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Von: tufknas
16.12.2018 | 2278 Aufrufe | 0 Kommentare | 3 Bewertungen Ø 10.0
Meine Meinung
Eine Abrechnung
Eine Abrechnung

Nicht Du suchst Dir Deinen Verein Der Verein sucht Dich aus

Dieses Kredo werden wohl viele Fußball-Fans unterschreiben. Ich meine damit die richtigen Fans. Die, die den Fußball lieben. Die, die mitfiebern an jedem verdammten Samstag um halb vier. Also früher zumindest. Mittlerweile muss man da flexibel sein und eben auch mal freitags fiebern. Oder sonntags. Wenn es blöd läuft auch montags. Man muss wirklich flexibel sein. Der Profifußball war selbstredend schon immer vom Kommerz geprägt, auch wenn die richtig perversen Auswüchse gefühlt erst seit einigen wenigen Jahren so wirklich existieren.

Kurz zu meiner Person: Ich bin männlich, Jahrgang 1984, aufgewachsen im Nord-Westen Deutschlands und entsprechend naturgemäß Anhänger von Werder Bremen. In jungen Jahren war mein Onkel drauf und dran, aus mir einen Bayern-Fan zu machen. Nicht wissend, was ich da eigentlich tat, jubelte ich auf Geheiß eben dieses Onkels nach Toren des Rekordmeisters in der Sportschau. Bis zu diesem einen Tag, es muss noch vor meiner Einschulung gewesen sein, an dem ich meine Großmutter (Gott habe sie selig) fragte, wo denn eigentlich dieses Bayern sei. Sie erklärte mir, dass es ziemlich weit weg sei, worauf ich fragte, welche Mannschaft denn wohl näher ist. Das war Werder Bremen. Daraufhin legte ich meine Sympathie für den FC Bayern ad acta und war fortan Fan von Werder Bremen. Ich erinnere mich nur noch sehr dunkel an die Erfolge der frühen 90er Jahre. An die Meisterschaft, den Pokalsieg und nicht zuletzt den Erfolg im Europapokal der Pokalsieger (Gott habe auch ihn selig).

Meine ersten wirklichen, bewussten Erinnerungen stammen jedoch aus der letzten Saison der Ära Rehhagel. Wir wurden Vize-Meister und es erfüllte mich mit tiefster Abneigung auch nur daran zu denken, König Otto in wenigen Monaten bei einem anderen Verein zu sehen. Die darauf folgenden Trainerexperimente mit klangvollen Namen wie Dixie Dörner, Wolfgang Sidka und Aad de Mos verfestigten meine Liebe zu diesem Verein nur noch. Klar, es lief fortan nicht mehr so gut bei uns, aber statt mich abzuwenden, entwickelte ich eine gewisse Frusttoleranz. Und dann kamen da plötzlich Klaus Allofs und Thomas Schaaf mit einem 5-Jahres-Plan, der in der Double-Saison 2003/2004 sein ruhmreiches Ende fand. Plötzlich hatte Werder wieder Erfolg und zahlreiche wundervolle Abende in der Champions League waren die Folge. Klar, auch diese Ära endete irgendwann und die nächsten Trainerexperimente mit Dutt, Skripnik und Nouri standen vor der Tür. Als mittlerweile erfolgsverwöhnter Fan war ich nun gezwungen, mich meiner erlernten Leidensfähigkeit erneut zu widmen. Meine Liebe zu diesem Verein war jedoch stark wie nie. Und mittlerweile läuft es ja auch wieder einigermaßen.

