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FC Bayern München


Gründer: Tobi | Mitglieder: 965 | Beiträge: 253
Von: Maxi_FCB
17.10.2017 | 4979 Aufrufe | 1 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 9.5
Ausgabe XXII
Das bayerische Quartett XXL - Teil 1
Das bayerische Quartett in der FCB-Krisenedition

Zwischen diesem und dem letzten bayerischen Quartett liegen 14 Monate, die zu den ereignisreichsten der jüngeren Vereinsgeschichte zählen dürften. Ein neuer, alter Präsident kam, zwei Fussball-Legenden gingen, in der Zwischenzeit verpasste man unter großen Wirbel zum ersten Mal seit 2011 das CL-Halbfinale, mit einem Jahr Verspätung fand man endlich einen Nachfolger für Matthias Sammer, man brach den fünf Jahre alten Martinez-Transferrekord und entließ dennoch seinen Trainer. Diesen und weiteren Themen nehmen sich in einer der Fülle der Themen angemessenen XXL-Ausgabe des DBQ die Bayern-Fans Talentfrei, Dome_Messi und meine Wenigkeit an. Von BVB-Fan Sokrates09 wird dieses Trio zum Quartett ergänzt. Der zweite Teil wird am Ende dieses Blogs verlinkt. Nehmt euch etwas Zeit zum Lesen, wir denken, es lohnt sich!

1. Wo nun eigentlich seichte Fragen zum Saisonauftakt oder zur vergangenen Saison stünden, hat uns die Aktualität der Ereignisse überholt: Denn zum ersten Mal seit über sechs Jahren hat der FC Bayern wieder einen Trainer entlassen. Ein 0:3 gegen Paris St. Germain senkte das Fallbeil über Carlo Ancelotti, obwohl man in der Vorsaison unter ihm Meister wurde, in dieser Saison in der Liga bloß drei Punkte hinter dem BVB rangierte und in Pokal und Champions League noch alle Möglichkeiten besaß. War es dennoch die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt?

Dome_Messi: Es war die richtige Entscheidung, jedoch zum falschen Zeitpunkt. Ein Trennung von Ancelotti war unausweichlich, diese hätte aber, wenn schon, zum Saisonende 16/17 passieren müssen oder in der kommenden Winterpause. Einen Trainertausch mitten in der Saison finde ich gefährlich und sportlich hat sich nicht so viel geändert, dass urplötzlich ein Schlussstrich mittendrin gezogen werden musste.

Talentfrei: Davon ist auszugehen, ja. Ich denke, dass bei der Entlassung von Ancelotti nicht nur die Aktualität eine Rolle spielt, sondern der ganzen Geschichte eine längerfristige Entwicklung vorangeht, die sich im Endeffekt in einem Stadium befand, das unumkehrbar schien. Der FC Bayern hat die Reißleine gezogen, bevor innerhalb des Mannschaftsgefüges Risse entstehen, die sich womöglich gar nicht mehr kitten lassen. Demnach kann ich die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt nachvollziehen.

Sokrates09: Ich würde sagen, es war die richtige Entscheidung, die es besser jetzt als später zu fällen galt. Ob man sie nicht früher hätte fällen müssen, darf aber durchaus gefragt werden. Letztlich hat sich doch vieles von dem was die bisherige Saison gezeigt hat, schon in der vergangenen abgezeichnet. Allerdings lässt sich diese Frage auch schlecht isoliert beantworten.

Maxi_FCB: Dass Ancelotti keine zukunftsfähige Lösung ist, war eigentlich schon seit dem Viertelfinal-Aus gegen Real Madrid klar. Bis dahin konnte man die gravierenden Mängel in puncto Spiel- und Spielerentwicklung noch mit dem Vertrauen auf Ancelottis oft gerühmte CL-Sieg-Fähigkeiten weglächeln. Danach gab es keine Rechtfertigung mehr für seine Versäumnisse. Ich bin allerdings hin- und hergerissen, ob die Entscheidung, ihn schon bzw. erst jetzt zu entlassen, richtig war. Denn, wenn Hoeneß sagt, die Entscheidung sei etwa gegen 3:30 nach dem Paris-Spiel gefallen, also bloß 5 Stunden nach Spielende, dann mutet das an wie eine spontane, schlecht vorbereitete Bauchentscheidung. Nimmt man das hinterher eilig durchgeführte Trainer-Casting hinzu (dass mit Tuchel verhandelt wurde, darf als verbrieft angesehen werden), dann darf man sich die Frage stellen, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, an Ancelotti festzuhalten und erst im Sommer 2018 geordnet einen Strich zu ziehen, als ihn einfach erstmal aktionistisch zu entlassen und dann zu schauen, was man jetzt eigentlich macht. Mit einem handfesten Plan in der Hinterhand wäre es für mich fraglos eine richtige Entscheidung gewesen, aber so? Bestanden die Vorbehalte aber schon länger, hätte man vielleicht gar schon im Sommer den zu diesem Zeitpunkt sicher noch unpopulären Schnitt vollziehen müssen. Nunja, wenn der Graben zwischen Trainer und einem erheblichen Teil des Teams tatsächlich unüberwindbar war, dann neige ich dennoch dazu, die Entscheidung gutzuheißen, weil dann jede weitere Woche mit Ancelotti Gift für das Teamgefüge hätte sein können.


