Als Pep Guardiola im Sommer 2013 das Traineramt des FC Bayern übernahm, war auch ich ein Stück weit begeistert. Man hatte es geschafft, sich gegen namhafte Konkurrenz durchzusetzen, gegen die Elite Europas, um den erfolgreichsten Trainer der letzten Jahre zu verpflichten. Es sollte eine neue Ära eingeleitet werden, bei der der FC Bayern München zur absoluten Weltspitze aufsteigt, in einer Reihe genannt mit dem FC Barcelona und Real Madrid - und das nachhaltig.
Doch vor allem war ich skeptsich. Skeptisch, ob der kauzige Spanier mit seiner Art nach München passt. Skeptisch, ob sich der ballbesitzverliebte Tüftler dem deutschen Pragmatismus anpassen könne. Skeptisch, ob Guardiola die Philosophie des FC Bayern weiterentwickeln und verbessern oder nur ein Barcelona 2.0 schaffen würde. Lange blieben diese Zweifel. Nicht nur die Ergebnisse auf dem Platz, auch etliche Nebenschauplätze hielten die Skepsis am Leben. Es dauerte bis weit ins erste Jahr hinein, bis auch ich schließlich anerkennen musste: Guardiola hatte mich überzeugt, die Skepsis war verflogen. Und somit wurde ich in den kommenden Jahren von einem Kritiker Guardiolas, dessen Fußball mir zu Barcelona-Zeiten nie richtig zugesagt hatte, zu einem absoluten Verfechter seiner Spielphilosophie. Und auch trotz dreier Halbfinalniederlagen in der Champions League kann ich sagen: ja, Guardiola hat mich überzeugt, er hat den FC Bayern weitergebracht. Zumindest sportlich.
Unabhängig davon, wie viele der noch ausstehenden Titel letztendlich gewonnen werden, eines kann man mit Sicherheit nicht über Pep Guardiola und seine Zeit als Trainer des FC Bayern sagen: er sei gescheitert. Jeder, der das behauptet, hat eine nur auf Titelgewinne begrenzte Sicht und verkennt die Entwicklung, die die Mannschaft unter Guardiolas Führung genommen hat. Hochklassige Mannschaften wurden regelrecht an die Wand gespielt, Einzelspieler haben sich zu Weltstars entwickelt und auch der Verein selber hat von Guardiola in gewisser Weise profitiert. Denn spätestens mit der Verpflichtung des aktuell wohl begehrtesten Trainers der Welt hatte man sich in der absoluten Elite Europas festgesetzt. Guardiolas Spielweise unterstreicht dies, tritt man doch immer dominant, immer selbstbewusst auf. Egal, wie stark der Gegner ist. Egal, wie sehr man selbst durch Verletzungen geschwächt ist - man bleibt seinem Spiel treu, man will den Ball haben, man will den Gegner dominieren. Und damit verkörpert Guardiola das mia san mia mehr als so manch anderer Bayerntrainer vor ihm. Für mich hat der FC Bayern während der drei Jahre unter Guardiola den besten Fußball Europas gespielt. Nicht Real Madrid, nicht Atletico, nicht einmal der FC Barcelona haben in dieser Zeit konstant - und ich würde sogar sagen in der Spitze - besser gespielt. Doch besser sein heißt im Fußball eben nicht immer gewinnen.
Und obwohl das Spiel des FC Bayern unter Guardiola so schön anzusehen ist, obwohl der FC Bayern mit Guardiola so viele Erfolge feiern konnte und Rekorde gebrochen hat, so beginnt sich zum Ende seiner Amtszeit doch erneut die Skepsis in mir zu regen. Nicht aufgrund des fehlenden Champions League Titels, denn um diesen zu gewinnen braucht es immer auch eine nicht zu verachtende Portion Glück. Es sind vielmehr jene Nebenschauplätze, die mich daran zweifeln lassen, ob der Spanier jemals zu diesem Verein gepasst hat. Es ist die Art und Weise, wie er Interviews gibt. Es sind die Personalentscheidungen, die er trifft. Sicher, Guardiola hat die Mannschaft sportlich weitergebracht, hat sie individuell verbessert. Doch zu welchem Preis? Die familiären Werte, für die der Verein seit jeher steht, scheinen jedenfalls in den letzten Jahren dem Erfolg ein Stück weit zum Opfer gefallen zu sein. Und auch, wenn einige Probleme innerhalb der Mannschaft sicherlich durch die Medien hochstilisiert wurden, so habe auch ich in den letzten Monaten den Eindruck gewonnen: so richtig passt es nicht. Der Abgang von Vereinsikonen wie Müller-Wohlfahrt oder Bastian Schweinsteiger, der Streit um die medizinische Versorgung sowie der neuerliche Vorfall in der Kabine nach dem Halbfinalaus zeigen mir jedenfalls, dass Guardiolas Streben nach Perfektion nicht mit der Vereinsphilosophie des FC Bayern vereinbar ist.