Und dann war da ja noch die Nationalmannschaft. Ob mit Spielern meines Vereins oder ohne sie, das war gar nicht so wichtig. Wir hatten tolle Spieler dabei, klasse Typen. Sammer, Möller, Häßler, Völler und auch Bayern-Spieler wie Oliver Kahn. Ich habe so ziemlich jedes Spiel unserer Elf angeschaut. Ich erinnere mich gerne an die Europameisterschaft 1996 oder natürlich an die WM im eigenen Lande 2006. Zugegeben, die WM in Südafrika fand ich extrem nervig, lag wohl auch an den Vuvuzelas. Vier Jahre später, bedingt durch den Finalsieg, war dann allerdings alles wieder gut. Die Weltmeisterschaft in Russland in diesem Jahr ist mir allerdings aus irgendeinem Grund am Allerwertesten vorbeigegangen. Es war mir an sich auch echt egal, dass wir nach der Vorrunde raus waren. Und ich weiß, dass es vielen Menschen hierzulande so erging.

Aus irgendeinem Grund? Nun, zugegeben, ich denke es waren mehrere Gründe. Gründe, die mir nicht nur eine Distanz zu Die Mannschaft haben aufbauen lassen, sondern mittlerweile auch noch ganz andere Früchte tragen.

In den letzten Jahren habe ich kaum ein Spiel von Werder verpasst. 15 Jahre lang habe ich in Süddeutschland die grün-weiße Fahne gehisst und nahezu immer einen Weg gefunden, das Spiel meiner Mannschaft zu verfolgen. Es ist nicht lange her, da bezeichnete ich Werder als meinen Anker. Als die Institution in meinem Leben, die immer da war, an die ich mich immer wenden konnte und die mich nie im Stich gelassen hat. Und dann war da der letzte Spieltag. Bremen gewann 3:1 gegen Düsseldorf. Ich habe das Spiel nicht gesehen, es kam nicht auf Sky, ich habe es an diesem Tag schlicht und ergreifend nicht einsehen wollen mal wieder einen Eurosport-Pass zu kaufen und stattdessen lieber mit meinem Onkel (ja genau, dem Bayern-Fan), eine Flasche Ouzo gekillt. Ich habe noch nicht einmal das Spiel im Ticker verfolgt. Erst irgendwann gegen 23 Uhr ist es mir überhaupt wieder in den Sinn gekommen und ich habe den Sieg nickend, aber schweigsam zur Kenntnis genommen. Und dann war das gestrige Spiel gegen Dortmund. Kam ja wieder auf Sky, lief also auch bei mir zu Hause und hat mein Interesse kaum wecken können. Werder Bremen ist für mich mittlerweile das, was die Nationalmannschaft schon seit Jahren ist: Ein Team, für das ich durchaus Sympathien hege, aber das mich nicht mehr vom Hocker reißt. Aber warum ist das so?

Ich glaube gar nicht mal, dass die Nationalmannschaft und Werder an sich so viel falsch gemacht haben, ich glaube eher, dass mein Problem größerer Natur ist. Fußball war hierzulande durchaus immer ein Breitensport. Klar. Ich habe allerdings das Gefühl, dass die Verbände ihn mittlerweile zu breit gemacht haben. Der wahre Fan wird vergessen, stattdessen greift man die Kohle von anderen Menschen ab. Uli Hoeneß sagte einmal so etwas wie: Seid doch froh, dass Ihr Eure Tickets so günstig bekommt. Das geht nur, weil die auf der Haupttribüne so viel zahlen.. Das meine ich damit in etwa. Und dann gibt es da ja noch den offiziellen Fanclub der Nationalmannschaft. Ist für jedermann da, kostet einen Beitrag und dafür bekommt man Keine Ahnung, was man dafür bekommt. Sollte mich als wahren Fan denn auch überhaupt interessieren? Ist doch eh nur eine weitere Ausuferung der Monetarisierung des Sports, den ich einst so innig liebte.