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2. Oft wird im Kontext Ancelottis der Begriff des "richtigen Mannes zur falschen Zeit" benutzt. Ancelotti habe eben das getan, was er schon immer tat, und der Hauptvorwurf müsse eher an die Verantwortlichen gehen, die ihn installierten, obwohl die Gegebenheiten beim FC Bayern eher einen anderen Trainertypen erfordert hätten. Kann man Ancelotti derart aus der Verantwortung nehmen? Wieviel Schuld trägt Ancelotti selbst an seinem Scheitern und was müssen sich die Bayern-Verantwortlichen ankreiden lassen?

Sokrates09: Carlo Ancelotti war in seiner ungewöhnlichen Laufbahn zweifellos oft als der richtige Mann zur rechten Zeit am rechten Ort, aber über sein Engagement beim FCB kann man das wohl kaum sagen. Die Frage, ob er unter anderen Umständen auch für die Bayern der richtige Mann hätte sein können, würde ich aber bejahen. Ihm allein die Verantwortung für die aktuelle Situation aufzubürden greift mir da auf jeden Fall zu kurz. Die Probleme und Schwächen in der Kaderplanung sind z.B. auch den meisten Fans nicht verborgen geblieben. Und über die internen Umstände, die zu einer Entfremdung zwischen Verein und Trainer geführt haben, können wir zwar von außen nur spekulieren, es darf aber durchaus hinterfragt werden, welche Rolle dabei etwa einzelne Spieler gespielt haben. Was die Formkurve einiger Spieler betrifft, kann das natürlich mit dem Training und mangelnder Fitness zu tun haben. Man muss aber auch bedenken, dass z.B. Müllers Stern schon vor Ancelotti zu sinken begonnen hatte.

Maxi_FCB: Nun, dass Ancelotti kein akribischer Taktik-Tüftler und auch kein passionierter Jugendförderer ist, sollte den Bayern-Verantwortlichen schon vor seiner Verpflichtung klar gewesen sein. Insofern war es rückblickend definitiv ein nicht unvorhersehbarer Fehler Rummenigges, Ancelotti zu verpflichten. Allerdings: Ein guter Trainer zieht nicht ohne Ansehung der Notwendigkeiten des Vereins einfach sein gewohntes Schema F durch, weil er das ja schon immer tut - er passt sich an. Mag sein, dass er es vergangene Saison als seinen Auftrag empfand, alles aus der alten Generation herauszupressen, aber ohne taktischen Feinschliff, ohne Rotation, rein über Menschenführung, gewinnt man die CL nicht. Vor allem, wenn er hinterher über seinen Biografen die mangelnde Qualität des Kaders monieren lässt - womit er nicht Unrecht haben mag -, hätte er eben viel mehr taktische Akribie investieren müssen. Taktik ist genauso ein Element des Trainerdaseins wie Menschenführung und da kann man Ancelotti nicht aus der Verantwortung nehmen, indem man sagt, Taktik sei eben nicht so sein Ding, er komme mehr über die Menschenführung. Ohne einen brillanten Thiago wären schon vergangene Saison die miese Struktur mit und die lasche Organisation gegen den Ball schwerer ins Gewicht gefallen. Zumal Ancelotti offensichtlich auch in seiner Kernkompetenz, der Menschenführung, versagte. Dass ausgerechnet er es schaffte, einen Kader, der sich bislang mit Ausnahme Riberys nichts dergleichen zu Schulden kommen ließ, gegen sich aufzubringen, führt dazu, dass man ihm unter dem Strich ein verheerendes Zeugnis ausstellen muss. Trotz aller Fehler der Vereinsführung.

