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22.06.2015 | 3949 Aufrufe | 4 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 10.0
Afrikas Jugendfußball im Portäit
Das Verkennen der Realität
Warum Deutschlands Ausscheiden gegen Mali keine Schande ist

Im Viertelfinale des diesjährigen U20-Turniers scheidet die deutsche Auswahl aus. Gegen Mali. Einen Kleinstaat aus Afrika. Eine Schmach könnte man denken. Könnte man.

Afrika - Ein Topkonitnent im Jugendfußball

Im Jugendfußball ist Afrika eine Institution. Somit ist es nicht weiter schlimm, geschweige denn erstaunlich, dass die Deutsche Mannschaft gegen eine Elf vom Kontinent, auf dem der Mensch den aufrechten Gang lernte, ausschied. Um dies zu manifestieren betrachte ich die U20, sowie die Herrenturniere in den Jahren 2001 bis heute.

Beginnen wir mit dem Jugendfußball. Hier sind bis auf das Jahr 2009, in dem 5 afrikanische Teams am Turnier teilnahmen, immer 4 Mannschaften dabei gewesen. 2001 schaffen es 3 der 4 Teams ins Achtelfinale. Am Ende belegte der Kontinent mit Ägypten als 3.und Ghana als 2. des Turniers ein sehr beachtliches Ergebnis. 2003 schafften es ebenfalls 3 Mannschaften in das Achtelfinale, wo jedoch alle ausschieden. 2005, ein Turnier, bei dem große Namen wie Messi, Aguero und Zabaleta für Argentinien zum ersten Mal ins große Licht traten, wurde ebenfalls lang von afrikanischen Teams begleitet. Zwar schafften es mit Marokko und Nigeria nur zwei Teams in die Runde der letzten 16, schafften dann aber auch beide den Sprung bis ins Halbfinale aus dem Nigeria im direkten Duell als Sieger hervor ging. Zwar verloren sie jeweils das Spiel um Platz als auch das Finale, dennoch ist erneut von einem erfolgreichen Turnier zu sprechen. Auffälligster afrikanischer Spieler war in diesem Jahr der Nigerianer Taiwo, welcher im Folgenden den Sprung in den Profifußball bei Marseille schaffte.

2007 schafften es alle 4 afrikanischen Mannschaften die Gruppenphase zu überstehen. Weiter als das Viertelfinale kam jedoch keine. Bei diesem Turnier liefen Namen wie Di Maria, Vidal, Mata und Piqué auf. 2009 war das Jahr für den Afrikanischen Jugendfußball: 4 der 5 Teams schafften es ins Achtelfinale. Ghana schaffte es am Ende mit ihrem Torschützenkönig Adiyiah, der 8 Tore beisteuerte, sogar den ersten Titel für eine afrikanische Mannschaft zu holen.

In den Jahren 2011 und 2013 schafften es von den 4 Teams 3, bzw. 2 ins Achtelfinale. 2013 schaffte Ghana einen achtungsvollen dritten Platz.

Beim aktuellen Turnier, aus dem Serbien als Sieger hervorging, schafften es erneut alle afrikanischen Teams den Sprung ins Achtelfinale, von denen es Mali und Senegal sogar ins Halbfinale schafften, wo jedoch beide unterlagen.

Fasst man also zusammen kommt auf 33 afrikanische Mannschaften die an 8 Turnieren teilnahmen. Davon schafften 25, also ca. 75% den Sprung ins Achtelfinale und ganze 8, also ca. 25%, es sogar bis ins Halbfinale. Des Weiteren gab es durch Ghana einen Titel.

Profifußball: Vom Wind der Jugend keine Spur

Bei den Männern sind die Zahlen deutlich nüchterner zu betrachten: 2002 schaffte es nur Senegal aus den 5 teilnehmenden Teams aus Afrika die Gruppenphase zu überstehen und schied kurz darauf im Viertelfinale aus. 2006 schaffte es mit Ghana erneut nur eine Mannschaft aus der Vorrunde und musste dann auch im Achtelfinale bereits die Koffer packen.

