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22.07.2010 um 10:14 Uhr
Die Dominanz der Philosophie
Bei der WM bewahrheitete sich, was die abgelaufen Saison gezeigt hat: Nur mit einer starken, klaren Philosophie des Trainers kann eine Mannschaft Erfolg haben.

Wahre Weisheiten werden erdacht, ausgesprochen und ständig wiederholt, bis sie irgendwann als Stammtischparolen und Einnahmequellen für Phrasenschweine enden, bei dem das "Runde" in das Eckige muss" und die Wahrheit immer "auf dem Platz" liegt. Aktuell erfahren diese sprachlichen Geniestreiche eine euphorische Neubelebung, was sich schon daran zeigt, dass für den heutigen Zeitgenossen der Ball nicht mehr nur rund, wie noch für Sepp Herberger, ist, sondern sogar der "rundeste Ball aller Zeiten" . Ebenso ist es auch nicht nur wahr, sondern wahrer denn je, dass "Fußball eine Mannschaftsportart" ist.

Die großen, mit Stars und hohen Erwartungen gestarteten Teams aus Frankreich, England, Italien oder Argentinien haben sich frühzeitig aus dem WM-Turnier verabschiedet. Dass diese Länderauswahlen nicht als Mannschaften auftraten wurde schnell ersichtlich und ist ein Hauptgrund für das frühe Ausscheiden. Die teaminternen Dissonanzen wurden am offensichtlichsten bei der an französisches Theater erinnernde Equipe Tricolore oder den Machtkämpfen im englischen Team.

Mannschaften hingegen, bei denen einer für den anderen läuft und die geschlossen auftreten, haben einen weitaus größeren Erfolg. Dies zeigen die Halbfinalisten des Turniers, wie die Uruguayer, bei denen sich Suarez mit einem Handspiel auf der Linie opferte und so seiner Mannschaft erst das Weiterkommen ins Halbfinale ermöglichte.

Hinter all der mannschaftlichen Geschlossenheit steht aber vor allem eine Disziplin, die den Deutschen zuletzt etwas nutz- und wertlos erschien und nun durch Joachim Löw eine neue Renaissance erleben könnte: die "Philosophie" als Schlüssel zum Erfolg im modernen Fußball. Nicht der schicksalsgläubige, mit Rosenkranz dekorierte Maradona, sondern der hinterfragende Philosoph Löw überzeugt das weltweite Publikum mit attraktivem Fußball.

Dass auch Löws Philosophie andere Philosophien als Grundlage benötigt, könnte einem dabei verborgen bleiben. Doch erst die seit einigen Jahren verstärkte Jugendarbeit der Bundesligaclubs stellt die dafür notwendigen, gut ausgebildeten Spieler bereit. Betrachtet man die sieben Nationalspieler, die die Schule von Hermann Gerland, dem Trainer der zweiten Bayern Mannschaft, durchlaufen haben, steckt in fast jedem Dritten des WM-Kaders ein Teil "Gerland‘scher Philosophie" und ebenso viele folgen in München den Worten Louis van Gaals. Dieser führte gerade noch die Bayern ins Champions League Finale und traf dort auf seinen Kollegen José Mourinho, der einst bei van Gaal lernte und eine ebenso starke Philosophie vertritt.

Auch wenn es diverse Unterschiede in der Ausrichtung und Umsetzung geben kann, umfassen die Philosophien nicht nur das Geschehen auf dem Spielfeld, sondern insbesondere auch daneben. Ein wesentliches gemeinsames Merkmal dieser Philosophien ist die Unterordnung des Einzelnen in das Gefüge des Teams. Ein Verstoß gegen diese Philosophie der Loyalität wird konsequent sanktioniert, wie bei der Suspendierung Kurányis, der sein eigenes Ego über die Mannschaft stellte.