Talentfrei: Natürlich kann man Ancelotti nicht aus der Verantwortung nehmen. Gleichermaßen kann man aber auch nicht alles an ihm auslassen und ihn für die komplette Entwicklung verantwortlich machen. Er war ein Teil des Ganzen und der Trainer ist bekanntlich immer das schwächste Glied, wenn es sportlich nicht mehr gut läuft. Er war mitverantwortlich für den Kader, der nun zur Verfügung steht, hat aber auch damit zu kämpfen, dass die Transferpolitik, die Rummenigge und Hoeneß vorgeben, insgesamt nicht unbedingt perfekt zu den Ansprüchen des Klubs passt. Die Uneinigkeit zwischen Hoeneß und Rummenigge und der, so hat es den Eindruck, fehlende Plan in der Zukunftsausrichtung muss ebenfalls bemängelt werden.

Dome_Messi: Er kann natürlich nicht aus der Verantwortung genommen werden, aber einen nicht insignifikanten Teil der Schuld würde ich den Entscheidungsträgern geben. Ancelotti, der als Spielertrainer angepriesen wurde, hat es geschafft, dass ein gewichtiger Teil des Kaders sich gegen ihn gestellt hat und es, allem Anschein nach, von Monat zu Monat schlimmer wurde. Taktisch wurde nicht viel von ihm erwartet und er hat in dieser Hinsicht nicht enttäuscht. Positions- und Passspiel wurden immer schlechter. Der, zu Beginn, so gelobte Freiraum für die Offensivspieler war ein kompletter Schuss nach hinten, da die Raumaufteilung im letzten Drittel nie stimmte. Er schaffte es nicht die jungen Spieler einzubauen, für Müller fand er nach 15 Monaten keine Rolle, außer die der Ersatzbank. Hinzu kommt die schlechte Konterabsicherung. Lange zu unrecht als Makel bei Guardiola verschrien, machte Ancelottis Team in den 15 Monaten seiner Zeit auch hier Rückschritte. Ehrlich gesagt fällt mir auf die Schnelle kein Aspekt des Bayernspiels ein, der unter ihm nicht schlechter wurde. Klingt vernichtend, war es aber auch.


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3. Was zudem oft vergessen wird: Im Sommer brachen Ancelotti mit Lahm und Alonso zwei Spieler weg, deren sportlichen Verlust man zwar auffangen können mag, die dem Bayernspiel aber mit ihrer Erfahrung und Ausstrahlung Richtung und Kompass gaben und zudem auch intern auf Brandherde einzuwirken vermochten. Wie schwer wiegt ihr Abgang in dieser Hinsicht? Wie füllt man das hierarchische Loch, das beide hinterließen?

Maxi_FCB: Das muss man Ancelotti sicherlich zugutehalten, dass ihr Fehlen die Probleme des Bayernspiels noch einmal signifikant verschärfte. Mit Alonso und Lahm auf dem Platz hätte man wohl weder nach dem 0:1 gegen Hoffenheim, noch nach den 2:1-Anschlusstreffern gegen Wolfsburg und Hertha derart den Faden verloren, da Lahm und Alonso ihren Mitspielern mit ihrer Ausstrahlung aber auch mit ihrer durchdachten Spielweise Sicherheit und Orientierung geben konnten, die zuletzt komplett fehlte. Gibt es Rückschläge, zerfiel die Mannschaft in ihre Einzelteile. Hätte man aus diesen Spielen wenigstens 7 statt 2 Punkten geholt, könnte Ancelotti noch Bayerntrainer sein. Das macht seine Fehler aber nicht ungeschehen. Nun stehen eben andere Spieler in der Pflicht. Robben und Ribery wird man in diesem Leben nicht mehr in Führungsspielerrollen zwängen können - sollte man auch nicht. Aber neben Neuer gibt es mit Hummels, Martinez, vielleicht auch Boateng genügend erfahrene Feldspieler mit Ausstrahlung, die Verantwortung übernehmen können. Wenn Müller weniger mit sich selbst zu tun hat, zählt er natürlich auch dazu. Auch Thiago ist dank seiner Spielweise jemand, der Orientierung und Sicherheit vermitteln könnte, wenn man ihn hier in die Pflicht nähme. Kimmich ist perspektivisch jemand mit Potential in der Hinsicht. Letztlich muss sich diese Hierarchie aber erst entwickeln, erzwingen kann man da wenig. Potential ist aber da.

