Feed Me More… NOT!

Von Maurice Kneisel
Wer möchte sich schon an Ryback überfressen?
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John Cena, Sheamus, Randy Orton - ohne diese Namen geht es einfach nicht in der aktuellen WWE. Davon scheinen zumindest die Verantwortlichen überzeugt und schmieren sie einem bei jeder Gelegenheit drei Meter dick aufs Brot. Doch ansonsten setzt es im Face-Bereich Magerkost. Auch bei Shootingstar Ryback scheint man die gleichen Fehler zu machen. Wieso eigentlich?

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Kürzlich schmökerte ich in einem lesenswerten Blog von Aristide_Bance, in dem er sich mit den aktuell schwachen Quoten der WWE und den Gründen für den Abwärtstrend befasst. Beim Formulieren meines Kommentars wurde mir klar: Volltreffer, ich war aber mal so richtig angefressen!

Nein, nicht wegen Aristide, sondern aufgrund der Blindheit respektive Ignoranz, die die WWE im Hinblick auf ihr Produkt seit längerem an den Tag legt. Doch lasst mich das Ganze anhand eines Vergleichs genauer ausführen.

Beim aktuellen WWE-Produkt kommt man sich vor wie bei einem reichhaltigen All-you-can-eat-Buffet: Auf den ersten Blick sieht alles verlockend aus, man lädt sich den Teller ordentlich voll und balanciert ihn zum Platz zurück, um sich die erste Ration reinzuschaufeln. Schön vorsichtig, dabei nur nichts fallen lassen!

Runde zwei sorgt noch für Vorfreude, vielleicht geht sogar noch ein weiterer Nachschlag... aber langsam ist der Punkt erreicht, an dem man sich die Pampe mehr aus Prinzip runterwürgt als aus Lust am guten Essen. Schließlich ist Schicht im Schacht und man kann froh sein, wenn man sich nicht komplett überfressen hat. "Feed me more" gilt eben nur bis zu einem gewissen Maße.

PG, kein Blut, zu wenige böse Wörter

Hier lässt sich der Bogen wunderbar zur WWE schlagen, denn die überzieht das Maß seit Jahren, überspannt den Bogen und was nicht noch alles. PG, kein Blut, zu wenige böse Wörter im Fernsehen, der Roster ist zu klein, der Roster ist zu groß - Erklärungsansätze gibt es bis zum Abwinken. Zuletzt haben Kevin Bublitz und ich im Hot Tag schon diverse Aspekte dieser Thematik diskutiert.

An dieser Stelle möchte ich auf einen speziellen Punkt eingehen, der meiner Meinung nach das aktuelle Hauptproblem darstellt und mir in den letzten Wochen besonders negativ - womit wir wieder beim Büffet wären - aufgestoßen ist.

Man kann sicherlich über die Größe des WWE-Rosters streiten. Die Zahl der unter Vertrag stehenden Superstars und Divas ist beachtlich, insbesondere auch, wenn man berücksichtigt, dass in der Development-Show NXT bereits die potentiellen WWEler von morgen hübsch angerichtet werden.

Der Kader ist auf einen Rostersplit ausgerichtet, den es de facto seit dem 29. August 2011 nicht mehr gibt. Damals trafen die Verantwortlichen eine Entscheidung, die aus meiner Sicht hauptverantwortlich für das laffe aktuelle Produkt ist: sie traten den Split in die Tonne und machten RAW zur RAW Supershow.

Einfallslosigkeit und Eintönigkeit

Klar, Super-Wochenshows, in denen sowohl die Wrestler von RAW als auch von SmackDown! antraten, gab es auch vorher schon. Nur eben nicht Woche für Woche. Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, dass der Roster Split bereits seit Jahren bröckelte und teilweise nur noch formell aufrecht erhalten wurde. Doch seit der offiziellen Aufhebung sind Einfallslosigkeit und Eintönigkeit endgültig Tür und Tor geöffnet.

Früher gab es noch Konstellationen, die aufgrund der Kaderverteilung schlichtweg nicht möglich waren. War man heiß auf eine Fehde zwischen zwei Superstars aus unterschiedlichen Shows, musste man eben auf den nächsten Draft hoffen. Natürlich hat die WWE sich zwischendurch immer wieder mit Alibi-Trades und -Entlassungen aus der Bredouille gezogen, aber einige Paarungen blieben unverbraucht und ließen auf die Zukunft hoffen.

Heute können Traumfehden, wie beispielsweise die der beiden Indy-Götter CM Punk und Daniel Bryan, die eigentlich in unterschiedlichen Shows stehen, jederzeit losgetreten werden. Toll für die Writer, denen für Leute wie D-Bryan traurigerweise in schöner Regelmäßigkeit die Ideen ausgehen sollen.

Statt dass man sich noch eine Weile gedulden muss und beim Gedanken an diese Fehde nur unter größter Selbstbeherrschung den Speichelfluss in Zaum halten kann, wurde sie einfach so in den Weeklys los getreten.

Bryan vs. CM Punk

Woche für Woche standen sich der damalige Face Punk und das angehende Goatface im Ring gegenüber. Wenig später ging es auf Pay-per-View-Ebene weiter, wie viele Matches die beiden Männer in der ersten Jahreshälfte 2012 gegeneinander bestritten haben, möchte man lieber gar nicht wissen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: jedes einzelne Match war absolute Feinkost!

Die beiden wissen einfach, wie man starke Matches abliefert und zählen zu Recht zu den Fünf-Sterne-Köchen ihres Fachs. Doch der Gedanke bleibt, dass man einen potentiellen WrestleMania Main Event verbraten hat. Die Möglichkeit, die beiden irgendwann beim Grandaddy gegeneinander zu stellen, existiert natürlich weiterhin. Doch frisch wird die Paarung dann leider nicht mehr sein.

Womit wir beim Grundproblem angelangt wären, auf dem unter anderem auch die Aufhebung des Rostersplits basiert: mangelnde Geduld. Die Bereitschaft, Leute langfristig aufzubauen, ist der WWE komplett abhanden gekommen. Aktienkurse, Einschaltquoten und generell der dicke Zaster diktieren das Geschäft. Da scheint kein Platz mehr zu sein für langfristige Planungen, auch wenn diese immer wieder angedeutet werden. Schade drum.

Einen Bret Hart oder Shawn Michaels hat man seinerzeit auch nicht einfach nach drei Wochen in die Upper Card geschmissen. Die Jungs haben sich zunächst in Tag Teams, anschließend über den Intercontinental-Titel und starke Fehden nach oben gearbeitet, ihr Können mal um Mal wieder unter Beweis gestellt und sich somit ihre großen Fanschichten redlich verdient.

Seite 2: Omnipräsenz von Sheamus und Co.

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