Olympisches Milchmännchen

Von Simon Ommer
Kurt Angle wurde 1996 Olympiasieger
© getty
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Angles Storyline mit Stone Cold im Jahr 2001 bestimmte eine lange Zeit das Geschehen der WWE. Größere Gegensätze waren kaum möglich, als mit dem Bier kippenden, Mittelfinger zeigenden Austin. Letzterer verweigerte irgendwann jegliche Kämpfe gegen seinen Kontrahenten und versenkte dessen Medaillen gar im Detroit River.

Die Fehde fand ihren kuriosen Höhepunkt, als Austin im Ring eine Ansprache hielt und von Angle abrupt unterbrochen wurde. Der steuerte mit einem waschechten Milchwagen auf den Ring zu und fing an, Austin und weitere Akteure mit Milchtüten zu bewerfen. Anschließend holte er einen Schlauch hervor und schoss literweise Milch in den Ring - eine perfekte Reaktion auf eine ähnliche Bierdusche Austins zwei Jahre zuvor, in der Angle sein eigenes Image als Milchbubi gekonnt auf die Schippe nahm.

Blickt man auf die letzte Dekade, gibt es wohl kaum eine Fehde, die die Fans auf mehreren Ebenen unterhalten konnte. Dass Angle allerdings auch die andere Gangart drauf hatte, bewies er beim King of The Ring im Jahr 2001. Dabei schleuderte er den wagemutigen Shane McMahon durch gleich mehrere Glasscheiben, die zuvor nicht wie geplant durch Imitate ersetzt worden waren.

"Er sagte mir immer wieder, ich solle ihn durch die Glaswand werfen, als sie nicht brach. Ich sagte nein und er fing an zu fluchen", erinnerte sich Angle später. Warum er es doch tat - und beide anschließend im Krankenhaus landeten? "Es war Shanes großer Moment. Ich wusste, ich würde weitere haben, er nicht." Kurt Angle, der perfekte Company Man.

Wechsel zu TNA

Aber in der WWE gab es für ihn nicht nur goldene Momente. Der Sport forderte seinen Tribut, immer wieder wurde er von Verletzungen zurückgeworfen. Besonders der Nacken bereitete Angle Probleme. Während einer Verletzungspause übernahm er unter anderem in einer Storyline die Rolle des General Managers von SmackDown - und überzeugte auch in dieser Disziplin.

Auch nach seiner Rückkehr in den Ring kämpfte Angle mit den Folgen der Nackenverletzung. Er absolvierte zwar noch einige Kämpfe für SmackDown und RAW, musste sich jedoch jeden Abend mit Schmerzmitteln behelfen. Im August 2006 verkündete die WWE schließlich, dass Angle aus seinem laufenden Vertrag entlassen worden sei. Zuerst ging man von einer einseitigen Trennung aus, später gab Angle jedoch bekannt, dass er aufgrund seiner Verletzungen freiwillig zurücktrat.

Dieser Schritt bedeutete jedoch noch nicht das Karriereende. Er unterschrieb bei TNA (Total Nonstop Action) Wrestling und startete dort quasi eine zweite Karriere, wurde in zehn Jahren sechsmal World Heavyweight Champion und sicherte sich den Tag-Team-Titel sowie die Division Championship.

Angle profitierte besonders von dem deutlich weniger strapaziösen Zeitplan der Promotion, in der er im Jahr 2013 zum Mitglied der Hall Of Fame ernannt wurde. Verletzungen konnte er so zwar besser auskurieren, Probleme hatte er trotzdem. Im Januar 2016 war dann auch bei TNA endültig Schluss.

Die Schattenseite

Abseits der Kameras trank Angle übrigens keine Milch. Stattdessen spielte eine Alkohol- und Drogensucht, die vor allem durch Schmerzmittel befeuert wurde, eine Hauptrolle.

"Wenn man Olympiasieger ist, hat man eine gewisse Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Als ich zur WWE kam, hatte ich immer noch dieselbe Einstellung. Doch als ich dann abhängig wurde, war mir plötzlich alles egal. Mir war es egal, ob ich ein Vorbild war. Ich wollte einfach nur Drogen nehmen", sprach Angle offen über seine Sucht, an der er zwischenzeitlich zu zerbrechen drohte.

In diesen Kampf war er nicht unvorbelastet gegangen: Sein Vater starb als Alkoholiker, seine Schwester nach einer Überdosis Heroin. Der Bruder ermordete seine Schwägerin im Rausch. Angle selbst machte mehrfach Schlagzeilen durch Verhaftungen wegen betrunkenen Fahrens.

Rückkehr zur WWE?

Mittlerweile hat er seine Abhängigkeit bekämpft, seine Frau und Kinder waren dabei die größte Motivation. Sogar eine eigene App hat er entwickelt, die Abhängige im Kampf gegen die Sucht unterstützen soll.

Angle hat sich zurückgekämpft - nicht zum ersten Mal. Als Lohn und auch als Anerkennung für all die Opfer im Ring wartet nun das wohl letzte Wrestling-Highlight auf ihn zu: Er wird in die Hall Of Fame aufgenommen - und nur drei Tage später soll es bei WrestleMania 33 im Citrus Bowl in Orlando einen Kurzauftritt geben.

Zuletzt gab es sogar Spekulationen um eine aktive Rückkehr. Doch Angle stellte schnell klar, dass dies wohl ein Traum vieler Fans bleiben wird. "Ich bin nicht der Typ, der in Ruhestand geht und dann doch zurückkehrt. So war es beim Ringen als ich Olympiasieger wurde, so wird es auch beim Wrestling sein. Wenn ich weg bin, dann bin ich weg", verkündete er unlängst.

Und wir prosten ihm zum Abschied zu. Natürlich mit Milch.

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