Frauentennis nur fünftes Rad am Wagen?

Die Teilnehmerinnen der WTA Finals in Singapur
© getty

Der Saisonabschluss in Singapur ohne die Weltranglisten-Erste Simona Halep steht symptomatisch für die Frage, wo die WTA in den kommenden Jahres hin will

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Am Tag, als sich die acht Spielerinnen der Frauentennis-WM in Singapur zu einem glitzernden Familienbild aufstellten, hatte auch Simona Halep einen Termin in dem südostasiatischen Stadtstaat. Halep, die temperamentvolle rumänische Centre-Court-Aktivistin, nahm in der Millionenmetropole die Schlüssel für einen neuen Porsche in Empfang - ein Geschenk für ihre herausragende Jahresleistung, der Lohn für Platz eins im sogenannten "Race to Singapore".

Das Dumme für die Spielerinnengewerkschaft WTA und ihr abschließendes Championat: Halep ist nur tatenlose Zuschauerin im Titelkampf, wegen eines Bandscheibenvorfalls kann sie nicht mitwirken beim Ringen um die letzten Spiele, Sätze und Siege. Aber auf dem Ranglisten-Gipfel wird die 27-jährige French Open-Gewinnerin bleiben, ganz egal, was in den nächsten Tagen bei der WM passieren wird: Zu groß ist ihr Vorsprung auf die gegenwärtig Zweitplatzierte, eine gewisse Angelique Kerber (erstes WM-Gruppenmatch am Montag gegen Kiki Bertens/Niederlande)

WTA im Schatten der Herren

Haleps Fehlen ist nicht der einzige Schönheitsfehler bei diesen WTA-Finals, die in einem seltsamen Moment für das Frauentennis stattfinden. Zwar ist die Saison in der Branche außergewöhnlich spannend, unterhaltsam und oft erfrischend unberechenbar gewesen, nicht zuletzt dokumentiert durch drei neue Grand Slam-Siegerinnen (Caroline Wozniacki bei den Australian Open, Halep bei den French Open, Naomi Osaka bei den US Open). Aber zugleich stehen die WTA und ihre Hauptdarstellerinnen hartnäckig im mächtigen Schatten, den das Herrentennis mit seinen Größen wie Roger Federer, Novak Djokovic oder Rafael Nadal wirft.

Die aufwühlendsten und weitreichendsten Schlagzeilen für das Frauentennis lieferte 2018 ausgerechnet ein Skandalmoment, der bizarre Black-Out von Serena Williams im Endspiel des New Yorker Grand Slam. Der ebenso spannungsgeladene wie hitzige Kulissenpoker um die milliardenschwere Zukunft des Davis Cup, der sich vor und nach den US Open abspielte, war indes entlarvend in mancherlei Hinsicht: Er zeigte, welche Geldsummen im Herrentennis bewegt werden können. Und er zeigte, wie das Frauentennis vom Weltverband ITF marginalisiert wird, denn zu irgendwelchen Projekten oder Reformen etwa im Fed Cup war lange Zeit nicht das Geringste zu hören. Judy Murray, die Mutter und langjährige Trainerin ihres Sohnes Andy, befand dazu knapp: "Es sieht aus, als wäre das Frauentennis das fünfte Rad am Wagen."

WTA Finals in Europa? Nur eine Utopie

Dass der australische Tennisverband im Verbund mit der männlichen Spielergewerkschaft ATP in diesem Jahr vorpreschte und einen neuen World Team Cup für die Herren im Januar installieren will, schon ab dem Jahr 2020, passt ins Bild - denn für diesen umstrittenen Wettbewerb muss der beliebte Hopman Cup zum Saisonstart weichen, die inoffizielle Mixed-WM der gemischten Doppel in Perth. Auf dem ganzen Fünften Kontinent soll der World Team Cup über nahezu zwei Wochen gespielt werden, eine Neuauflage des einst in Düsseldorf beheimateten Formats.

Doch was bleibt dann eigentlich Down Under an Vorbereitungsturnieren für die Frauen übrig, im Countdown zu den Australian Open. "Die WTA steht mit ihren schwachen Spitzenfunktionären fast nur noch an der Seitenlinie", sagt ein europäischer Toptrainer aus dem Frauentennis, "sie hat keine wirkliche Marketingidee für ihr Produkt, sie läuft oft nur dem schnellen Geld hinterher." Und, wie es scheint, hat sie auch keinen Einfluss auf die Bewegungen und Strömungen, die gerade die Tennislandschaft verändern.

Die Weltmeisterschaft in Singapur wirkt da fast symptomatisch. Selten in den letzten Jahren war die Arena einmal ausverkauft, viele Besucher kamen aus purer Neugier, verstanden aber nicht einmal das Regelwerk des Tennis. Was allerdings stimmte und zählte, waren die Garantiesummen, die an die WTA überwiesen wurden. Und das gilt auch für den kommenden Austragungsort, die chinesische Wachstumsmetropole Shenzhen. Aber im Vergleich zum ATP World Tour Finale in London, bei dem täglich 40.000 Zuschauer in der O2-Arena zu Gast sind und Gänsehaut-Atmosphäre erzeugen, wirkt der Titelkampf der Frauen fast unangemessen provinziell. "Zu gerne", sagte Angelique Kerber gerade, würde sie dieses Topturnier noch einmal in der deutschen Heimat oder auch anderswo in Europa spielen. Aber das wird eine Utopie bleiben, nicht nur für sie, die aktuelle Wimbledon-Königin.

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