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19.01.2011 um 16:18 Uhr
Der Bundesligaskandal 1971
Man stelle sich vor, der Torwart vom 1. FC Köln ruft beim Präsidenten von den abstiegsbedrohten Offenbacher Kickers an und fordert dreist 25 000 Mark von ihm, da er sonst im nächsten Spiel gegen Essen, ebenfalls in Abstiegsnöten, „einige Dinger reinlassen" werde. Der Präsident jedoch bezahlt und Köln gewinnt das Spiel. Klingt zunächst wie in einem schlechten Film, ist aber tatsächlich so passiert. Und das in unserer Bundesliga. Nämlich in der Saison 1970/71, also vor genau 40 Jahren.

06. Juni 1971. Die Bundesligasaison war vor ein paar Tagen zu Ende gegangen, Hennes Weisweiler feierte mit Gladbach den Meistertitel, Trauer herrschte hingegen bei den Absteigern Offenbach und Essen. Nichtsdestotrotz lud der Präsident der Kickers, Horst Gregorio Canellas, zu seinem 50. Geburtstag ein. Doch dass es hier wenig bis nichts zu feiern gab, sollten die Gäste (u.a. der damalige Bundestrainer Helmuth Schön und viele Journalisten) schnell erfahren. Canellas verkündete nämlich, dass seine Kickers durch Betrug abgestiegen seien und er könne dies auch beweisen. Er drückte auf einen Knopf und Stimmen drangen aus dem nun laufenden Tonbandgerät…

Heraus kam der größte Bestechungsskandal den die Bundesliga je gesehen hatte. Zu hören sind unter anderem die Stimmen von Bernd Patzke (Hertha BSC, Verteidiger) und Manfred Manglitz (Torwart, 1. FC Köln). Manglitz verlangt von Canellas 100 000 DM für sein Team, dafür würden sie aber die Kickers in Köln gewinnen lassen. Patzke hingegen wurden 140 000 DM Siegprämie versprochen, wenn sie gegen den Abstiegskonkurrenten aus Bielefeld gewinnen würden. Dies genügte ihm jedoch nicht, da ihm ein Bielefelder Manager ja schon 220 000 DM für eine Niederlage geboten habe. Canellas hatte all diese Telefonate angeblich nur mitgeschnitten um zu beweisen, dass in der Bundesliga bestochen wird. Man wird jedoch nie erfahren, ob er sie auch veröffentlicht hätte, wenn Offenbach nicht abgestiegen wäre.

Jedenfalls hatte er damit eine Lawine losgetreten schnell wurde klar, dass die Bundesliga ihren bis dahin guten Ruf verloren hatte. Und das ausgerechnet drei Jahre vor der WM im eigenen Land. Insgesamt sind 18 Spiele verschoben worden, 10 Mannschaften der ersten Liga waren beteiligt, mehr als 60 Spieler hatten mitgewirkt und ca. 1-2 Millionen Mark Schmiergeld sind geflossen. Allein Arminia Bielefeld ließ sich den Sieg am letzten Spieltag bei der Hertha 250 000 Mark kosten (Berlin war zu diesem Zeitpunkt zu Hause zwei Jahre ungeschlagen gewesen) und blieb vorerst in der Liga. Doch Hans Kindermann, Vorsitzender des Kontrollausschusses beim DFB und gleichzeitig Richter beim Landgericht Stuttgart, nahm die Sache in die Hand und verhängte zunächst drastische Strafen.

Patzke wurde für 10 Jahre gesperrt, Manglitz erhielt sogar lebenslänglich und musste zudem 25 000 Mark Strafe bezahlen. Viele weitere Spieler und Trainer wurden ähnlich bestraft. Obwohl auch die Vereine aus Berlin, Frankfurt, Oberhausen, Duisburg, Stuttgart, Schalke, Braunschweig und Köln beteiligt waren, wurden nur Arminia Bielefeld und den Kickers Offenbach die Lizenz für die höchste Spielklasse entzogen. Dies wurde kritisiert und deutet daraufhin, dass man die Sache im Hinblick auf die WM möglichst schnell klären wollte und so vielleicht voreilig und nicht korrekt geurteilt hat. Die meisten Spieler, u.a. auch Manglitz und Patzke, wurden jedoch nach zwei Jahren Buße wieder begnadigt.

Besonders hart traf es die Spieler von Schalke 04 (u.a. Rolf Rüssmann und Reinhard ‚Stan’ Libuda), die fast im Gefängnis gelandet wären. Sie leugneten zunächst jegliche Beteiligung am Skandal, deckten sich gegenseitig und wurden letztendlich wegen Meineids angeklagt. Deswegen sprechen manche heute noch vom "Schalke-Skandal" oder vom „FC Meineid 04". Schließlich gestanden die Schalker Spieler dann doch und wurden nur zu hohen Geldstrafen verurteilt. Dies war allerdings schon vier Jahre nach der ominösen Geburtstagsfeier. Insgesamt zogen sich die Prozesse aller Beteiligten sieben Jahre hin.

