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Von: 90PLUS
05.11.2014 | 7756 Aufrufe | 1 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 10.0
Rudi Garcia im Portrait
Der Offensivcoach
Der AS Rom ist trotz der 1:7 Schmach gegen die Bayern auf dem Vormarsch. Das liegt zum Großteil an Coach Garcia...

Keine große Fußballkarriere

Rudi Garcias erste Schritte im Profifußball machte er beim lokalen Verein Corbeil-Essonnes, bei dem sein Vater, José Garcia ein ehemaliger Fußballprofi, Trainer war. Corbeil-Essonnes ist ein Provinzverein in der Amateurliga und über die Zwischenstation Viry-Châtillon ging er, nachdem er erfolgreich sein Abitur abgelegt hatte, in den Norden Frankreichs nach Lille. Garcia spielt unauffällig es gibt nur einen Zwischenfall, bei dem er 1985 von einem Mann mit einer Schere attackiert wurde. Nach weiteren Stationen beim SM Caen und dem FC Martigues beendet Garcia seine Karriere. Zwischen 1992 und 1994 schrieb er sich an der Universität Orsay ein und erwarb dort ein Zeugnis, dass ihn fortan berechtigte, ein Jugendzentrum aufzubauen. Gleichzeitig arbeitet er für den TV-Sender CanalSatellite als Reporter und als Experte im Studio.

Neuanfang im Amateurfußball

Doch 1995 will er wieder zurück auf den Fußballplatz. Er wird Trainer seines ersten Vereines Corbeil-Essonnes, der in der Division DHonneur, der höchsten Amateurklasse, mitten im Abstiegskampf steckt. Nur zwei Monate vor dem Ende der Saison übernimmt Garcia und verhindert den Abstieg. Ein Jahr darauf führt er die Mannschaft zu einem Platz im Mittelfeld der Tabelle und feiert ein Jahr später die Vizemeisterschaft und macht so erstmals als Trainer auf sich aufmerksam. Doch erst besetzte er eine andere Stelle bei seinem neuen Arbeitgeber. Der Ligue 1 Verein Saint-Etienne verpflichtet ihn als Konditionstrainer, doch er kümmert sich nicht lange um die Kondition der Spieler, sondern darf sein taktisches Geschick anwenden. Er wird Scout und analysiert die kommenden Gegner und hilft in der taktischen Ausrichtung der eigenen Mannschaft. Schnell wird Garcia auf den Posten des Co-Trainers bei den Grünen befördert. In der Skandalsaison 2000/2001, Klub-Offizielle wurden in Verbindung mit Ausweisfälschungen gebracht, ist Garcia einer von fünf Trainern in einer Saison. Nach nur 4 Monaten wird auch er gefeuert, nachdem er den Abstieg nicht verhindern konnte. Zur gleichen Zeit macht er die Fußballlehrerlizenz und unterschrieb anschließend beim Drittligaclub Dijon, den er in die Ligue 2 führte. Dann folgte der Schritt in Frankreichs höchste Spielklasse, doch nach nur einem Jahr in Le Mans, bei dem er den Klub ins Mittelfeld der Tabelle brachte und das Halbfinale des französischen Pokals erreichte, zog er weiter. Es wollte ihn ein Club aus seiner Vergangenheit.

Das Barca des Nordens

In Lille etablierte Garcia einen ansehnlichen Offensivfußball und entwickelte junge Spieler wie Michel Bastos, die Garcias Idee vom Fußball perfekt verkörperten. Außerdem gab er einem 17 jährigen Belgier auf der Außenbahn viel Spielzeit- Eden Hazard. Nach Platz 5, was für einen Platz in der Europa Leauge berechtigte, wurde er in einer Posse entlassen. Anscheinend wurde er wegen einem Streit zwischen Garcia und Xavier Thuilot, einem Kluboffiziellen, gefeuert. Nachdem Thuilot aber kurz danach auch gefeuert wurde, wollten die anderen Verantwortlichen im Verein Garcia unbedingt zurück. Garcia hatte alle Gründe das Angebot abzulehnen, entschied sich aber für eine Rückkehr in die Bergbauregion. So sagte Aimé Jacquez, Weltmeistertrainer Frankreichs von 1998, dass Garcia eines der hoffnungsvollsten Talente auf der Trainerposition sei, vor allem in einem Land, das für seine defensiv denkenden Trainer bekannt ist. Die Mannschaft kletterte auf Rang 4 in der Liga und stellte mit insgesamt 72 Toren die beste Offensive der Ligue 1, noch vor dem Meister aus Marseille. Die Offensivreihe aus Gervinho, Cabaye, Hazard und Frau rissen Woche für Woche ein wahres Offensivfeuerwerk ab. Fans und Experten waren vom Offensivfußball dermaßen begeistert, dass sie Lille als Barca des Nordens feierten.

