WTA Finals: Angelique Kerber - "Ich habe richtig Lust auf diese WM"

Von Jörg Allmeroth
Angelique Kerber freut sich auf Singapur
© Jürgen Hasenkopf

Angelique Kerber peilt beim WTA-Finale in Singapur einen guten Jahresabschluss an. Mit dem Triumph in Wimbledon ist die Saison 2018 in jedem Fall eine erfolgreiche gewesen.

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Als Angelique Kerber am letzten Wochenende über diesen eher grauen Tennis-Herbst redete, war der Frust nicht zu überhören. Kerber ist nicht gerade eine große Freundin des sogenannten "Asia Swing", der Turniere im Fernen Osten zum Abschluß der Saison. Viele Hallen und Stadien sind nur halb voll dort, die Stimmung ist dürftig oder künstlich, der große Tennis-Boom, den sich alle in der Branche in den asiatischen Wachstumsmärkten erhoffen, ist noch nicht wirklich angekommen.

"Es ist nicht immer leicht gewesen, sich zu motivieren. Man spürt natürlich auch die letzten Monate in den Knochen", sagte Kerber bei einem Gespräch mit Journalisten.

Angelique Kerber feuert Coach Wim Fissette

Für das letzte Turnier des wunderlichen Jahres 2018 gilt das allerdings nicht, für die WM im Stadtstaat Singapur ab Sonntag. "Ich will dort gut spielen, ich will um den Titel kämpfen. Ich habe richtig Lust auf dieses Finale", sagt Kerber - und zwar mit einem gefühlten Ausrufezeichen. Gründe dafür gibt es auch genug. Zum Beispiel den, zu zeigen, dass sie auch ganz gut als absolute Solistin auf großer Bühne zurecht kommt, ohne die Beratung des soeben gefeuerten belgischen Coaches Wim Fissette.

Aber natürlich auch den, der Spielserie noch mal einen echten Glanzpunkt aufsetzen zu können, ähnlich wie auch in Wimbledon aus der Tiefe des Raumes, in der Rolle einer eher überraschenden Siegerin. "Ich habe so ein Gefühl", sagt Kerbers Manager Aljoschs Thron, "dass wir hier so eine Trotzreaktion von ihr sehen werden."

Keine Spekulationen über den neuen Coach

Wobei dann schon zu fragen wäre: Gegen wen richtet sich der Trotz? Gegen Fissette, den entlassenen Übungsleiter? Gegen Teile der Tennisszene, die mit Unverständnis und Kopfschütteln auf den Rausschmiss des Flamen reagierten? Atemraubende Enthüllungen sind von Kerber im Vorfeld der WM freilich nicht zu erwarten, in der gemeinsamen Scheidungsvereinbarung dürfte eine beiderseitige Stillhalteklausel enthalten sein.

Kerber braucht schließlich im Countdown zu diesem Titelkampf keine schmutzige Wäsche, kein Aufrechnen, wie und wann und warum diese Trennung sich vollzogen hat. Auch für Spekulationen über den Neuen an ihrer Seite ist Kerber nicht zu haben, sie will es erst nach der WM entscheiden. Und es scheint so, als gebe es bisher auch noch keinen Favoriten oder Favoritin.

WM-Qualifikation immer ein gutes Zeichen

Die Beschwernisse auf der Zielgeraden der Saison können eins jedoch nicht verwischen: Kerber hatte ein starkes Jahr, nicht nur wegen des herausragenden und historischen Wimbledon-Triumphes. Sie spielte, mit Ausnahme der US Open, auch bei den anderen Grand Slams bis tief in die zweite Woche um den Titel mit, setzte ein Comeback nach dem Krisenjahr 2017 in Szene, das ihr niemand zugetraut hatte.

"Wenn du dich für die WM qualifizierst, musst du ein insgesamt gutes bis sehr gutes Jahr gehabt haben", sagt Kerber selbst, "ich bin schon stolz auf das, was ich gezeigt habe."

Im letzten Jahr noch in Zhuhai

So ist Kerber nun auch bei der richtigen WM angekommen, anders als 2017, als sie beim B-Championat in Zhuhai anzutreten hatte - und mißmutig früh einen Knockout erlebte. Jenes Turnier gewann dann später Landsfrau Julia Görges und zog in der Weltrangliste sogar noch an Kerber vorbei, es war eine bezeichnende Schlußdramaturgie, der Höhepunkt der Tiefpunkte.

Gerade in dieser Saison, als Wimbledonsiegerin, hätte sich Kerber nur zu gerne einmal eine WM daheim gewünscht, in Berlin, Hamburg oder München, vor den eigenen Fans. "Jammerschade" sei es, dass so eine Veranstaltung nicht in Deutschland auf die Beine gestellt werden könne, sagt sie in einem aktuellen "Focus"-Interview dazu.

Jetzt muss sie wieder, ein letztes Mal noch vor dem Umzug ins chinesische Shenzhen, in Singapur raus auf den Centre Court, im Niemandsland der Tennis-Tradition. Beflügeln kann sie sich nur selbst, auch mit dem Gedanken an die Erfolgsmission in Wimbledon: "Wenn man etwas wirklich mit aller Macht will, mit jeder Faser deines Körpers, dann schafft man es auch", sagt Kerber.