In modernen Spielphilosophien findet sich kein Star mit Ausnahmestellung mehr, nach dem das System ausgerichtet wird, wie es Argentiniens Messi ist. Vielmehr müssen die Spieler ihre Klasse in den Dienst des Konzeptes stellen und den Anforderungen der Position im System gerecht werden.
Der One-Touch-Fußball, den man am perfektesten bei Barcelona oder dem spanischen Nationalteam sehen kann, nutzt ballverliebte Dribblings und Übersteiger nur dosiert, vielmehr steht die Mannschaft, die Bewegung und der direkte Pass im Vordergrund, wohingegen die individuelle Klasse nur in gezielten Momenten aufblitzt. Aber auch, wenn, wie bei Bayern, Stars mit spektakulärerer Spielweise wie Robben und Ribery auf den Flügeln tanzen, werden diese nicht müde zu wiederholen, dass die Mannschaft im Vordergrund steht. Die Philosophie des Trainers beinhaltet, dass die Spieler ihre Worte mit Leben füllen durch Grätschen und einem Miteinander auf dem Platz. Stars dieser WM sind nicht Messi, Ronaldo und Rooney geworden, sondern Spieler, die sowohl in Nationalmannschaft als auch in ihren Vereinen einer Philosophie des Füreinander folgen, wie Wesley Sneijder von Inter Mailand oder Bastian Schweinsteiger.

Der Star im Hintergrund allerdings ist der Trainer, der ein funktionierendes Gebilde nicht nur auf taktischer, körperlicher und spielerischer Ebene bilden muss, sondern das gesamte Team nach seinem Konzept kreieren, ausrichten und führen muss. Unsichtbarer Star 2010 aber ist die Philosophie. Ihre Leitthese wurde am wundervollsten formuliert von einem Deutschen, den man eher seltener im Philosophischen verortet - 1996 sprach Berti Vogts: "Der Star ist die Mannschaft".
Aufrufe: 2270 | Kommentare: 5 | Bewertungen: 0 | Erstellt:22.07.2010
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WM  |Messi  |Löw  |gaal  |Mourinho  |Bayern  |Philosophie  |konzept  |One Touch  |Star  |
KOMMENTARE
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mrpink27
22.07.2010 | 13:59 Uhr
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mrpink27 : 
22.07.2010 | 13:59 Uhr
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mrpink27 : 
Ob Suarez sich geopfert hat oder einfach nur sein Ego oder sein Siegeswille in der Situation die Oberhand hatten. "Opfern" romantisiert zu sehr, so schnell können die Jungs garnicht über die Situation nachdenken. Der wollte einfach kein Tor kassieren und hat über den Elfmeter oder die Karte nicht nachgedacht.

Mit der Philosophie hast du grundsätzlich recht, aber die muss eben zum Team passen. Neben dem Platz hat bei Argentinien z.B. alles gepasst. Da war ein Bruch zwischen Angriff und Abwehr, taktisch einfach nicht Klug umgesetzt.

Fußball ist das Zusammenspiel aller elf Spieler, und nicht nur die individuelle Klasse einzelner. Dieses Zusammenspiel ist das was eine Mannschaft ausmacht. Wenn das funktioniert ist auch mal Platz für die genialen Momente. Was das Solo für Ribery ist, ist die Grätsche für van Bommel, beides darf nicht zum Selbstzweck werden.
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robson2951989
MODERATOR
23.07.2010 | 00:35 Uhr
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23.07.2010 | 00:35 Uhr
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Das ist mir alles irgendwie ein bisschen zu blumig formuliert und teilweise auch einfach nicht ganz richtig. Bei Barca bringen die Außenstürmer häufig ihre Dribbelstärke an um selbst abzuschließen oder den Ball durchzustecken, auch bei den Bayern sind die Dribblings von Robben eines der gefährlichsten Mittel.

Nimm es mir nicht übel, aber ich habe das Gefühl, dass hier alte Weisheiten wortgewaltig aufgeblasen wurden.
"Philosophie der Loyalität", da hätte man früher so etwas gesagt wie: "Alle für einen, einer für alle", das ist eine Selbstverständlichkeit wenn sich Spieler, Trainer und Verband nicht gegenseitig in die Haare bekommen wie in Frankreich und das gab es wohl bei 31 von 32 Teams bei der WM.