Talentfrei: Ja, die Abgänge von Lahm und Alonso hinterlassen eine Lücke. Aber der FC Bayern verfügt weiterhin über viele Spieler, die die nötige Erfahrung mitbringen und in der Lage sein sollten, in diese Führungspositionen zu schlüpfen. Auch aus dem Bereich der jungen, talentierten Spieler kommt unter anderem mit Kimmich ein Spieler nach, der schon jetzt eine klare Meinung hat und diese in Verbindung mit einem sehr konstanten Fußball auch gerne kundtut. Der Verlust ist da, aber eine intakte Mannschaft entwickelt selbst neue Strukturen. Das wird jetzt wichtig sein.

Dome_Messi: Die beiden Abgänge wogen und wiegen schwer. Auch aus sportlicher Sicht fehlen die Beiden dem Team. Alonso war der einzige spielmachende 6er in Bayerns Kader und wurde nicht ersetzt. Dieses Nichtersetzen, vor allem im Hinblick auf Bayerns Spielphilosophie, war fatal. Rudy kann eine ähnliche Rolle spielen und macht seine Sache gut, aber er wurde definitiv nicht als direkter Alonsoersatz geholt, sondern als Kaderspieler. Lahm wird von Kimmich bisher exzellent ersetzt, aber die RV-Position war nicht die einzige Rolle, die Philipp Lahm bespielen konnte. Da fehlte mir persönlich auch ein wenig der Weitblick hinsichtlich seines Aufgabengebietes. Lahms Sprintfähigkeiten waren nicht mehr auf höchstem Niveau, aber im zentralen Mittelfeld ist dieses Attribut relativ unwichtig und seine fußballerische Klasse wäre auf dieser Position noch offensichtlicher zu sehen gewesen. Hinsichtlich ihrer Führungsqualitäten besteht kein Zweifel, dass beide fehlen. Lahm mag von dem ein oder anderen, als linker Typ verschrien worden sein, aber während seiner Zeit als Kapitän gab es kaum mannschaftsinterne Probleme. Lahm hat ein Team so geführt, wie es im heutigen Fußball geführt werden muss. Zu Alonso muss in dieser Hinsicht auch nicht viel gesagt werden. Er hat schon alles gesehen, konnte die Sprache und war eine Führungsfigur. So ein menschlicher Verlust merkt jedes Team. Zu füllen ist dieses Loch nur innerhalb der Mannschaft. Neuer wird, wenn er wieder fit ist, eine wichtige Person sein. Ebenso Thomas Müller, wobei ich mir bei ihm unsicher bin, wie sehr er gewisse Dinge mit der richtigen Ernsthaftigkeit ansprechen kann. Dann gibt es noch Hummels, der sich seit seinem Wechsel toll in der Mannschaft eingebracht hat. Dieses Loch wird gefüllt werden, aber es ist auch klar, dass es, durch die verschiedenen Nationalitäten im Kader, nicht mehr so glatt über die Bühne gehen wird, wie vor 10 Jahren.

Sokrates09: Ich glaube, man sollte nicht unterschätzen, welche Bedeutung Führungsspieler wie Lahm und Alonso für die Teamchemie haben und zwar nicht nur außerhalb des Platzes. Ich glaube nicht, dass man die Löcher im Mannschaftsgefüge so einfach irgendwie stopfen kann. So etwas muss sich wohl von alleine regulieren und natürlich wachsen. Selbst eine starke, neue Persönlichkeit könnte ja nur auf Sicht eine vergleichbare Rolle spielen. Allerdings bleibt schon die Frage, ob es gelungen ist sie sportlich wirklich zu ersetzen und da würde ich Zweifel anmelden. Rudy hat sich bisher mehr als achtbar geschlagen, aber ob er auch auf dem höchsten Niveau genügen wird, wird sich erst noch zeigen müssen. Auch Joshua Kimmich macht bisher eine gute Figur als RV, aber ich bin immernoch der Meinung, dass er das Potential zu einem Weltklasse-6er hat und hätte es sinnvoller gefunden, einen neuen RV zu verpflichten.


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4. Nun also Jupp zum Vierten. Der Triple-Held kehrt bis zum Sommer erneut aus seinem Ruhestand zurück und soll nun die Saison des Rekordmeisters retten, damit er im Sommer ein bestelltes Feld an seinen Nachfolger übergeben kann. Mit dem 72-Jährigen entschied man sich für einen Platzhalter und gegen eine sofortige Dauerlösung. Hättet ihr euch lieber sofort eine Dauerlösung gewünscht? Und ist Heynckes die richtige Wahl als Übergangstrainer?

