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12.01.2011 um 01:09 Uhr
Bayerische Machtspiele (Teil 2)
Von Sky90 bis Kraft

Doch in dem gerade Geschriebenen deutet sich schon das aus meiner Sicht Kernproblem der letzten Zeit an, was das interne Betriebsklima betrifft:
Van Gaal, Nerlinger und Rummenigge haben einen modus vivendi gefunden, erfolgreich Kompetenzen abgesteckt und arbeiten fruchtbar zusammen zum Wohle des FC Bayern. Etwas außen vor scheint Präsident Hoeneß, der zwar selbst sich dieses Amt ausgesucht hatte, jedoch den damit einhergehenden Verlust an Einfluss wohl unterschätzt hat und sich andererseits hiermit noch nicht abgefunden hat - wer will es aufgrund seiner Vergangenheit verdenken.
Erschien Ende 2010, in Hoene letztem Managerjahr, van Gaal noch eher eine Wahl von Hoeneß zu sein - so wie Hitzfeld auf Ulis und Klinsmann auf Rummenigges Mist gewachsen ist, so hat sich dies mit zunehmender Distanz von Hoeneß grundlegend geändert.
Van Gaals Eindruck zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war es, dass Manager Hoeneß ihn unbedingt haben wollte, während Rummenigge sich erst im Laufe der Gespräche für van Gaal und seine Philosophie begeistern konnte (vgl. Biografie, S. 154). Diese Begeisterung schien jedoch nachhaltiger gewesen zu sein.

Hoeneß macht den Rummenigge

Ich bin etwas abgeschweift - und um auf meine Ausgangsthese von der "Balance of Power- zurückzukommen: Genau diese wurde durch die vorliegende Konstellation erheblich gestört, zum Nachteil von Hoeneß.
Genau wie Rummenigge 2007 nur auf einen Anlass wartete, gegen Hitzfeld zu schießen, um seine aussichtslose Position wieder etwas zu festigen, so wartete Hoeneß - nach eigenen Angaben schon länger -, um seinen Einfluss in einem öffentlichen Rundumschlag - gerichtet gegen den Trainer - zu manifestieren, auf eine passende Gelegenheit, die dann kam, als mit Tymoshuck und Gomez zwei Hoeneß-Transfers und Nicht-Stammspieler bei van Gaal Bayern zum Sieg gegen Freiburg schossen.

Das Ergebnis ist allseits bekannt - Sky90.

Inhaltlich warf Hoeneß van Gaal vor allem Beratungsresistenz und mangelnde Kommunikation vor - und meinte wohl: mangelnde Kommunikation mit dem Präsidenten und mangelnder Einfluss des Präsidenten auf operative Belange. Da frag ich mich doch: Wenn man van Gaal seit 1998 5 Mal verpflichten wollte (vgl. Biografie), hat man sich da nie mit dem Charakter dieses Mannes beschäftigt? Van Gaal war schon immer van Gaal, und er wird van Gaal bleiben - und das ist meiner Meinung nach gut für Bayern München.
Also warum tut Hoeneß so überrascht?

Während er zwar bekundete, ohne Absprache mit dem Vorstand gehandelt zu haben - er sei ja jetzt in einer Position, in der er sich solch ein Verhalten erlauben dürfe (früher hieß es dann - der Franz, der kann das als Präsident nicht beurteilen) - jedoch aber auf vorstandliche Unterstützung und Zuspruch gehofft haben durfte, hat sich in dieser Situation die neue Machtkonstellation zwischen van Gaal, Rummenigge und Nerlinger bewiesen.

