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25.01.2015 | 10331 Aufrufe | 7 Kommentare | 7 Bewertungen Ø 8.4
Handball-WM: Tagebuch, Teil 3
"Das ist kein Leben hier"
Außerhalb der Glitzerwelt schlagen sich die Gastarbeiter durch. Pass weg, schlechte Bezahlung: Ein Fahrer wird deutlich.

Außerhalb der Glitzerwelt schlagen sich in Katar die Gastarbeiter durch. Pass weg, schlechte Bezahlung, sehr lange Arbeitszeiten: Ein Taxifahrer wird im Gespräch mit dem SPOX-Redakteur Felix Götz deutlich.

"Sie behandeln uns wie Sklaven", platzt es aus Adami (Name geändert) heraus. Er stammt aus Afrika, ist Taxifahrer in Doha und steht mit mir als Fahrgast gerade im Stau. Adami gehört zu den Menschen in Katar, die in einer Art Parallelwelt leben.

Außerhalb der luxuriösen Hotels und der grandiosen Arenen. Von den perfekten Bedingungen, die kein Spieler und kein Funktionär auf seine Eindrücke von der Handball-Weltmeisterschaft angesprochen zu erwähnen vergisst, kann er offenbar nur träumen.

Er teile das Schicksal mit vielen Gastarbeitern, erzählt er mir. Ob sie nun aus Bangladesch, Sri Lanka, Indien, Nepal, Ghana oder Äthiopien kommen. Die Deutlichkeit, mit der Adami seine Sicht der Dinge schildert, überrascht, ja erschrickt mich.

"Arbeit, Arbeit, Arbeit"

Seit meinem Aufenthalt in Doha habe ich es mir zwar zur Angewohnheit gemacht, möglichst viele Fahrer, mit denen ich im Taxi oder im Shuttle unterwegs war, nach ihren Lebensumständen zu befragen.

Manche reagierten mit Zurückhaltung, viele erzählten erstaunlich offen. Kaum aber einer so wie Adami: "Ich arbeite fast rund um die Uhr, manchmal 16 Stunden am Stück oder mehr. Das ist kein Leben hier. Arbeit, Arbeit, Arbeit." Der Frust, der sich in ihm aufgestaut hat, ist förmlich zu greifen.

Eine Chance, sich in irgendeiner Form zu wehren, sieht er nicht. Aber er habe berechtigte Hoffnung, das Land in ein paar Monaten verlassen zu können. "Warum nicht früher", frage ich. "Das ist nicht so einfach, Sir", antwortet er.

Der Pass ist weg

Adami erzählt mir etwas von Verträgen, die ihn daran hindern würden. Seine Ausführungen erinnern mich an das bereits mehrfach von Amnesty International kritisierte Sponsorengesetz. Dieses verpflichtet anscheinend ausländische Arbeiter dazu, sich eine Genehmigung ihres Arbeitgebers einzuholen, wenn sie das Land verlassen möchten.

"Seit ich vor drei Jahren nach Katar gekommen bin, habe ich meinen Pass nicht mehr gesehen", erzählt mir Adami. Wenn er für irgendwelche behördlichen Dinge eine Kopie benötige, könne er diese haben. "Das Original", betont er: "Habe ich aber wirklich nicht ein einziges Mal mehr gesehen."

Dass sie nicht in Besitz eines Passes sind, hatten mir zuvor, ohne allerdings genauer darauf eingehen zu wollen, schon andere Fahrer berichtet. Auch, was mir Adami nun erzählt, höre ich nicht zum ersten Mal seit meiner Ankunft in der Wüste.

"Denen geht es noch schlechter"

"Wir werden sehr schlecht bezahlt, Sir", sagt der auf die 40 zugehende Afrikaner. Er bekomme knapp über 1000 Riyal, was ein wenig mehr als 250 Euro entspricht. Dabei sei das Leben in Katar nicht gerade billig. Geld nach Hause schicken, was sein ursprünglicher Plan gewesen sei, ginge oft nicht.