Sokrates09: Um ganz ehrlich zu sein: keine Ahnung. Die Zeit wird zeigen müssen, ob die Entscheidung, Jupp Heynckes zu reaktivieren, eine gute war. Sowohl die kritischen Stimmen, als auch die Befürworter können mit durchaus stimmigen Argumenten überzeugen. Ich will nur auf einen Punkt etwas näher eingehen: Jupp Heynckes soll die Mannschaft erst einmal konsolidieren und auch interne Unstimmigkeiten aus dem Weg räumen, weil man der Meinung ist ein jüngerer, weniger respektierter Trainer könne mit der Stimmung im Team Schwierigkeiten bekommen. Dieses Argument sehe ich kritisch. Ich würde eher behaupten, dass die sportliche Leistung die Harmonie in der Mannschaft befördert und nicht umgekehrt. Persönlich hätte ich mich eher für eine zukunftsorientierte Lösung entschieden und darauf spekuliert, dass man die Spieler nicht besser wieder ins Boot holen kann, als das man sie sportlich fordert.

Dome_Messi: Eine Übergangslösung ist nur sinnvoll, wenn nächsten Sommer wirklich Julian Nagelsmann oder ein ähnlicher Trainer kommt. Alles andere wäre unverantwortlich. Ich bin ein großer Thomas Tuchel-Fan und es scheint klar, dass er die einzig ernstzunehmende Dauerlösung zum jetzigen Zeitpunkt gewesen ist. Mit seiner Verpflichtung hätte Bayern spieltechnisch auf jeden Fall wieder an Guardiolas Zeiten angeknüpft und Tuchel hätte aus diesem Kader weit mehr herausholen können als es unter Ancelotti der Fall war. Ich kann aber hier auch die Verantwortlichen verstehen, wenn er ihnen ein zu großes Risiko war. Bei Mainz gab es zum Ende hin nicht nur mehr lobende Worte und der Abgang beim BVB hat große Wellen geschlagen. Es muss aber auch festgehalten werden, dass bisher immer nur Watzkes Sicht der Dinge dargestellt wurde und er bisher auch nicht als 100% glaubwürdige Person aufgefallen ist. Als Übergangslösung ist Heynckes die beste Lösung auf dem Markt. Kennt den Verein, kennt einen Großteil der Spieler, wird respektiert und wird auch kritisch genug an die Sache herangehen, wie man es schon an seinen Aussagen entnehmen konnte. Er weiß, dass dieses Kader bei weitem nicht perfekt ist und sich der Fußball seit seinem Abschied gravierend verändert hat. Er ist die richtige Wahl, WENN nächsten Sommer Nagelsmann oder ein ähnlich versierter Trainer kommt. Kommt dieser nicht, war es falsch, was die Verantwortlichen gemacht haben.

Talentfrei: Das ist schwer zu beantworten. Mit dem Gedanken, Thomas Tuchel zu installieren, konnte ich mich anfreunden. Aber ich habe auch darüber nachgedacht, warum Tuchel womöglich gezögert hat. Es könnte tatsächlich sein, dass Heynckes nun primär dazu da ist um die zwischenmenschlichen Konflikte zu lösen und eine solide Basis für den Sommer zu schaffen. Das in Einklang mit einer taktischen Weiterentwicklung und einer idealen Ausrichtung für den Umbruch zu bringen wäre für Tuchel im Saisonverlauf wohl zu viel gewesen. Für mich ist es denkbar, dass Tuchel im Sommer den Trainerjob übernimmt. Wenn Heynckes' Arbeit Früchte trägt, ist das eine gute Wahl.

