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Von: MVK
01.03.2015 | 5235 Aufrufe | 1 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 10.0
Virtueller Rundgang durch das Stadion des Liverpool FC
This is Anfield
Die Anfield Road des FC Liverpool ist seit jeher ein Tempel des Fußballs. Ein kleiner Rundgang.

Ich habe in vielen Stadien auf dieser Welt gespielt, aber nichts lässt sich mit einem Spiel in Liverpool vergleichen, betont Thiery Henry, wenn er nach den Lieblingsstadien in seiner glanzvollen Karriere befragt wird. Ausgerechnet die Arsenal-Legende bricht damit eine Lanze für den Dauerrivalen und ist in der Fußballwelt bei Weitem nicht allein.

Fabio Capello meinte etwa 2005: Die fantastische Atmosphäre an der Anfield Road ist wie ein elektrischer Schock für die Liverpool-Spieler. Selbst erfahrene Spieler können dort am Anfang unerklärliche Fehler machen, wenn sie sich von der Stimmung zu sehr vereinnahmen lassen.

Dass man im Liverpooler Stadtteil Anfield den Fußball schier atmet, lässt sich in Zeiten von modernen Hochglanzarenen wie dem Emirates Stadium oder der Allianz Arena kaum nachvollziehen. Wo sonst reisen die Fans mit dem Taxi zum Spiel an, weil an Parkplätze überhaupt nicht zu denken ist? Wo sonst muss man beim Gang aus dem Stadion fast aufpassen, dass man nicht sofort auf der Straße oder in einem Pub landet?

Luxus? Fehlanzeige!

Macht man sich auf den Weg zu einem Heimspiel des FC Liverpool tauchen oft Fragen auf, die sich in anderen Fußballhochburgen auf dieser Welt nie stellen würden. Alleine die Anfahrt gestaltet sich schon schwierig, weil außer den überfüllten Taxis und Bussen kaum eine Möglichkeit besteht, zum 130 Jahre alten Stadion inmitten der Hafenstadt zu gelangen.

An der Anfield Road angekommen, geht es je nach Anfahrtsweg für die Spieler am Hillsborough-Denkmal vorbei, unter Umständen aber auch durch das nach den Trainerlegenden benannte Paisley- oder Shankly-Gate. Viel Platz ist auf dem Stadiongelände nicht, ganz zu schweigen von dem fast schon lächerlich kleinen Spielereingang, der im Vergleich zu so vielen Stadien auf dieser Welt nicht irgendwo unten in den Katakomben versteckt ist, sondern direkt an den Fans vorbei ins Innerste führt.

Auch ansonsten glänzt die 1884 errichtete Anfield Road, die zunächst ausgerechnet vom Lokalrivalen Everton genutzt wurde, nicht durch Komfort. Sind die Spieler erst einmal in den Katakomben, führt der Weg umgehend in Kabinen, die man selbst in der Kreisliga schon luxuriöser gesehen hat.

Von verschwundenen Klamotten und der Kreisliga

Eine Klimaanlage, ein TV-Bildschirm, eine Taktiktafel und ein paar Massagebänke mehr Platz gibt die kleine Kabine des LFC ohnehin nicht her. Um dem Heimvorteil jedoch trotzdem Ausdruck zu verleihen, wird den geschätzten Gästen nichts davon zur Verfügung gestellt. Eine Tatsache, die vor allem aufgrund der Hitze unter den Tribünen nicht ganz zu vernachlässigen ist.

Duschen gibt es an der Anfield Road auch: Sechs an der Zahl - die Kreisklasse lässt grüßen. Was Stars wie Mario Balotelli dazu sagen? Hoffentlich nichts Schlechtes, schließlich erzählt man sich aus den Zeiten von Bob Paisley und Bill Shankly manch Anekdote über verwöhnte Stars. Damals soll es durchaus üblich gewesen sein, den Miesepetern die Klamotten während dem Duschen zu klauen, um sie anschließend auf nimmer Wiedersehen vom Hof zu jagen.

Nur zwei Meter vom Epizentrum des Liverpool FC zieht sich der Gast um. In dem Moment, in dem die Spieler auf den Gang treten, stehen die Kontrahenten eigentlich schon Schulter an Schulter. Noch enger wird es fünf Meter weiter den Gang entlang. Dann geht es die Treppe hinunter ins Stadion und damit vorbei am Allerheiligsten.

Der Mythos Bill Shankly

This is Anfield Das ist keine Phrase, die im Laufe der Jahre von einem Reporter erfunden wurde. Es ist der Slogan auf einem Schild über dem Spielertunnel, dass Bill Shankly einst anbringen ließ. Die Trainerlegende der 60er-Jahre verstand darunter keinen Wunsch und schon gar nicht einen Willkommensgruß. Es sollte eine Ansage an den Gegner sein: Das ist die Anfield Road und für euch gibt es hier nichts zu holen. Die Spieler haben das bis heute verinnerlicht und berühren das berühmt gewordene Bild einer nach dem anderen mit der Hand, ehe sie auf das Spielfeld schreiten.

