Brillanter Schlussspurt, neue Hoffnungen

Julia Görges mit dem Objekt der Begierde
© getty

Julia Görges hat mit dem Sieg in Zhuhai ihre neue Stellung als beste deutsche Tennisspielerin zementiert. Für 2018 weckt dies große Hoffnungen.

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Eigentlich hätte Julia Görges in der letzten Woche schon längst am Strand von Dubai gelegen. Der Urlaub war fix gebucht, die Auszeit von der monatelangen Tour-Tortur, das lässige, sonnige Leben in der Glitzermetropole am Arabischen Golf wartete schon auf die Profiathletin. Aber dann kam alles ganz anders. Viel besser, viel schöner, "einfach absolut perfekt", wie Görges am Abend eines denkwürdigen 5. November 2017 sagte. Es war der Tag ihres größten Karriereerfolges, der Tag des Sieges bei der B-WM im chinesischen Zhuhai - in den plötzlichen Überstunden eines Tennisjahres, das wie im Märchen endete. Auch einen Blumenstrauß und ein dickes Kompliment der gratulierenden Turnierbotschafterin Steffi Graf gab es dort in Zhuhai als nette Zugabe: "Ein großartiges Match, ein toller Abschluss für Julia", sagte die deutsche Tennislegende.

Mit einem Sieg beim Topwettbewerb in Moskau hatte sich Görges in letzter Minute die Qualifikation für die sogenannte WTA Elite Trophy erkämpft, und bei diesem Championat, unter lauter Topspielerinnen, machte sie einfach weiter mit dem Siegen und Feiern: Ohne Satzverlust holte sie den Titel, schaffte beim 7:5, 6:1-Sieg im Finale gegen die Amerikanerin Coco Vandeweghe einen bemerkenswerten Umschwung nach 2:5-Defizit in Satz eins. "Traumhafter hätte das Jahr gar nicht enden können. Es ist unglaublich", sagte Görges später, nach der offiziellen Siegeszeremonie. Was auch schwarz auf weiß stimmte: Denn so hoch wie nun auf Weltranglisten-Platz 14 hatte Görges noch nie gestanden in ihrer launischen, lange, lange Jahre äußerst unberechenbaren Karriere. "Hammergeil. Da kommt noch mehr", twitterte vergnügt die Chefin des DTB-Frauentennis, Barbara Rittner, zu dem Coup der Bad Oldesloerin.

Mut zu Reformen

Das Finale, überhaupt dieses Turnier sprachen Bände, welches Selbstbewusstsein Görges im Laufe dieser Spielzeit im Wanderzirkus entwickelt hat. Immer wieder in den letzten Jahren war die Nationalspielerin als volatile, schwer einzuschätzende Kraft im Frauentennis erschienen, eher als jemand, der das Mögliche unmöglich macht. 2011 hatte sie als erste Spielerin aus der Generation des deutschen Fräuleinwunders ein großes Turnier gewonnen, den Porsche Grand Prix in Stuttgart, doch die hohen Erwartungen danach konnte sie nie einlösen. Andere, wie Angelique Kerber oder auch Andrea Petkovic, zogen an ihr vorbei.

Erst als Görges vor zwei Jahren ihr Leben auf den Kopf stellte, ihr Tennisunternehmen radikal neu positionierte und Mut zu Reformen bewies, kam neue Bewegung in die Karriere - nach dem zuvor mittelmäßigen Stillstand. Görges beendete die Trainerjahre an der Seite von Sascha Nensel, zog nach Regensburg, in die Heimat ihres Freundes Florian Zitzelsperger. Und entschied sich für den leisen, unaufgeregten, eher dezent agierenden Michael Geserer als Coach. "Das ist wirklich zu einem Dream Team geworden", sagt Görges, "ich fühle mich wohl. Auch, weil ich mich selbst mehr einbringe in die ganze Trainings- und Planungsarbeit." Görges machte genauso wie ihr Team auch nicht den Fehler, auf den ganz schnellen Erfolg zu setzen. Das Trio verstand die Zusammenarbeit als Langzeitprojekt, als Geduldsübung. "Im Tennis wird zu oft hektisch hin und hergeschwankt. Mit Personen und Strategien. Das wollten wir nicht", sagt Coach Geserer.

Neue Stabilität

Auch das Jahr 2017 brachte lange Zeit keinen großen Knalleffekt. Aber Görges buchte regelmäßig gute Ergebnisse in ihr Arbeitszeugnis, vermied bittere Enttäuschungen und arbeitete sich langsam in der Weltrangliste hoch. In der zweiten Saisonhälfte beschleunigte sich der Aufwärtstrend, immer näher rückte Görges sogar an Angelique Kerber heran. Bis sie die Landsfrau, die das Jahr als Nummer 1 begonnen hatte, sogar mit dem stolzen Turniersieg in Moskau überholte. Nun schrieb sie diese neue Hackordnung als B-Weltmeisterin noch weiter fest, mit einem brillanten Spurt auf der Zielgeraden. Und einer Finalshow, bei der sie elf der letzten zwölf Spiele gegen Vandeweghe gewann. 21 Siegschläge, nur neun Fehler in 80 Minuten Spielzeit - es waren Symbolwerte für die neue Stabilität, die sich mit Görges´ Namen verbindet.

Mit neun Siegen in Serie geht es nun mit Verzögerung in den Urlaub. Aber auch mit dem Gefühl, dass auf einmal wieder alles möglich geworden ist im Wanderzirkus. Sechs Jahre nach der ersten Welle der Euphorie, nach den ersten großen Hoffnungen. Görges hat ihrer Karriere einen erstaunlichen Dreh gegeben, sie ist nun 2018 eine der Spielerinnen, auf die überall und immer zu achten ist. Auch schon bei den Australian Open im Januar, beim ersten Grand Slam der Saison. "Ich traue mir noch einiges zu", sagt Görges.

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