Maxi_FCB: Ich denke, am vernünftigsten wäre es gewesen, sofort eine Dauerlösung zu installieren. Tuchel wäre wohl sofort verfügbar gewesen und an seiner fachlichen Qualifikation besteht kein Zweifel. Zudem scheint der Kader ja genau diesen taktisch akribischen, kontrollfanatischen Trainertypen zu wollen. Es wäre bloß an Hoeneß und Rummenigge gewesen, in den sauren Apfel zu beißen. Mit einer Übergangslösung, der ein klares Ablaufdatum auf die Stirn geschrieben steht, läuft man nun mal Gefahr, die Saison abzuschenken, was sich der FC Bayern eigentlich nicht erlauben kann, da man sonst noch mehr an Attraktivität auf dem Transfermarkt einbüßt und Spieler wie Lewandowski, Hummels und Co. Sorge bekommen könnten, ihre Prime zu vergeuden. Unter der Prämisse, dass andere verfügbare Trainer nicht bloß als Platzhalter herhalten wollten, denke ich aber, dass Heynckes die bestmögliche Übergangslösung ist. Er läuft nicht Gefahr, zur "lame duck" zu verkommen, da sein Ansehen im Team viel zu groß sein dürfte. Zudem dürfte es ihm wie keinem anderen gelingen, die Risse im Kader zu kitten und seinem Nachfolger eine Einheit zu hinterlassen. Die einzige Frage ist, ob er sportlich noch auf Höhe der Zeit ist. Was 2012/13 funktionierte, muss fünf Jahre später nicht immer noch funktionieren. Heynckes scheint sich dessen aber bewusst zu sein. Man sollte ihn da auch nicht unterschätzen, er hat schließlich schon einmal eindrucksvoll gezeigt, dass er und vor allem sein Trainerteam anpassungsfähig sind. Man setzt sich mit einer Übergangslösung letztlich aber unter enormen Druck, im Sommer eine absolute 1A-Lösung finden zu müssen. Hat man hier keinen Plan, verschenkt man sinnlos ein Dreivierteljahr, das eine ad hoc-Dauerlösung zur Entwicklung hätte nutzen können.


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5. Nun also Butter bei die Fische: Die Zeichen scheinen untrüglich, dass ab nächstem Sommer ein 30-Jähriger das Zepter auf der bajuwarischen Trainerbank schwingen wird. Nagelsmann kokettiert mit dem FCB, Hoeneß gilt als Bewunderer und mit dem Platzhalter Heynckes scheint man dem Noch-TSG-Coach den roten Teppich auszurollen. Darf man also wirklich davon ausgehen, dass der Bayern-Trainer zur Saison 2018/19 Julian Nagelsmann heißen wird und wäre er das Warten trotz aller altersbedingten Risiken wirklich wert? Oder zaubert der FC Bayern im Sommer gar ein "dark horse" aus dem Hut?

Talentfrei: Ich bin noch gar nicht so überzeugt davon, dass Julian Nagelsmann bereits ab 2018 der neue Trainer beim FC Bayern wird. Klar, es gibt einige Zeichen, die dafür sprechen, allerdings ist wie bereits eben ausgeführt auch Tuchel ein Kandidat. Dass Nagelsmann irgendwann in München landet ist ohnehin klar. Ob er vorher noch die Zeit bekommt, sich die "Hörner abzustoßen" und in Hoffenheim weitere Erfahrungen sammeln kann, bleibt abzuwarten. Ich würde mit der Reihenfolge Heynckes - Tuchel - Nagelsmann definitiv gut leben können.

Maxi_FCB: Wenn ich Tuchel die vernünftigste Lösung nannte, dann ist Nagelsmann die etwas irrationalere Traumlösung. Niemand scheint mir besser geeignet, eine neue sportliche Ära bei Bayern zu begründen. Denn er wäre wohl der erste Bayerntrainer seit langem, dem man zutrauen darf, hier sesshaft werden zu wollen. Zudem passt er fachlich unheimlich gut zur aktuellen Situation: Er ist zwar ebenso wie Tuchel kein dogmatischer Ballbesitztrainer, dessen Team leidet, wenn der Gegner mal das Spiel macht, aber er gab seinem Hoffenheim vielfältige konstruktive Lösungen für eigenen Ballbesitz an die Hand, die offensichtlich erfolgreich sind. Dazu konnte er diverse Spieler - junge wie alte - entwickeln, einige gar zu Nationalspielern formen und agiert taktisch insgesamt unheimlich flexibel. Zudem macht er gerade Erfahrungen mit der Doppelbelastung, aus denen er lernen wird. Irrational bleibt es dennoch ein Stück weit, denn es gibt offene Fragen: Kann er mit Stars umgehen? Kann er mit der Münchener Medienlandschaft umgehen? Der Punkt ist: Wir werden es nicht erfahren, wenn man es nicht versucht. Denn in Hoffenheim, Leverkusen oder anderswo wird er damit nie konfrontiert werden. Nagelsmann wäre letztlich das, was man aus ihm macht. Wenn man ihm volle Rückendeckung gibt und demonstriert, dass Ärger mit ihm Ärger mit dem Verein bedeutet, dann wird er auch ausreichend Autorität im Team haben. Wenn man ihm Fehler zugesteht und seine Arbeit als Projekt mit einkalkulierten Rückschlägen begreift, dann wird er etwas entwickeln können. Wenn nicht, läuft man aber große Gefahr, das größte deutsche Trainertalent seit Jahren zu verheizen - und das traue ich der Vereinsführung leider durchaus zu. Ich gehe letztlich schon davon aus, dass man bei Bayern Nagelsmann für kommenden Sommer auserkoren hat und begrüße das prinzipiell, schließe aber auch nicht aus, dass man es schafft, Nagelsmann im kommenden Dreivierteljahr zu verprellen, wie es mit Lahm gelang. Dann könnten Tuchel, Hasenhüttl (bitte nicht!) oder ein waschechtes "dark horse" wieder in die Verlosung geraten.