Im Schritttempo fahren wir an einer der zahlreichen Baustellen in Doha vorbei. "Sehen Sie die, Sir", fragt mich Adami und zeigt auf einige Bauarbeiter, die gerade beisammen stehen: "Denen geht es noch schlechter. Sie bekommen meistens nur etwas mehr als 700 Riyal." Das sind umgerechnet 177 Euro.

Ich frage Adami, was ich zuvor schon andere Fahrer gefragt habe: "Warum sind Sie überhaupt hierhergekommen?" Die Antwort fällt wie immer bislang wenig überraschend aus: "In meiner Heimat gibt es einfach überhaupt keine Arbeit. Was soll ich machen?"

"Das Leben an sich", will er unbedingt klarstellen: "Ist in meinem Heimatland aber besser. Dort kann man auch mal Spaß haben und feiern. Aber hier: Arbeit, Arbeit, Arbeit."

"Dieses Land hat keine Seele"

Dann leitet Adami von sich aus das Gespräch auf die Fußball-WM 2022. Er verstehe nicht, warum nach der Handball-WM auch noch die Fußball-WM in Katar stattfinden soll. "Schauen Sie sich doch mal um, Sir. Dieses Land hat keine Seele. Hier gibt es doch nichts."

Wir sind mittlerweile an meinem Hotel angekommen. Ich erinnere mich an ein Argument, das manch einer gerne bringt, wenn es um die Vergabe von Großereignissen in ein Land wie Katar geht. Veranstaltungen wie eine Weltmeisterschaft würden dabei helfen, so ein Land zu öffnen.

Ich will von Adami noch schnell wissen, was er darüber denkt? Ob er glaubt, dass sich für ihn und seine Leidensgenossen dadurch etwas zum Besseren entwickeln werde? Jetzt muss er laut lachen und verabschiedet mich mit einer Gegenfrage: "Was glauben Sie, Sir?"

KOMMENTARE
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Temmi
25.01.2015 | 20:10 Uhr
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Temmi : 
25.01.2015 | 20:10 Uhr
-5
Temmi : 
Die Lage dort ist für die Menschen (Gastarbeiter) sicherlich nach westlichen Maßstäben teilweise unmenschlich.

Trotzdem verdient spox Geld damit, einen Reporter dorthin zu schicken und über das Handballturnier und vorher über den FC Bayern zu berichten. Dazu veröffentlicht einer der Spox-Mitarbeiter dann noch einen tollen Kommentar (Achtung Ironie) über die Heuchelei des FC Bayern. Jaa nee is klar.

Zum eigentlichen Text:
Die Lage ist doch leider nicht neu und wurde bereits in zahlreichen anderen Berichten bereits angesprochen. Schade, dass man hier ein maximal 5-minütiges Gespräch im Taxi als ganzen Artikel vermarktet. Wo ist der Mehrwert, wo bleiben ein paar neue Fakten oder zumindest eine detailiertere Beschreibung der Lage der Gastarbeiter?
2
Guernica
25.01.2015 | 20:44 Uhr
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Guernica : 
25.01.2015 | 20:44 Uhr
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Guernica : 
Endlich mal ein recherchierte Beitrag bei Spox und der erste Kommentar ist ein gekränkter Fanboy, dem der Spox-Kommentar noch quer liegt.

Also manchmal glaubt man echt, die Spox-Community hat ein Durchschnittsalter von 15...
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ausLE
MODERATOR
25.01.2015 | 20:59 Uhr
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ausLE : 
25.01.2015 | 20:59 Uhr
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ausLE : 
Das Handballtagebuch als Blog auf MySpox

Ich lese ja Ihre Geschichten sehr gerne Herr Götz (Die Schweden lassen grüßen) und hoffe, das sie als Artikel wieder kommen werden.