Unverhältnismäßige Ablösesummen, riesige Prämien in der Champions League, Korruption im Weltverband, zweifelhafte Vergaben großer Turniere, eine mögliche europäische Super-Liga, Auslandsvermarktung, dubiose Investoren, Retorten-Vereine, Familienblocks, weichgespülte Profis, typische Wir haben super gespielt-Aussagen auch nach Niederlagen und und und

Der Video-Schiedsrichter fällt mir da noch ein Klar, dahinter steckt ein edler Gedanke. Niemand soll mehr benachteiligt werden. Die Spiele sollen fairer werden und nicht durch Fehlentscheidungen entschieden werden. Klingt gut. Ist es das aber auch? Was wäre das WM-Finale 1966 eigentlich ohne das Wembley-Tor? Wer wäre Diego Maradona, wenn nicht die Hand Gottes? Diese Dinge soll es in Zukunft nicht mehr geben? Natürlich ist es blöd ein Spiel zu verlieren, weil der Referee etwas nicht gesehen hat. Aber am Ende hat sich all dies doch immer wieder irgendwie ausgeglichen. Der Fußball lebte auch von eben diesen Fehlentscheidungen.

Auch bin ich der Meinung, dass Fußball nicht politisiert werden dürfte. Mir sind die Aussagen bezüglich der AfD von Herrn Hess-Grunewald schon sehr sauer aufgestoßen. Auch ohne die AfD jemals gewählt zu haben, finde ich nicht, dass ein hoher Funktionär eines Bundesligavereins solche Aussagen von sich geben sollte. Wo kämen wir denn da hin, wenn so etwas jeder machen würde? Keine Dauerkarten für die AfD in Bremen? Keine Linken mehr in der Allianz-Arena? Bratwurstverbot auf Drängen der Grünen im Olympiastadion? Ein Block nur für GroKo-Befürworter auf Schalke? Nein, nein, nein! Fußball ist Sport und keine Politik!

Und abermals nein, das alles ist nicht mehr so wirklich mein Sport. Für mich ist vieles kaputt gegangen und es ist etwas geschehen, was ich noch vor wenigen Monaten für unmöglich hielt: Auch meine Liebe zu Werder Bremen ist kaputt. Ich freue mich schon seit Wochen nicht mehr auf die Spiele. Ich sehe sie mir an, weil ich es immer so gemacht habe. Ich freue mich über die Siege, weil ich es immer so gemacht habe, ich schalte unbefriedigt den Fernseher aus, wenn es ein Unentschieden gab, weil ich es immer so gemacht habe, aber ich trauere nicht mehr nach einer Niederlage, weil es mir mittlerweile einfach nicht mehr wichtig ist.

Ich werde sicher auch weiterhin verfolgen, was meine Bremer an den Spieltagen so anstellen. Aber mein Sky-Abo hat die längste Zeit hinter sich gebracht. Und auch mein morgendliches Ritual, direkt nach dem Aufwachen die News von der Weser zu googlen, ist bereits seit geraumer Zeit ersatzlos gestrichen worden. Es ist doch eh ständig das gleiche: Langweilig Interviews von gesichtslosen Profis, durch Medienexperten gesteuert. Kein Lothar Matthäus mehr, der Andi Möller als Heulsuse bezeichnet und auch kein Mario Gomez, der seinen Gegenspieler als Arschloch bezeichnet mehr. Stattdessen nur Geseiere und platte Phrasen. Ich sehe düstere Zeiten auf den Profifußball zukommen und es ist mir mittlerweile auch egal geworden. Für mich ist das Maß voll und ich kehre diesem einstmals wunderbaren Sport den Rücken. Und hätte ich Werder geheiratet, so würde ich noch heute die Scheidung einreichen wollen.

Ich danke Dir, König Fußball. Ich danke Dir, Werder Bremen. Ich wünsche alles Gute für die Zukunft. Ihr habt mich damals ausgesucht, aber Ihr habt mich wieder verloren. Viel Erfolg weiterhin auf Euren Wegen. Und falls Ihr doch wieder in die Spur findet, dann möchte ich nicht ausschließen, dass wir uns nicht doch irgendwann wiedersehen.

RIP Fan-Dasein

Dein tufknas

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