Das Double

Dann folgten der endgültige Durchbruch und sein persönliches Meisterstück. Mit Moussa Sow kam der lang ersehnte Mittelstürmer ablösefrei und erzielte 25 Tore in 36 Einsätzen für die Nordfranzosen. Mit einem stark verbesserten Eden Hazard und vor allem einem groß aufspielenden Gervinho, der an 26 Toren in der Liga beteiligt war, spielt Lille die Gegner in Grund und Boden. Nach dem Sieg im Pokalfinale gegen Paris Saint-Germain gewannen die Nordfranzosen ihre erste Trophäe seit 1955 und setzen ein paar Wochen später mit dem Gewinn der Meisterschaft noch einen drauf. Rudi Garcia wurde zum besten Trainer gewählt und widmete die Auszeichnung seinem Vater. Garcia wird zu einem der gefragtesten Trainer Europas, bleibt aber in Lille. Aber auch dort gelten die Regeln des Profifußballs. Mit Gervinho verlässt einer der Stützpfeiler der Meistersaison den Verein und wechselte zum FC Arsenal. Nach Platz 3 in der Liga verlässt auch Eden Hazard den Verein und wechselt nach London, zum FC Chelsea. Mit Salomon Kalou und Dimitri Payet kommen zwar ähnliche Spielertypen, diese können die beiden Superstars jedoch nicht ersetzen. Dennoch reicht es in Garcias letzter Saison in Lille zu Platz 6 und er wird erneut zum Trainer des Jahres gewählt.

Blitzstart in Rom

Der Italo-amerikaner James Palotta, der 2012 die Roma zusammen mit einer Investorengruppe übernahm, ernannte 2013 Garcia als neuen Trainer in der Ewigen Stadt. Er übernahm von Aurelio Andreazzoli, der während der Saison von Zdnek Zeman übernahm. Die Frage war, wie passt der begeisternde Offensivfußball in die Seria A, in der sonst mehr Beachtung auf die Defensive und taktische Ordnung gelegt wird? Vor allem deshalb hielt sich die Begeisterung der Roma Anhänger in Grenzen, doch nach nur 10 Spielen zeigte sich, dass es wunderbar funktioniert. Vor der Saison wurde erst einmal ordentlich aufgerüstet. Mit Gervinho kam der Wunschspieler des Trainers, mit Kevin Strootmann und Tin Jedvaj zwei junge Talente und Mehdi Benatia kam für nur 13,5 Millionen von Udinese Calcio in die Hauptstadt. Letzterer spielt zwar mittlerweile in München, brachte der Roma aber einen Transfergewinn von 15 Millionen . Doch nun zum sportlichen: Die Gelb-Roten gewannen die ersten zehn Spiele mit einem Torverhältnis von 24:1 und lösten damit Juventus Turin ab, die neun Spiele hintereinander erfolgreich bestritten. Doch auch die Roma konnte die Dominanz von Juventus Turin nicht stoppen. Den Römern schien nach dem furiosen Start ein wenig die Puste auszugehen. Das nutzte die alte Dame eiskalt. Mit 17 Punkten Abstand belegten die Roma aber Platz 2 in der Liga, die beste Platzierung seit 2010 und eine Verbesserung von 4 Plätzen zum Vorjahr.

