Porsche Tennis Grand Prix: Angelique Kerber muss verletzt aufgeben

Von Ulrike Weinrich
Angelique Kerber, WTA, Stuttgart
© Jürgen Hasenkopf

Eine angeschlagene Angelique Kerber ist im Achtelfinale des Porsche Tennis Grand Prix ausgeschieden. Die am rechten Oberschenkel verletzte Weltranglistenzwölfte musste beim Stand von 0:6, 0:2 gegen die Estin Anett Kontaveit (WTA-Nr. 32) nach 39 Minuten verletzt aufgeben. Damit steht erstmals seit vier Jahren keine deutsche Spielerin im Viertelfinale von Stuttgart.

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Von Ulrike Weinrich aus Stuttgart

Kerber packte nach der Aufgabe ihre Schlägertasche und legte sich ein Handtuch über die Schultern. Zum Abschied winkte die 30-Jährige noch einmal traurig Richtung Publikum und verließ dann mit gesenktem Blick ihr "Wohnzimmer", in dem sie 2015 und 2016 triumphiert hatte.

Rund eine Stunde danach saß Kerber niedergeschlagen auf dem Podium in der Pressekonferenz. "Ich habe es schon die letzten Tage und auch heute beim Einspielen gemerkt und alles Mögliche versucht. Aber es wurde in den ersten beiden Spielen des Matches immer schlimmer. Ich habe alles gegeben, aber es ging nicht mehr", berichtete sie.

Sie habe es nicht "übers Herz" gebracht, bei einem ihrer Lieblingsevents nicht anzutreten. Am Freitag soll eine Untersuchung Aufschluss über die Schwere der Verletzung geben. "Ich hoffe, es ist nicht so schlimm", meinte Kerber.

Kerber nimmt bei einem 0:5-Rückstand ein Medical Timeout

Das Aufgabe-Szenario hatte sich bereits früh angedeutet. Beim Rückstand von 0:5 im ersten Satz hatte Kerber ein Medical Timeout genommen. Sie kehrte mit einem Verband um den Oberschenkel zurück. Zuvor schon hatte sich die zweimalige Grand-Slam-Siegerin, die am Vortag beim 6:3, 6:2 gegen Petra Kvitova aus Tschechien (Nr. 8) noch geglänzt hatte, auffallend schlecht bewegt.

Gleich ihr erstes Aufschlagspiel hatte sie abgeben müssen. In den ersten drei Spielen konnte "Angie" gerade einmal drei Punkte gewinnen. Nach sieben Minuten lag sie mit 0:3 in Rückstand, nach 17 Minuten mit 0:5. "Das hatte heute mit allem anderen als mit Tennis zu tun", klagte sie: "Bei jedem anderen Turnier wäre ich nicht rausgegangen."

Die Zuschauer in der mit 4500 ausverkauften Porsche Arena feuerten die ehemalige Nummer eins der Welt immer wieder an, aber jeder schien zu spüren, dass die Achtelfinalhürde für die verletzte Kerber an diesem Tag nicht zu meistern war.

"Angie" versucht noch einmal alles - vergebens!

Nach dem Verlust des ersten Durchgangs ließ die Kielerin ihren Coach Wim Fissette kommen. Der Belgier redete auf seinen Schützling ein: "Du musst es wissen, aber mache deinen Körper nicht kaputt", sagte er. Kerber klagte: "Ich versuche es, aber habe echt Schmerzen." Sie wirkte demoralisiert von ihrer Blessur. Wenig später gab die Australian-Open-Siegerin von 2016 nach zwei weiteren Spielverlusten auf. "So eine Verletzung hatte ich bislang noch nie, das ist neu", betonte sie später.

Da zuvor auch Titelverteidigerin Laura Siegemund (Metzingen) trotz starker Leistung der US-Amerikanerin Coco Vandeweghe mit 4:6, 6:4, 3:6 unterlag, erreichte erstmals seit vier Jahren keine deutsche Spielerin die Runde der letzten acht beim "Heimspiel".

Dabei hatte insbesondere Kerber durch ihre Gala gegen Petra Kvitova am Vortag hohe Erwartungen geweckt. Nach dem enttäuschenden Verlauf des Fed-Cup-Wochenendes mit der 1:4-Schlappe im Halbfinale gegen Tschechien hatte sie vor Beginn des Premier-Turniers das Hotel innerhalb von Stuttgart gewechselt. "Daran lag es", witzelte Kerber am Mittwochabend mit Blick auf ihre beeindruckende 6:3, 6:2-Revanche im Erstrundenspiel gegen die an Position acht gesetzte Kvitova.

Coach Wim Fissette glaubt: "Sand kann aus Angie eine bessere Spielerin machen"

Wohlwissend, dass das noch nicht einmal die halbe Wahrheit war. Drei Tage nach ihrer deutlichen 2:6, 2:6-Niederlage gegen die Weltranglistenzehnte hatte sie sich im Duell mit Kvitova wie verwandelt präsentiert: Selbstbewusst, spritzig - und erfolgreich. Ihr Coach Wim Fissette hatte bereits zuvor im Interview betont, dass "Sand aus Angie eine bessere Spielerin machen" könne.

Allerdings wollte die zweimalige Grand-Slam-Siegerin ihre bescheidenen Ziele auf der ungeliebten Asche noch nicht relativieren. "Es ist ja erst der Beginn der Sandplatzsaison, ich habe immer noch keine großen Erwartungen. Mir ist es einfach wichtig, vor den French Open noch so viele Matches wie möglich zu spielen", sagte Kerber.

In der Wohlfühloase Stuttgart angekommen: "Ich weiß, wie es geht!"

Die Linkshänderin schien nach einigen Tagen Eingewöhnungszeit in ihrer Wohlfühloase angekommen zu sein. "Ich habe hier in dieser Halle ja schon zweimal triumphieren dürfen. Ich weiß also", meinte sie, "wie es geht!" Und das Team hinter dem Team hatte vor der Aufgabe gegen Kontaveit ebenfalls Anlass zur Zuversicht gegeben.

Mutter Beata und Schwester Jessica waren dabei - und natürlich die aus Polen angereiste Oma Maria. Eigentlich eine Glücksbringerin der besonderen Art: Sie hatte auch in der Box gesessen, als ihre Enkelin beim Porsche Tennis Grand Prix 2015 und 2016 den Titel holte und das PS-starke Siegerauto nach dem Finale rasant über den Centre Court lenkte. "Es ist immer etwas besonderes, wenn die Familie hier ist. So oft geht das ja leider nicht", betonte Kerber, die unabhängig von ihrem Ausscheiden ab Montag wieder die deutsche Nummer eins vor Julia Görges (Bad Oldesloe) ist.

Kerber sagt: "Das letzte Jahr hat mich stärker gemacht. Ich bin gereift"

Für ihr gespaltenes Verhältnis zur roten Asche hat "Angie" dann auch eine ebenso simple wie einleuchtende Erklärung: "Wenn man wieder auf Sand zurückkommt, hat man die Erinnerungen vom Jahr zuvor und aus den letzten zwei, drei Jahren im Kopf. Und ich hatte nicht die besten Erinnerungen - außer hier in Stuttgart natürlich." Der relativ schnelle Belag beim Premier-Event ist allerdings nicht zu vergleichen mit dem körnigen Geläuf in Madrid, Rom oder Paris, wo natürlich im Freien gespielt wird.

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