Und generell nervt es mich, dass gleich überall ein großer Trend gesehen wird wenn ein Großereignis rum ist. Als Inter in der CL-KO-Phase Teams wie Chelsea oder Barcelona mit perfektem Defensivfußball zur Verzweiflung getrieben hat ging der Trend angeblich zur Mourinho-Taktik (in der es übrigens auch 2 Spieler gab die von Defensivaufgaben weitestgehend entbunden waren), als Barca CL-Sieger war ging der Trend zum Kurzpassspiel, nun geht der Trend zur Kollektivphilosophie mit Kurzpassspiel.
Bei Uruguay war das Spiel übrigens komplett auf Forlan ausgerichtet und es hat funktioniert, Brasilien hatte wohl einen so großen Zusammenhalt in der Truppe wie nie zuvor, bot recht biedere Vorstellungen und schied dann gegen Holland aus. Was bedeutet überhaupt Philosophie? Dass der Trainer nen Plan hat und sich die Spieler dran halten? Ich unterstelle mal einfach, dass es so etwas auch 1930 schon gab.

Das wird in meinen Augen alles ein wenig überinterpretiert. Um auch mal was ins Phrasenschwein einzuzahlen: In meinen Augen gibt es nur die Gewinnerphilosophie, wer gewinnt hat Recht und damit die beste Philosophie, wie König Otto 2004.

Was ich aber sagen muss: Du hast ein großes Talent zu schreiben, sprachlich und stilistisch 1a, aber inhaltlich sehe ich das leider anders.
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DorfMaradona
23.07.2010 | 00:45 Uhr
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23.07.2010 | 00:45 Uhr
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Gerland‘ wenn man sowas sieht weiß man immer das der text kopiert und eingefügt wurde ich kenn mich da aus ich selber mach das aber nur mit daten und nicht mit meinungen
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betaherms
23.07.2010 | 11:57 Uhr
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betaherms : 
23.07.2010 | 11:57 Uhr
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betaherms : 
@DorfMaradona
Kein Wort wurde mit Copy&Paste eingefügt, außer vielleicht die letzten vier Worte des Textes (Zitat B. Vogts)

@mrpink & robson
Es geht nicht um die Umsetzung der einen Philosophie in allen Teams, vielmehr steht im Fokus, dass überhaupt eine Philosophie vorhanden sein muss, die gemeinschaftlich getragen und der sich untergeordnet wird. Über das Vorhandensein eines Trends, in dem auch der Star sich unterzuordnen hat, kann man sicherlich kontrovers diskutieren (Forlan, Robben,...), doch m.E müssen sich diese mittlerweile konsequent in den Dienst der Mannschaft stellen.

@robson
Danke für dein Lob
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mrpink27
23.07.2010 | 12:27 Uhr
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mrpink27 : 
23.07.2010 | 12:27 Uhr
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mrpink27 : 
"Es geht nicht um die Umsetzung der einen Philosophie in allen Teams, vielmehr steht im Fokus, dass überhaupt eine Philosophie vorhanden sein muss, die gemeinschaftlich getragen und der sich untergeordnet wird."

Ich habe nichts gegenteiliges behauptet.

"Mit der Philosophie hast du grundsätzlich recht, aber die muss eben zum Team passen."

Ich habe nur bezweifelt, dass sich Suarez im Augenblich als der Ball auf ihn zu flog und er die Hand zur Hilfe nahm (clever) dachte: 'Ich opfere mich jetzt für die Mannschaft.' Das war ein Reflex um das Tor zu verhindern.

Außerdem bedeutet eine Philosophie nicht automatisch, dass alle Spieler verteidigen müssen usw. Robben oder Ribery haben sicher gewisse Freiheiten und andere müssen dafür automatisch mitarbeiten.
Was man unter Philosophie versteht ist die Frage und als Mannschaft zusammen zu arbeiten ist sicher keine besondere und auch keine neue Philosophie. Zusammen arbeiten bedeutet auch nicht automatisch, dass man hässlich Fußball spielt.


"Bei Uruguay war das Spiel übrigens komplett auf Forlan ausgerichtet und es hat funktioniert, Brasilien hatte wohl einen so großen Zusammenhalt in der Truppe wie nie zuvor, bot recht biedere Vorstellungen und schied dann gegen Holland aus."

Uruguay hat eben als Mannschaft funktioniert, es muss ja nicht immer spanischer Kombinationsfußball sein. Wenn man dann einen Forlan hat, warum nicht nutzen?
Und Brasilien war taktisch sehr interessant und ist immerhin gegen einen Finalteilnehmer ausgeschieden (mit zwei unterschiedlichen Halbzeiten und seltsamen Gegentoren). Die haben einfach die Nerven verloren, als Mannschaft.
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