Noch läuft die Saison. Noch gibt es zwei Titel zu gewinnen. Doch obwohl es vielleicht noch zu früh sein mag für ein abschließendes Fazit, so wird der Ausgang dieser Saison wohl kaum noch einen Einfluss auf die Bewertung von Guardiolas Amtszeit in München nehmen. Ich für meinen Teil bin jedenfalls zufrieden mit Guardiolas Arbeit, ja sogar dankbar, dass er notwendige Veränderungen nach der Triple-Saison in die Wege geleitet hat. Dankbar, dass er uns so tollen Fußball präsentiert hat, dass er erstklassige Fußballer nach München geholt und die schon vorhandenen Stars weiterentwickelt hat. Sportlich hat er seinen Job absolut erfüllt - auch wenn der ganz große Titel ausblieb. Dennoch bin ich inzwischen auch froh, dass das Kapitel Guardiola nach dieser Saison beendet ist und mit Ancelotti ein neues beginnt. Denn die letzten drei Jahre waren eben genau das: nur ein Kapitel in der Geschichte des FC Bayern. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur absoluten Weltspitze. Aber keinesfalls eine Ära. Und mit Carlo Ancelotti kehrt dann auch hoffentlich wieder ein Gefühl nach München zurück, das in den letzten drei Jahren ein ums andere Mal vergessen schien: niemand - kein Trainer, kein Spieler, kein Verantwortlicher - ist größer als der Verein selbst.
Man hat also 2 verschieden erfolgreiche Wettbewerbe und findet die richtige Einschätzung nicht.
Auch wenn es vielleicht nicht unbedingt Deine Absicht war, ist das die eigentliche Quintessesnz des Blogs.
Das geht den meisten so, deswegen spalten sich die Meinungen in diesem Fall vom Weltklassetrainer bin zum Versager, es ist jede Nuance dabei, je nachdem welchen Schwerpunkt man setzt.
Ich habe lange überlegt, wie man das nun richtig einordnen kann und bin zu einem anderen Schluss gekommen.
Guardiola ist durchaus ein genialer Trainer der es sehr wohl geschafft hat, die Mannschaft und jeden einzelnen Spieler zu entwickeln. Er hat alle Spieler mannschaftstaktisch und individuell auf ein höheres Niveau gehoben. Was man an den Ergebnissen und der Spielweise in der Bundesliga eindrucksvoll ablesen kann.
Leider ist er aber persönlich daran gescheitert, seine Spielphilosophie weiterzuentwickeln. Er war durch seine Erfahrungen bei Barca so sehr auf Ballbesitz und Kontrolle fixiert, dass er sich darin festgerannt hat, und nicht in der Lage war das offensichtliche zu erkennen.
Diese Art von Fußball benötigt höchste INDIVDUELLE Klasse, die bei einer Mannschaft wie Bayern zu keinem Zeitpunkt so hoch gewesen ist, wie bei der Ausnahmegeneration der Messis, Xavis und Iniestas.
Ohne diese Ausnahmespieler, wird es mit dieser Spielweise stets sehr schwer, sich gegen die besten Mannschaften der Welt durchzusetzen.
Das hat man auch eindrucksvoll im Halbfinale gegen Atletico gemerkt, als er, zum ersten Mal, komplett auf seine Philosophie verzichtet und mit schnellem Spiel, langen Bällen, viel Kampf und Einsatz eines der Besten Spiele seiner Amtszeit ermöglicht hat. Er hat das leider viel zu spät begriffen.