Sokrates09: Im Grunde scheint wirklich alles darauf hinzudeuten, dass der Trainer der nächsten Saison Nagelsmann heißen wird. Aber gewisse Restzweifel bleiben doch. Der FCB wirkt gerade seit der Rückkehr von Uli Hoeness einfach zu konservativ, um sich in der aktuellen Lage jetzt schon auf so eine riskante Option festgelegt zu haben. Und so vielversprechend Nagelsmann auch ist, ein hohes Risiko sehe ich da durchaus. Der oft getätigte Einwand, dass auch der BVB mit Klopp und Tuchel ähnliche Risiken eingegangen ist und damit sehr erfolgreich war, greift mMn zu kurz. Die Erwartungshaltung, der sich Klopp und Tuchel ausgesetzt sahen, ist im Vergleich zu den Erwartungen beim FC Bayern kaum der Rede wert. Ich glaube, dass die Verantwortlichen das Risiko wesentlich ernster nehmen als ein Großteil der Fans dies zu tun scheint. In den Medien wirken oft Dinge plausibel, die mit der Realität wenig gemein haben. Es würde mich nicht wundern, wenn man beim FCB tatsächlich noch zu keiner Entscheidung für den nächsten Sommer gekommen ist und Nagelsmann bisher nur eine von verschiedenen Optionen wäre.

Dome_Messi: Er wäre das Warten definitiv wert. Viel wichtiger als sein Alter sind seine Fähigkeiten und die sind unumstritten. Nagelsmann, so scheint es, vereint das große taktische Wissen mit einem guten Gespür für die Mannschaft. Was er aus dem abstiegsbedrohten Hoffenheim geformt hat, ist aller Ehren wert. Seine Mannschaft spielt Fußball, ist taktisch versiert, kann flexibel auftreten und versucht, so gut wie immer, fußballerisch die richtige Lösung zu finden. Alles mit dem Hintergrund, dass in Hoffenheim nicht nur großartige Techniker am Werk sind. Bezüglich des Alters sehe ich keine großen Probleme. Für eine Mannschaft ist wichtiger, dass sie merkt, dass der Trainer weiß, wovon er redet. Gerade bei der jüngeren Spielergeneration ist die Akzeptanz solcher Trainer wesentlich höher. Die Spieler wollen besser werden, egal, ob der Trainer 70 oder 30 ist.
Ich denke nicht, dass Bayern einen überraschenden Trainer aus dem Hut zaubert. Es scheint, als ob wieder ein deutscher bzw. deutschsprechender Trainer her soll, was den Kandidatenkreis sehr einengt. An Klopp glaube und hoffe ich nicht. Tuchel wurde schon besprochen. Hasenhüttl spielt eine andere Art von Fußball und viel mehr Kandidaten gibt es hier nicht. Wenn es kein Muttersprachler sein muss, dann hätte ich kein Problem mit Maurizio Sarri von Neapel.


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6. Im Auge des momentanen Taifuns steht derweil - weitgehend unbemerkt - ein Sportdirektor-Novize, der in zwei Monaten Amtszeit wohl schon mehr erlebt hat, als andere Sportdirektoren in drei Jahren. In Hasan Salihamidzics kurze Amtszeit fallen der Weggang des technischen Direktors, ein aufsehenerregendes, unautorisiertes Interview des Starstürmers, ein vielbeachteter Trikotwurf, eine angebliche Spielerrevolte, eine Trainerentlassung und nicht zuletzt eine tiefe sportliche Krise. Überspitzt formuliert: Ist Salihamidzic damit nicht eigentlich schon gescheitert? Welche Impulse kann man sich jetzt noch von ihm erhoffen?