2010 nahmen aufgrund der Tatsache, dass mit Südafrika das erste afrikanische Land eine WM austrug ganze 6 Mannschaften an der WM teil. Doch die Bilanz bleibt ernüchternd: Lediglich Ghana stößt aus der Gruppe hervor und zieht gemeinsam in einer Gruppe mit Deutschland in das Achtelfinale ein. Im Viertelfinale ist jedoch erneut Schluss. Bei der letzten WM in Brasilien gab es mit Nigeria und Algerien 2 aus 5 afrikanischen Teams aus afrikanischer Sicht einen kurzen Lichtblick in der Runde der letzten 16. Jedoch schieden beide, Algerien bekanntlich gegen Deutschland, direkt im Achtelfinale aus.

Fasst man also auch hier zusammen kommt man bei 21 Teilnahmen an 4 Turnieren auf 5 Achtelfinal- und 2 Viertelfinalteilnahmen. Das bedeutet, dass es bei den Profis im Schnitt knapp unter 25% der Teams das Achtelfinale erreichten. Das ist eine schlechtere Quote als die Halbfinalteilnahmen im Jugendbereich. Von einem Titelganz zu schweigen. Doch woran liegt das?

Schiebung, Betrug und Versprechungen

Es genügen wenige Worte, welches im afrikanischen Fußball schlicht weg fehlt um zu erklären, warum der Erfolg der Jugendmannschaften nicht bis nach ganz oben gelingen mag: Professionalisierung, Struktur und Durchlässigkeit sind einige dieser.

Es beginnt dabei, dass es in den vergangenen Jahren in Afrika kein wirklich ersichtliches Jugendsystem gab. Viel lief und läuft noch über privat geführte Jugendinternate. Dahinter steckt kein Verein und kein Verband. Teils ehemalige Fußballprofis oder sogar nur gewinnorientierte Geschäftsmänner und Unternehmen. Hier sind die jugendlichen keine potenziellen Profis und Fußballspieler, sondern rentable Ware. Wer früh anklopft, hat am Ende die Chance sich die Hände zu reiben. Diese Praxis wird perfide auf der ganzen Welt verfolgt. In Afrika findet sie ihren Höhepunkt.

Das System ist dabei einfach, genial und genauso verwerflich: Junge Spieler werden gezielt in Ländern gescoutet, aufgenommen und vertraglich gebunden. Dabei wird den Jugendlichen, aber vor allem ihren Eltern viel versprochen. Der Traum des Fußballprofis ist in Afrika keiner wie in Europa. Hier geht es darum die Eltern aus der Armut zu befreien. Ein edles Ziel, welches einige jedoch bis ganz nach unten treibt. Denn viele schaffen es nicht. Einige werden an europäische Klubs, an denen sich die Betreiber der Jugendinternate beteiligen verkauft um am Ende bis zu 90% der zukünftigen Ablöse zu kassieren. Dieses System lässt es nicht zu, dass afrikanische Spieler einen professionellen Weg bis hin zum Profi führen. Nur mit viel Geduld, Wille, Talent aber vor allem Glück ist es möglich langfristig erfolgreich zu sein.

Kindesentführung und sonst nichts - Lennart Johannson

Doch es wird an dem Problem gearbeitet. Nachdem es bereits viel Kritik seitens der Landesregierungen in Afrika, der FIFA und einigen Menschenrechtsunternehmen wird einiges getan um die Situation zu verbessern, damit es nicht so bleibt wie es ist. Eine Situation die der ehemalige UEFA-Präsident Lennart Johannson als Kindesentführung und sonst nichts prägnant zusammen fasste.

So verteilen europäische Länder unter deutlich strengeren Regeln ein Visum an afrikanische Jugendliche. Außerdem wurde 2001 das Gesetz eingeführt, dass es keine interkontinentalen Transfers von Jugendlichen unter 18 Jahren getätigt werden dürfen, sofern die Eltern nicht mitkommen dürfen. Eben jenes Gesetz, gegen das Barcelona vermehrt verstieß.