Seine an sturheit grenzende Überzeugung von seiner Spielidee und die mangelnde Fähigkeit über den taktischen Tellerrand zu blicken und sich einzugestehen, dass seine Art Fußball spielen zu lassen, ohne genügend Ausnahmespieler eben nicht so leicht gegen die besten Mannschaften der Welt zu Erfolg führt, verhinderten den totalen Erfolg.
Er sah sich jede Woche in der Bundesliga bestätigt, das diese Art des Fußballs zu spektakulärem Spiel nahe der Perfektion führen kann, und erkannte nicht, dass die Bundesliga halt eben nur die Bundesliga ist.
In dieser Liga ist keine Mannschaft bis auf Dortmund ist den Bayern auch nur halbwegs gewachsen.
Er hat die Bundesliga stärker gesehen als sie ist und das war sein entscheidender Fehler, der Unterschied zu Spanien ist: Wer dort mit solchem Fußball Meister wird, braucht keinen Gegner in Europa zu fürchten.
Und deswegen hat er einfach viel zu lange die falschen Schlüsse für die Spielweise in der CL gezogen.
Deine Ansicht kann man sicherlich teilen, muss man aber nicht.
"Das hat man auch eindrucksvoll im Halbfinale gegen Atletico gemerkt, da hat er zum ersten Mal komplett auf seine Philosophie verzichtet und mit schnellem Spiel, langen Bällen, viel Kampf und Einsatz eines der Besten Spiele seiner Amtszeit ermöglicht. Er hat das leider viel zu spät begriffen"
Hier muss ich dir allerdings widersprechen. Aus meiner Sicht, war dieses Spiel ein Guardiola-Spiel - durch und durch.
Komplette Spielkontrolle, unheimliche Dominanz mit einer gewissen Zielstrebigkeit im letzten Drittel, den Gegner 90 Minuten an den Strafraum nageln, genau das ist es doch - was er möchte.
Die Variante mit langen Diagonalbällen aus der Abwehr heraus, war ebenfalls keineswegs eine neue Spielvariante. Für diesen Part brauchst du aber zwingend Boateng oder Badstuber.
Für mich war es das wahrscheinlich beste und beeindruckenste Spiel unter Guardiola, umso bitterer, dass es letzendlich dennoch nicht zum Finale gereicht hat.
Dieser Sport ist so unheimlich schnelllebig, hätte Boateng diesen Fehlpass nicht gespielt, hätte Müller diesen Elfmeter verwandelt - stünden wir vielleicht im Finale, wären wir vielleicht Championsleague-Sieger geworden - gäbe es diesen Blog vielleicht garnicht.
Worauf ich hinaus will, manchmal entscheidet ein Tor nicht nur über Sieg oder Niederlage - sondern vielleicht sogar über die Bewertung einer jahrelangen Arbeit eines Trainers.
Wie man das bewertet, muss jeder für sich entscheiden. Ich finde jedenfalls, dass Erfolg auch nicht über ALLEM stehen darf. Gerade für langfristige Harmonie in Verein und Mannschaft ist es eben wichtig, auch die schwächeren miteinzubeziehen und den Spielern das Gefühl zu geben, auch abseits des Sportlichen beim FCB am besten aufgehoben zu sein. Die Fälle Ribery und Breno halte ich da immer noch für Paradebeispiele. Bayern hat neben dem sportlichen und finanziellen eben auch einen - wenn man so will - sozialen Aspekt, den ich bei anderen Vereinen nicht sehe und uns durchaus einen Vorteil bei Transferverhandlungen bieten kann. Und den sollte man unter keinen Umständen einfach aufgeben.
Lediglich in Sachen "Verlust der familiären Werte" sehe ich weniger Pep in der "Verantwortung", als vielmehr Kalle und das Streben nach der "Weltherrschaft".
Will man ganz nach vorne, dann muss man das Spiel der anderen mitspielen. Ich persönlich kann damit leben, verstehe aber, dass andere es nicht können.
Auf Carlo freue ich mich auch - auch weil die Mannschaft sicher gerne neue Reize bekommt und diese ihr gut tun werden.