Flüchtige Hoffnung, dann das ernüchternde Aus im Fed Cup für Deutschland

Abschied nach zwei gebrauchten Tagen: Angelique Kerber in Stuttgart
© getty

Julia Görges hat die deutsche Fed-Cup-Mannschaft nach dem 0:2 am Freitag mit ihrem Erfolg gegen Karolina Pliskova wieder zurück ins Geschäft gebracht. Angelique Kerber aber hatte gegen Petra Kvitova keine Chance.

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Von Jörg Allmeroth aus Stuttgart

Es gab eine knappe Stunde in diesem Stuttgarter Halbfinale, da sah der Fed Cup auch tatsächlich wie der Fed Cup aus. Es waren, genau genommen, 55 Minuten, es war die Spielzeit, die Julia Görges brauchte, um am Sonntag den Rückstand gegen Tschechien auf 1:2 zu verkürzen. Görges spielte gegen die Weltranglisten-Sechste Karolina Pliskova auf der Höhe ihres Könnens, sie wirkte berauscht, mutig, couragiert. Und die Zuschauer in der Porsche Arena waren hin- und mitgerissen von diesem inspirierenden Auftritt der deutschen Nummer eins, es war die typische und außergewöhnliche Heimspiel-Atmosphäre, ein Feuerwerk der starken Gefühle und Emotionen.

Aber es war eben auch die große Ausnahme an diesem Wochenende, dieser Sieg, dieses Stimmungshoch - und eine deutsche Spielerin, die Selbstbewusstsein, Zuversicht und Sicherheit ausstrahlte. Görges ließ ihr Team, sich selbst und die Fans noch einmal hoffen nach dem verkorksten 0:2-Auftakttag, aber der Traum von der Wende, der Traum vom Comeback-Wunder währte nicht lange: Im vierten Einzel dieser Vorschlussrunden-Partie scheiterte Angelique Kerber frappierend klar mit 2:6 und 2:6 gegen die zweimalige Wimbledon-Königin Petra Kvitova, es war der dritte, entscheidende Punkt zum 3:1 für Tschechien, das Ende aller deutschen Sehnsüchte. Allerdings: Dieser Knockout war bei weitem unbefriedigender als das bittere, fast tragische Viertelfinal-Aus der deutschen Davis-Cup-Herren vor zwei Wochen in Valencia.

Kerber fehlt es an Überzeugungskraft

Kerber, die erfolgreichste deutsche Spielerin der letzten Jahre, war auch die unglücklichste Figur in diesem Fed Cup-Drama, auch die größte unter allen deutschen Verliererinnen. Sie versuchte zwar am Sonntag, im Augenblick der Entscheidung, alles auf dem Centre Court der Stuttgarter Porsche Arena, aber ihrem Spiel fehlte jene Überzeugungskraft, die zuvor Görges so eindrucksvoll vermittelt hatte. Mit hängenden Schultern verließ Kerber nach der Niederlage eilig die Halle, sie ließ sich zunächst nicht einmal von ihren Teamkameradinnen trösten.

Fast alle im deutschen Lager hatten vor den ersten Ballwechseln, keineswegs aus Vermessenheit, erklärt, dieses hochkarätige Halbfinal-Match gegen die starken Tschechinnen sei eine "Partie auf Augenhöhe", ein Spiel der verteilten Chancen. Doch diese Vorstellung, die Idee eines Triumphs des stärksten deutschen Teams seit vielen Jahren gegen das stärkste Team dieser Zeit, hatte sich insbesondere am Samstag als Wunschtraum entpuppt- die stimmungslosen, unspektakulären Niederlagen von Görges gegen Kvitova und von Kerber gegen Pliskova waren schließlich eine zu schwere Hypothek. Der Erstrunden-Coup der Deutschen in Weißrussland mit einem Verlegenheitsteam, er hatte große Leidenschaft, große Gefühle, eine regelrechte Euphorie produziert, aber das Halbfinale in Stuttgart, mit den zurückgekehrten Spitzenkräften Görges und Kerber, war in der Startphase blaß in jeder Beziehung. Die Tschechinnen waren sofort mit massiver Entschlossenheit in diesem Zweikampf, die Deutschen aber erschienen wie ein Team, das den Beginn verschlafen hatte.

Fehlschlag mit gravierenden Folgen

Es war, über die beiden Tage der Enttäuschung hinaus, womöglich auch ein Fehlschlag mit gravierenden Folgen für diese deutsche Frauengeneration. Denn die Chancen, die persönlichen Karriereerfolge mit einem herausragenden, historischen Teamsieg zu vergolden, werden für Akteurinnen wie Kerber und Görges immer geringer. Schon zum zweiten Mal erwiesen sich die Tschechinnen als überwältigende Spielverderberinnen in entscheidenden Momenten, erst 2014 im Prager Endspiel, nun 2018 im Halbfinale in Stuttgart. Die nächste Partie gegen die Fed Cup-Supermacht aus dem Osten Europas fände wieder auswärts statt, mit dann noch bescheideneren Siegaussichten.

Zumal sich die Frage stellt, welche Priorität die deutschen Topkräfte in Zukunft den Länderspielwochen einräumen, Kerber und Görges, 30 und 29 Jahre alt, müssen ihre Energien im auszehrenden Profigeschäft zunehmend konzentrieren, auf ausgewählte Events.

Würden die beiden Spitzenfrauen, wie schon in der ersten Runde dieser Saison, hin und wieder oder auch einmal länger auf Einsätze verzichten, stellte sich die Frage nach durchschlagenden Alternativen. Laura Siegemund, die letztjährige Gewinnerin des Porsche Grand Prix, wäre sicher eine gute Vertretung, eine Frau, die das Fed-Cup-Abenteuer mit großem Schwung und hochtourigem Kampfgeist angehen würde. Aber nach ihrer Kreuzband-Verletzung befindet sich die Schwäbin gerade erst am Anfang einer komplizierten, unwägbaren Comeback-Mission.

Witthöft und Lottner als Hoffnungsträgerinnen

Andere aus dieser Generation, wie Andrea Petkovic und Sabine Lisicki, sind in der Tennis-Hackordnung weit abgefallen, auch wegen hartnäckiger Verletzungsprobleme. Was bliebe an Vertretungspersonal, wären beispielsweise die sensationellen Punktelieferantinnen von Minsk, vom 3:2-Erstrunden-Sieg der Deutschen, also Tatjana Maria und Antonia Lottner - oder noch die Hamburgerin Carina Witthöft.

Aber an einen Fed Cup-Triumph wäre da wohl nicht zu denken, an einen Sieg wie vor zuletzt 26 Jahren mit Steffi Graf, Anke Huber und Rittner.

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