Damit wird bereits daran gearbeitet, dass die Jugend nicht komplett zur reinen Ware deklariert wird und Menschenrechte erhalten bleiben. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Der auch gezielt über die Verbände laufen muss. Denn selbst wenn das verschiffen afrikanischer Jugendlicher zur reinen Geldgewinnung beendet ist, bedeutet dies keinen größeren Erfolg der afrikanischen Länder bei Weltmeisterschaften. Hierzu ist es nötig sinnvolle Infrastruktur, zentrale Jugendligen und ein ausgefeiltes Jugendsystem aufzubauen. Dies erfordert viel Zeit, Arbeit und Geld. Ressourcen, die in Afrika nunmal nicht großteilig verfügbar sind.

Als gutes Beispiel ging zuletzt Botswana voran. Der 2-Millionen Einwohner Staat etablierte vier Nationalligen und ein Nachwuchssystem mit einer zentralen Jugendliga. Der Lohn folgte kurze Zeit später mit der ersten Afrika-Cup-Teilnahme des Landes 2012.

Es ist also ein unfassbar zeitaufwendiger Prozess der Professionalisierung in Afrika. Doch einer, der langfristig getan werden muss, denn die Zahlen sind erschreckend: Zwischen 2002 und 2007 schieden fast 30% (28,5) aller afrikanischen Ausländer aus europäischen Topvereinen aus. Grund: Mangelnde Qualität und Professionalität. Zum Vergleich: Südamerikanische Ausländer scheiden lediglich zu 13,6% aus.

Doch ganz egal wie wichtig es ist, ein langfristiges System auszuarbeiten dürfen andere Dinge nicht vergessen werden. Erstens: Der Mensch steht im Vordergrund. Es gilt erst die Reste einer korrupten Geldmacherei zu unterbinden, ehe man sich anderen Dingen widmet. Zweitens: Fußball ist die schönste Nebensache der Welt. Und vor allem in Afrika eben nur eine Nebensache. Mehr nicht.

KOMMENTARE
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morlockkdilemma
24.06.2015 | 22:18 Uhr
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24.06.2015 | 22:18 Uhr
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"Eben jenes Gesetz, gegen das Barcelona vermehrt verstieß. Welche mit Adama Traore aus Mali den afrikanischen Star der letzten U20-WM seit 2004 in der eigenen Jugend ausbilden."

Wenn mich nicht alles täuscht, war das Adama Traore vom OSC Lille. Der von Barca spielt für Spanien und hat, meine ich, noch kein Spiel für Spaniens U20 gemacht.

Nichtsdestotrotz sehr interessanter Blog. In Afrika wird leider wie so häufig nicht mal im Ansatz das vorhandene Potential ausgeschöpft.
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Fußballromantiker
25.06.2015 | 14:21 Uhr
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25.06.2015 | 14:21 Uhr
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Vielen Dank.

Das könnte stimmen. Ich habe den Namen kopiert und auf Google gesucht und mir wurde nur das Profil des Barcelona Spielers angezeigt. So entstehen Fehler. Danke dafür :)
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matondo
05.07.2015 | 12:54 Uhr
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matondo : 
05.07.2015 | 12:54 Uhr
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matondo : 
den blog habt ihr gut versteckt, spox!
klasse geschrieben, das beispiel mit botswana zum beispiel kannte ich nict.
kannst du mir sagen, welche quellen du hattest?
für mich als afrikaner ist es sehr interessant, solche dinge nachzulesen!

gruß, und nen dicken 10er für den blog!
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Fußballromantiker
12.07.2015 | 09:32 Uhr
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Fußballromantiker : Matondo
12.07.2015 | 09:32 Uhr
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Fußballromantiker : Matondo
Leider kann ich meine Quellen nicht mehr nachvollziehen. Hatte meine Notizzettel auf der Arbeit gemacht somit ist es auch nicht mehr im Verlauf. Es waren auf jeden Fall Artikel vom Spiegel und der F.A.Z dabei. Tut mir Leid!

Dennoch vielen Dank :)
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