Zwischen Legenden und Eintagsfliegen

Von Maurice Kneisel / David Schmida
Mit seiner "Austin 3:16"-Promo wurde Steve Austin beim King of the Ring 1996 zum Megastar
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Kneisel: Eben da liegt doch der Unterschied zwischen den klassischen Motto-PPVs und den neueren: Royal Rumble, King of the Ring und mit Abstrichen die Survivor Series haben nachhaltige Momente geschaffen und Superstars langfristig nach vorne gebracht. Eben das leisten Extreme Rules, Hell in a Cell und Co überhaupt nicht. Die einzige Ausnahme ist der anfangs viel kritisierte, für mich aber mit Abstand beste "neue" Pay-per-View, Money in the Bank. Zwar bringen diese Pushs nicht immer den gewünschten Erfolg (bestes Beispiel: Jack Swagger), aber immerhin bietet sich die Gelegenheit, neue Main Eventer zu schaffen. Zudem sind Matchqualität und Unterhaltswert jedes Jahr sehr hoch. Wie schätzt du den anstehenden PPV generell ein?

Schmida: Dadurch, dass sie regelmäßig wieder kommen, nimmt man meiner Meinung nach den Stipulationen die Bedeutung und sie verlieren dadurch ihren Wert. Natürlich könnte man argumentieren, dass HiaC und andere spezielle Matcharten auch früher regelmäßig gebookt wurden, allerdings auf die umgekehrte Weise. Um auf deine Frage einzugehen: für mich hat das MitB-Match schon lange nicht mehr den Reiz, den es einmal hatte. Zwar verliert alles seinen Reiz mit der Zeit, aber was nach dem ersten Sieger Edge und dem grandiosen Cash-In damit gemacht wurde, ist langweilig geworden, zu vorhersehbar und teilweise eher schädigend, weil eben MitB nicht als Sprungbrett, sondern als reines Highlight gebookt wird. Das Match an sich ist heute der Höhepunkt, nicht der Sieger. Allerdings muss ich sagen, dass mich das All-Stars Match beim kommenden PPV schon sehr interessiert. Dieses hat den Namen wirklich verdient und die Rückkehr von Rob Van Dam setzt dem ganzen die Krone auf. Das zweite MitB Match lässt mich kalt - grundsätzlich halte ich zwei Matches dieser Art an einem Abend für falsch, denn dies führt auch zu einer Übersättigung.

Kneisel: Letztere Aussage sehe ich zwiegespalten: einerseits stimme ich dir insofern zu, als zwei Kofferträger zu viel sind. Früher hatte man einen Sieger, der auf beide World Titles eincashen konnte, wodurch das Ganze wesentlich unberechenbarer wirkte. Andererseits kann ich mich an MitB-Matches nicht satt sehen und habe insbesondere an das mit frischen, talentierten Heels besetzte SmackDown-Match sehr hohe Erwartungen. Mit der All-Stars/Aufsteiger-Trennung hat man eine gute Lösung gefunden, um die Matches zu differenzieren und nicht das Risiko zweier Pushs für "Neulinge" tragen zu müssen. Zum Thema "Sprungbrett" würde ich gerne noch folgendes ansprechen: siehst du MitB eigentlich als Kontrastprogramm zum Rumble, bzw. als Ersatz für KotR? Ich beziehe mich darauf, dass im MitB, wie früher im KotR, immer wieder Aufsteiger Richtung Main Event gepusht wurden, während im Rumble in den seltensten Fällen ein Nicht-Main Eventer gewinnt. KotR hat Leute wie Steve Austin, Brock Lesnar, Kurt Angle oder Owen Hart entscheidend nach vorne gebracht, MitB Edge und CM Punk (im zweiten Anlauf). Beim Rumble haben seit 2006 (Rey Mysterio) mit Ausnahme von Alberto Del Rio nur Leute gewonnen, die zuvor schon mindestens einmal World Champion waren. Und Berto hat den Titel ironischerweise 2011 nicht bei WrestleMania, sondern erst infolge seines MitB-Sieges holen dürfen.

Schmida: MitB ist definitiv kein Ersatz für den Rumble oder den KotR. Die heutigen Sieger dieser Matches haben für mich nicht annähernd die Bedeutung von vergangenen Rumble- bzw. KotR-Siegern. Das beim Rumble vermehrt gestandene Stars gewinnen, hat sicherlich auch mit dem derzeitigen Konzept von WrestleMania zu tun. Dort setzt man eben vermehrt auf Dream Matches.

Kneisel: Guter Punkt, wobei auch die früheren Rumble-Sieger in der Regel bereits etabliert waren. Kommen wir zum Fazit: Du präferierst offensichtlich das alte System mit fünf bis sechs PPVs pro Jahr im Vergleich zum aktuellen. Aber hältst du das aktuelle Konzept für problematisch, bzw. betrachtest du eine Reduzierung der aktuellen PPV-Menge als sinnvoll im Hinblick auf die Ausrichtung der WWE und die Qualität des Produkts?

Schmida: Definitiv! Ich bin nicht sicher, ob es nur fünf bis sechs PPVs sein müssen, aber eine Reduzierung wäre aus meiner Sicht sinnvoll. Allerdings ist mir bewusst, dass es nicht so kommen wird. Das aktuelle Konzept ist problematisch, da es den Mottos bzw. den dahinterstehenden Matches die Bedeutung nimmt (aufgrund der schon erwähnten umgekehrten Art des Bookings) und parallel den Kreativen keine Zeit lässt, tatsächlich kreativ zu sein. Vielleicht wären acht Großveranstaltungen eine gute Alternative.

Kneisel: Eine solche Reduzierung kann ich mir aber beim besten Willen nicht vorstellen. Im Gegensatz zu anderen Wrestlingligen macht die WWE mit ihren PPVs gutes Geld und solange sich daran nichts ändert, wird auch die Zahl nicht runter gehen. Trotzdem würde ich mir hinsichtlich des Konzepts, wie du, eine Entschlackung wünschen. Ein System mit vier bis sechs eindeutigen Major PPVs - seien wir ehrlich, den Status haben die Series schon lange nicht mehr und der Rumble schwächelt auch zunehmend - sowie sechs bis acht B-PPVs im Stile der früheren In Your House-Events würde ich klar vorziehen. Aber auch das wird aufgrund der Angst vor sackenden PPV-Buyrates sicher nicht passieren. Weniger Motto-PPVs und die daraus resultierende geringere Einschränkung der Writer wären ein akzeptabler (und der einzig denkbare) Kompromiss.

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