Zu 'You'll never walk alone' betreten die Mannschaften im Anschluss den Rasen, doch von nirgendwo dröhnt die Fußballhymne lauter als von The Kop, der legendären Fantribüne der Anfield Road. Anders als beispielsweise in der Südkurve der Allianz Arena stehen in Liverpool die Hardcore-Fans direkt unter dem Dach. Die Stimmung leidet unter den letzten 15 bis 20 Sitzreihen darunter dennoch keineswegs. Auf den Sitzplätzen hält es dort niemanden, einen Vorsänger braucht man hier nicht. Ein Fan singt vor, der Rest stimmt mit ein.

John Terry beschrieb die Atmosphäre vor dem berühmten Halbfinal-Rückspiel 2005 zwischen Liverpool und Chelsea in seiner Biographie so: In den wenigen Sekunden vor Spielbeginn wirkte es fast so, als ob das ganze Stadium Liverpool mit einem einzigen langen Brüllen zum Sieg schreien würde. So etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt und ich glaube nicht, dass ich so etwas jemals wieder erleben werde.

The Kop: Stolz der Liverpool-Fans

Der Zusammenhalt unter den Fans kennt in The Kop, die nach The Spion Kop, einer Aussichtsplattform, auf der englische Soldaten während der Burenkriege in Südafrika dramatische Verluste erlitten, keine Grenzen. So erzählt man sich, dass sich der gemeine Liverpool-Fan in früheren Zeiten, als das Stadion kaum sanitäre Anlagen bot und The Kop noch eine reine Stehplatztribüne war, im Fall der Fälle in eine gefaltete Zeitung in der Hosenritze des Vordermanns erleichterte.

Wenn die Spieler nach den Partien unter der Dusche stehen, trifft man Brendan Rodgers und Co. nebenan im Presseraum. Ein Name, den dieses Zimmer mit seinen geschätzten 25 Quadratmetern eigentlich kaum verdient hat. Im Rahmen der Einführung der Premier League wurden die Vereine von der FA angehalten, Räumlichkeiten für TV- und Pressekonferenzen einzurichten.

In Liverpool war der Presseraum, in dem nicht viel mehr als 20 Journalisten gleichzeitig den Ausführungen der LFC-Verantwortlichen an einem kleinen Pult folgen können, ursprünglich der Raum für die Schuhe der Spieler. Eben jenem Raum schreibt manch abergläubischer Anhänger der Reds die Meisterschafts-Misere des ehemaligen Rekordchampions seit 1990 zu. Bis 1993 stand an der Stelle des Presseraums der legendäre Bootroom, der unter Bill Shanklys Leitung zum Herz des Vereins wurde.

Bootroom Anfang und Ende der goldenen Ära

Glaubt man Joe Fagan, als Co-Trainer einer der Mitbegründer des Bootrooms, unterschied sich die Machtzentrale der Reds damals nicht sonderlich von einem Hobbykeller: In einer Zeit, in der der das Kämmerchen mit Luxuriösitäten wie einem kleinen Stuhl, ein paar Plastikstühlen und einem Kalender inklusive einigen wenigen Postern von oberkörperfreien Models ausgestattet war, gab es wenig Hinweise darauf, dass dieser Raum auch nur Teil eines Fußballklubs war.

Und dennoch besprach man hier gerne auch bei einem kleinen Glas Whisky in den goldenen 60er und 70er Jahren sowohl die Taktik als auch die Kaderplanung des LFC. Sämtliche Entscheidungen der damaligen Ära entstanden zunächst in diesem kleinen Raum, ehe sie in die Fußballwelt hinausgetragen wurden und diese nachhaltig beeinflussten.

In den 90ern musste ein bedeutendes Stück der Klubgeschichte schließlich weichen und mit ihm verschwand auch der nationale Erfolg. Rafa Benitez unternahm 2009 Anstrengungen, den Bootroom wieder aufzubauen. Prompt wurde Liverpool Vizemeister mit gerade einmal vier Punkten Rückstand auf Erzrivale Manchester United.

Good Bye Stevie G

Was Brendan Rodgers diesbezüglich 2014 unternahm ist nicht überliefert, ein Wiederaufbau hätte für die Fans aber längst nicht mehr nur nostalgischen Wert.

Am 16. Mai wird die Nostalgie dennoch ein neues, vielleicht nie dagewesenes Niveau erreichen, wenn Steven Gerrard nach über 16 Jahren sein letztes Heimspiel gegen Crystal Palace bestreiten wird. Mit dem Wechsel der Klubikone wird sich nicht nur der Klub, sondern auch die Anfield Road verändern. Die Sommerpause wird für den geplanten Umbau auf eine neue Gesamtkapazität von 54.000 Zuschauern erstmals genügend Zeit bringen, Änderungen werden erstmals sichtbar werden.

Bis dahin wird neben dem berüchtigten Gerrard-Song in jedem Heimspiel aber noch mindestens sechs Mal ein weiteres Lied in The Kop angestimmt werden:

All round the Fields of Anfield Road
Where once we watched the King Kenny play
We had Heighway on the wing
We had dreams and songs to sing
Of the glory round the Fields of Anfield Road

KOMMENTARE
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Schnumbi
02.03.2015 | 14:17 Uhr
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Schnumbi : 
02.03.2015 | 14:17 Uhr
0
Schnumbi : 
Sehr schöner Blog.

Macht richtig Bock der Anfield Road mal einen Besuch abzustatten.
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