Ich hoffe euch hat mein allererster Blog gefallen und wenn nicht, schließe ich mich den Worten von Manfred Manglitz an, der damals nach der 4:2 Niederlage gegen Oberhausen (verschoben) wirklich folgenden Satz sagte: „Man muss auch schon mal verlieren können."

Aufrufe: 8734 | Kommentare: 8 | Bewertungen: 11 | Erstellt:19.01.2011
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KOMMENTARE
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donluka
20.01.2011 | 11:57 Uhr
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donluka : 
20.01.2011 | 11:57 Uhr
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donluka : 
Super!

Gut geschrieben, sehr rund und vor allem: Einen komplexen Skandal schön auf den Punkt gebracht!

10P!
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opone
20.01.2011 | 13:58 Uhr
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opone : Klasse
20.01.2011 | 13:58 Uhr
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opone : Klasse
Erster Blog? Dafür sehr gut geschrieben....
Jaja, das dunkle Kapitel, unglaublich das es schon 40 Jahre her sein soll
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gartenzwerg
20.01.2011 | 14:14 Uhr
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20.01.2011 | 14:14 Uhr
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Wow.
Das komplexe Thema hast Du in der Kürze sehr gut zusammengefasst.
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taneu
20.01.2011 | 14:44 Uhr
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taneu : 
20.01.2011 | 14:44 Uhr
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taneu : 
Möchte mal behaupten: besser gehts nicht. Wie meine Vorredner sagen: auf den Punkt.
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Hertha1304
20.01.2011 | 14:54 Uhr
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Hertha1304 : 
20.01.2011 | 14:54 Uhr
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Hertha1304 : 
Naja bissel zu Oberflächlich geschrieben bei so einem Thema in meinen Augen.
Besonders die Anspielung wie hart es die armen Schalker doch traf.

Schalke war es nämlich die ihre Spieler wieder einsetzten und einsetzen durften im Gegensatz zu anderen Vereinen.
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Zyrock
20.01.2011 | 16:53 Uhr
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Zyrock : 
20.01.2011 | 16:53 Uhr
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Zyrock : 
Für einen Einteiler, der einen Überblick verschaffen soll, ein Wahnsinnsblog! Ganz ehrlich! Und sowas schreibe ich nicht nur vor mir her, kannst du mir glauben!
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xxlhonk
20.01.2011 | 17:16 Uhr
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xxlhonk : 
20.01.2011 | 17:16 Uhr
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xxlhonk : 
Stark!
Auf den Punkt!
Und FC Meineid 04?
kenne ich nur noch als
Schulden 04.

Ich erinnere mich dunkel..
Auch Klaus Fischer war involviert...
Und andere...
Damals...
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Lila_Weisser_Held
21.01.2011 | 10:40 Uhr
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21.01.2011 | 10:40 Uhr
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Hochinteressantes Thema.

Leider etwas zu lapidar abgehandelt.

Seine außergewöhnliche Brisanz z.B. im Vergleich zu den Skandalen um Hoyzer und die "verkauften" Zweitligaspiele der vorvergangenen Saison erhält der Bundesligaskandal von 1971 durch seine Protagonisten.

Mit Klaus Fischer, Rolf Rüssmann, Bernd Patzke, Klaus Fichtel, Reinhard "Stan" Libuda, Manfred Manglitz, Arno Steffenhagen, Dieter Burdenski, Horst Wolter, Bernd Gersdorff, Joachim Bäse, Max Lorenz und Volkmar Groß wurden nicht weniger als 14!! (vierzehn!!)ehemalige, aktive bzw. spätere A-Nationalspieler wegen ihrer Beteiligung am Bundesligaskandal verurteilt.

Sechs von ihnen (Fichtel, Patzke, Libuda, Manglitz, Wolter und Lorenz) waren noch im Jahr zuvor bei der WM in Mexiko 3. geworden!

Hinzu kamen mit Johann "Hans" Pirkner ein österreichischer Nationalspieler (WM-Teilnehmer 78), Laszlo Gergely, der für Rumänien aktiv war und ebenfalls an der WM 1970 teilgenommen hatte, sowie mit Zoltan Varga noch ein ungarischer Internationaler.
Und weiterhin noch Herbert Lütkebohmert, der ohne diesen Skandal wohl zum WM-Kader für 1974 gehört hätte.

Man stelle sich das Ganze mal auf heute übertragen vor ...
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