Und nun als Blog. Gut, ich kann dies verstehen, weil es (fast) keinen sportlichen Bezug gibt. Auf jedenfall ist es mal lesenswert von jemanden der vor Ort ist und die Dinge aus seiner Sicht schildern kann. Danke dafür.

Warum ich wohl gerade an den Kaiser denken muss?!


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Temmi
25.01.2015 | 21:31 Uhr
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Temmi : 
25.01.2015 | 21:31 Uhr
-2
Temmi : 
@Guernica

Es ist schon traurig, dass du meine fachliche Kritik an diesem Artikel als haten bzw. als Kommentar eines Fanboys verstehst.

Wenn das, was in diesem Blog steht, neu für dich ist, dann solltest du dein eigenen Wissensstand und dein Niveau hinterfragen. Die angesprochenen Zustände existieren seit Jahren und wurden auch in den Medien bereits bei mehreren Gelegenheiten aufgearbeitet. Ein wenig Mehrwert, neue Fakten oder eine detailiertere Informationen würde ich bei so einem Artikel nun einmal bevorzugen.

Dieser Blog basiert nunmal auf einem wohl ziemlich kurzen Gespräch mit einem Taxifahrer, dass man in fünf Minuten führen kann, wo soll da die von dir angesprochene tolle Recherche sein? Sag es mir, wo finde ich da die fachliche Arbeit eines Journalisten wieder? Ist mein Anspruch etwa zu hoch?

Ich bin offen für deine Antwort.
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NoMoreHero
26.01.2015 | 09:08 Uhr
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NoMoreHero : @Temmi
26.01.2015 | 09:08 Uhr
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NoMoreHero : @Temmi
Deswegen ist es ein Blog geworden, und kein Artikel. Da darf man auch mal einfach eine Geschichte erzählen, ohne harte News. Das ist dem Autor sehr gut und kurzweilig gelungen.

Und zu dem Satz: "Die Lage ist doch leider nicht neu und wurde bereits in zahlreichen anderen Berichten bereits angesprochen." Das ist kein Argument. Demnach dürfte es zu jedem Thema auf der Welt also nur einen Artikel geben?
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Temmi
26.01.2015 | 10:02 Uhr
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Temmi : 
26.01.2015 | 10:02 Uhr
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Temmi : 
NoMoreHero : @Temmi
Deswegen ist es ein Blog geworden, und kein Artikel. Da darf man auch mal einfach eine Geschichte erzählen, ohne harte News. Das ist dem Autor sehr gut und kurzweilig gelungen.
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Ok, unter dem Aspekt kann man das so stehen lassen, da geb ich dir recht.


Und zu dem Satz: "Die Lage ist doch leider nicht neu und wurde bereits in zahlreichen anderen Berichten bereits angesprochen." Das ist kein Argument. Demnach dürfte es zu jedem Thema auf der Welt also nur einen Artikel geben?
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Natürlich darf man alt bekannte Dinge durchaus wiederholen, doch Journalisten verdienen ihr Geld damit über neues zu berichten. Wenn man dann stattdessen Altbekanntes ohne neue Informationen zum x-ten mal neu aufkocht, zeigt das eher, dass es eine sehr nachrichtenarme Zeit ist bzw war. Aber unter dem von dir angesprochenen Aspekts, des Blogs, ist das aber nochmals anders zu werten.
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DHEhi
29.01.2015 | 10:40 Uhr
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DHEhi : 
29.01.2015 | 10:40 Uhr
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DHEhi : 
Ich finde diesen Artikel sehr angebracht.

Gut geschrieben um die Missstände in diesem Land nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Das haben Sie gute gemacht Herr Götz.

Nun hoffe ich, dass sie nach dieser WM, ohne Probleme wieder gut zuhause ankommen.

Ich freue mich auf Ihre neuen Berichte und Blogs. Auch nach der WM
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