Nerlinger, als Sportdirektor direkt involviert, von der fachlichen Qualifikation van Gaals begeistert, von der Notwendigkeit seiner Philosophie für die Zukunft von Bayern München überzeugt, stand zu seinem Trainer, der auch in der Mannschaft absolut unumstritten ist, der selbst die Ersatzspieler auf seiner Seite hat und ein maßgeblicher Grund für die Leistungsträger wie Lahm und Schweinsteiger war, ihren Vertrag zu verlängern.
Rummenigge - ob ebenso aus Überzeugung wie Nerlinger oder aus seinem untrüglichen Sinn, persönlichen Profit zu schlagen und endlich Hoene Einfluss zu übertrumpfen, mag ich nicht beurteilen - fiel dazu nur ein: "Ich hab's gar nicht gesehen. Ich habe mir einen schönen Spielfilm angeschaut, und ich denke, dass ich damit nicht so schlecht gelegen habe."
Welch Ironie des Schicksals, dass am fraglichen Abend parallel zum Hoeneß-Interview "Public Enemies" und im Anschluss daran "Pest - Die Rückkehr" lief...

Was also als Rückgewinnung von Einfluss von Hoeneß initiiert wurde, entwickelte eine Eigendynamik, die genau das Gegenteil hervorbrachte: Nämlich aller Welt den Einflussverlust von Hoeneß vor Augen zu führen.


Kraft wird instrumentalisiert

In diesem Kontext sehe ich auch die aktuelle Diskussion um van Gaals geplanten Torwartwechsel zu Kraft. Ich habe Kraft zu wenig gesehen, um seine Qualitäten beurteilen zu können, vertraue aber auf die Fachkompetenz von van Gaal und vor allem Frans Hoek, die in ebenso jungen Jahren schon van der Saar, Valdez und Romero herausgebracht haben. Doch über die Richtigkeit des Wechsels will ich gar nicht große Worte verlieren: Interessanter erscheint mir, wieso eine Entscheidung im Kernkompetenzbereich des Trainers medial derart breit getreten wird.
Zu lesen war in der Süddeutschen Zeitung (die ja nicht für ihre Unseriösität bekannt ist) und in der Folge in allen Medien, Nerlinger sei "überrascht und geschockt" gewesen, Rummenigge wolle "den Torwartwechsel nicht mittragen", die Entscheidung sei ein Alleingang van Gaals, der "vereinspolitischen Interessen zuwiderlaufe", schlicht eine Bestätigung der "Beratungsresistenz van Gaals", der "weitreichende Kompetenzen haben werde". Dies alles sei der SZ aus vereinsinternen Kreisen zugetragen worden.

Hierüber konnte man als aufmerksamer Beobachter doch einigermaßen überrascht sein: War es nicht Nerlinger, der immer im Leisen operierte und van Gaals Verbündeter war? War es nicht Rummenigge, der kurz vor Weihnachten noch Kompetenzen klarstellte und dem Trainer ausdrücklich jene über die Aufstellung zuwies?
Haben beide ihre Meinung über Nacht geändert, nur weil der Trainer eine Entscheidung in seinem Kompetenzbereich fällt und einem jungen Torhüter eine Chance geben will?
Hieran konnte man ernsthafte Zweifel haben.

Und wie sich zeigte, berechtigte Zweifel: Rummenigge stellte klar, was ich bereits vermutete: „Die Aufstellung ist exklusiv Kompetenzbereich des Trainers. So steht es seit dem Bundesliga-Aufstieg 1965 mit Tschik Cajkovski in jedem Trainer-Vertrag." Und laut van Gaal sei sein Verhältnis zum Vorstand "so gut wie noch nie". Der Torwartwechsel habe sich sogar für den Vorstand bereits vor Weihnachten angekündigt.

Bleibt die Frage, woher hat die SZ die -falschen- Informationen? Mich würde es nicht wundern, wenn Uli mal bei seinem Nachfolger angerufen hat: "Hey Christian, wie gehts?" "Ja gut, Uli, der Kraft macht echt nen tollen Eindruck." "Kraft, wieso?" "Ja, der Louis hat ja entschieden ihn jetzt spielen zu lassen und seitdem..." "WAAAAAAAAAAS?" "Ja, ich war auch überrascht und auch geschockt am Anfang, weil ja Butt zuverlässig war. Und so eine Entscheidung im Tor hat ja auch immer weitreichende Konsequenzen"....

Und dann waren wohl die Leitungen Tegernsee-SZ am Glühen..
Aufrufe: 3566 | Kommentare: 10 | Bewertungen: 17 | Erstellt:12.01.2011
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