Maxi_FCB: Ehrlich gesagt: In vielen anderen Branchen und Konstellationen wäre "Brazzo" seinen Job mit dieser verheerenden Bilanz bereits wieder los. All diese Dinge geschahen, drangen an die Öffentlichkeit (der wahrscheinlich größte Unterschied zur Sammer-Ära) und er steht scheinbar hilflos daneben. Man fragt sich: Was bringt er überhaupt ein? Seine O-Töne nach Spielen sind von der Stange und gehen unter. Dass er die Abschieds-PK zu Ancelotti alleine abhielt, nahm neben Hoeneß' markigen Aussagen kaum jemand wahr. Außer dem Rauchverbot im Kabinentrakt (der Fitnesscoach rauchte dann eben auf dem Platz) vernimmt man keine Impulse, die von Salihamidzic ausgehen. Sein Glück ist: Der FC Bayern und die momentane Konstellation sind nicht normal. Die Bewertung von Hoeneß' und Rummenigges momentaner Personalpolitik hängt auch mit seiner Person zusammen, daher wird man ihm Zeit gewähren, was sicher auch fair ist, denn zwei Monate sind wenig Zeit und wichtige Weichenstellungen beanspruchen die beiden Alpha-Tiere für sich, so dass er schon garnicht die Chance bekommt, zu punkten. Diese Zeit sollte er aber nun auch schleunigst nutzen und an Profil gewinnen. Mit einem glücklichen Händchen auf dem Transfermarkt könnte er sich beispielsweise profilieren. Gelingt ihm das aber nicht, ist er bei der nächsten Krise, wenn der Öffentlichkeit mal wieder ein rollender Kopf präsentiert werden muss, gewiss das schwächste Glied in der Kette.

Sokrates09: Kurz gesagt und auf die Gefahr hin sich bei vielen Fans unbeliebt zu machen: Ich halte Hasan Salihamidzic für eine Fehlbesetzung und glaube nicht, dass von ihm wirkliche Impulse für den Verein zu erwarten sind. Vielleicht wird er in der Lage sein, gewisse Aufgaben zu erfüllen, die ihm die Geschäftsführung aufträgt. Impulse für die zukünftige Entwicklung des Vereins kann und darf man von ihm nicht erwarten. Den Vorwurf, den einige Fans dem Verein im Bezug auf Heynckes gemacht haben, nämlich dass man ihm zu viel aufbürdet, könnte man mMn mit mehr Recht bezüglich Brazzo äußern.

Dome_Messi: Er ist schon vor seinem ersten Tag gescheitert. Kalle wollte Lahm, Hoeneß wollte Eberl. Also wurde es Ende Juli Salihamidzic. Brazzo ist gar nicht der Typ für so eine Rolle. Ihm fehlt die Ernsthaftigkeit, die Erfahrung und vor allem die Artikulation. Im Endeffekt ist er ein armer Kerl. Wurde als Notnagel geholt, aber der Öffentlichkeit als Nummer 1 Kandidat verkauft. Der Höhepunkt war als er nach der Ancelotti-Entlassung alleine die PK führen musste. Er wurde quasi der Lächerlichkeit preisgegeben. Ich erwarte gar nichts mehr von ihm. Am Ende der Saison wird er hoffentlich erlöst werden und darf eine Aufgabe übernehmen, die viel besser zu seiner Persönlichkeit passt, denn er ist ein guter Typ, den ich gerne mag.

Talentfrei: Ich sah die Verpflichtung von Hasan Salihamidzic auch vom ersten Tag an eher kritisch. Das Bild, das er in der medialen Welt abgibt, bestätigt das bisher. Seine Interviews sind teilweise etwas diffus, man hat den Eindruck, er wisse nicht, ob er gerade die Meinung von Hoeneß oder Rummenigge vor den Kameras preisgeben soll. Bezeichnend war auch die Pressekonferenz nach der Ancelotti-Entlassung als Salihamidzic ohne Unterstützung von Hoeneß und Rummenigge vor zig Medienvertretern saß und überhaupt nicht richtig wusste, wie er mit den Fragen umzugehen hat. Gescheitert ist er bisher wohl noch nicht, besondere Impulse erwarte ich mir aber auch nicht unbedingt. Eine Ablösung im Sommer halte ich für die beste Lösung.

Zu Teil 2 (Klick)

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Maxi_FCB
17.10.2017 | 19:27 Uhr
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Maxi_FCB : 
17.10.2017 | 19:27 Uhr
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