Garcia beim Spiel gegen Juve, als er mit einigen Entscheidungen des Schiedsrichters unzufrieden war

Offensivfußball nach Garcia

Will der Offensivfußball auch erfolgreich sein, muss die Defensive stimmen. Nominell will Garcia je nach Situation ein 4-3-3 oder ein 4-1-4-1 spielen, mit DeRossi als zentralem Sechser vor der Abwehr und Altstar Francesco Totti auf der Mittelstürmerposition. Besonders DeRossi ist für die Defensive extrem wichtig. Er macht die Halbräume dicht und verteidigt im Verbund mit den Achtern Pijanic und Strootmann. Die Roma steht sehr hoch, ohne aber volles Pressing zu spielen. Die Defensive ist mehr auf generelle Kompaktheit ausgelegt, als auf schnelles Gegenpressing a la Bayern oder Dortmund. Obwohl Totti schon 37 Jahre alt ist, sind seine Fähigkeiten immer noch eminent wertvoll, vor allem wenn sie richtig eingebunden werden. Totti spielt eine Art spielmachende Neun und wird dadurch vor allem im Konterspiel zur Anspielstation Nummer eins. Seine Technik ist immer noch auf Weltklasseniveau und erlaubt so auch schnelle, harte Pässe. Damit Totti noch effektiver wird, müssen die beiden Außenstürmer in die gegnerischen Räume möglichst schnell vordringen. Mit 60,3% haben die Römer mit Abstand den meisten Ballbesitz und auch die erfolgreiche Passquote von knapp 88% ist der Spitzenwert in Italiens höchster Spielklasse, das vor allem durch das Spielstarke Mittelfeld entsteht und einem Totti, der sich immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen lässt. Doch presst eine Mannschaft sehr früh wie die Bayern, haben die Römer Probleme, da sie die Spielweise nicht aus der heimischen Liga kennen.

Wenn mehr Interessen an einem lesenswerten und sehr ausführlichen Artikel über die Taktik des AS Rom besteht, sei http://spielverlagerung.de/2013/10/25/der-as-rom-unter-rudi-garcia/ empfohlen. Der Artikel stammt zwar von der Vorsaison, ist aber dieses Jahr auch gültig.

Angriff auf den Meistertitel?

Vor der Saison wurde der Kader erneut verstärkt. Mit Juan Iturbe für die rechte Außenbahn, Konstantinos Manolas als Benatia Ersatz für die Innenverteidigerposition wurde qualitativ eingekauft. Ablösefrei kam dagegen Haudegen Seydou Keita, der mit dem fest verpflichteten Nainggolan, Pijanic oder DeRossi im 4-3-3 eine weitere Option im Mittelfeld darstellt. Momentan stehen die Römer wieder auf Platz 2, nur 3 Punkte hinter Juventus Turin. In der Champions League lief es mit vier Punkten aus zwei Spielen (darunter ein überragender 5:1 Heimsieg über ZSKA Moskau) bis die Bayern den AS Rom mit 7:1 überrollten. Es war die erste Niederlage zu Hause in dieser Saison und dazu noch eine schallende Ohrfeige in das Gesicht eines jeden, der mit der Roma hält. Es war ein harter Schlag und es schmerzt sehr, aber jetzt müssen wir mental stark sein und darüber hinweg kommen, sagte Garcia nach dem Spiel und ergänzte, Es war ein taktischer Kollaps, es ist meine Schuld, es ist nicht der Fehler der Spieler und nahm so seine Mannschaft in den Schutz. Nach dem 1:0 haben wir zu viel nach vorne gespielt und haben den Bayern in die Karten gespielt. Für die Römer eine schmerzliche Niederlage und auch für Garcia selbst. Sein gewünschter Offensivfußball kann auch enorm schiefgehen. Wir müssen die Niederlage akzeptieren und müssen weitere Schritte Richtung Weltspitze gehen, dort sind wir noch nicht. In der Serie A gehören sie schon zur absoluten Spitze, auf europäischer Ebene noch nicht. Doch mit Garcia haben die Römer einen Trainer, der sie dorthin zurück bringen kann. Garcia hat eine klare Vorstellung vom Fußball, stabile Defensive, viel Ballbesitz und ein blitzschnelles Angreifen über die Außen. Und vielleicht gelingt es ja dieses Mal die Dominanz von Juventus Turin zu durchbrechen.

Philipp Landsgesell (@Phillyland)


Bild: mustapha ennaimi (Flickr: DSC_5839)
[CC-BY-2.0] via Wikimedia Commons
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KOMMENTARE
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Spazmo
11.11.2014 | 16:05 Uhr
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Spazmo : 
11.11.2014 | 16:05 Uhr
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Spazmo : 
Super Blog! Ich fand besonders die Kombination Amateur-Fussball und Uni interessant.. vielleicht gibt's fuer mich ja auch noch Hoffnung ;)... Haha... quatsch ^^.
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