Neueste Kommentare
Atlanta2902
Artikel:
Lustig dass einige islamisten wieder mit rüdiger werben nachdem dieser den F
18.04.2024, 14:34 Uhr - 245 Kommentare
Wandertag
Artikel:
Der macht den Mund auch nur auf, wenn es gut läuft
18.04.2024, 14:32 Uhr - 27 Kommentare
Mourinho08
Artikel:
Gnabry hat in dieser Saison 370 Minuten Bundesliga gespielt. Das wäre ja noc
18.04.2024, 14:31 Uhr - 7 Kommentare
wisc
Artikel:
Dazn war mal super aber dann hat der Fußball das Produkt kaputt gemacht. Frü
18.04.2024, 14:30 Uhr - 33 Kommentare
BundesBabo23
Artikel:
Kukiki mit einer echten Feinschmeckerprognose
18.04.2024, 14:23 Uhr - 23 Kommentare
theflash3
Artikel:
wann soll denn das dritte mal tuchel gegen real gespielt haben in einer ko-p
18.04.2024, 14:23 Uhr - 10 Kommentare
SoccerDealz
Artikel:
Wenn Leverkusen West Ham United rausgekegelt heute und Liverpool auch aussch
18.04.2024, 14:23 Uhr - 3 Kommentare
HK47
Artikel:
27FEB1900 Was redest du bitte du willst doch nicht allen ernstes Real und Ci
18.04.2024, 14:20 Uhr - 36 Kommentare
thegreenmachine
Artikel:
Danke für die Einordnung und viel Erfolg gegen die Knicks!
18.04.2024, 14:20 Uhr - 26 Kommentare
Jamaaal
Artikel:
Naja das die Maiopommesbirne nicht die hellste Kerze ist wissen wir ja
18.04.2024, 14:16 Uhr - 51 Kommentare