"Die Basis ist geschaffen"

Roger Federer hat seine erste Pflicht erfüllt
© getty

Ganz leicht ist es Roger Federer nicht von der Hand gegangen - am Ende hatte der Maestro aber einen souveränen Start in die ATP Finals hingelegt.

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Wenn Roger Federer 2017 in ein Turnierabenteuer hereinstartete, dann konnte man als Gegner meist schon vor den ersten Ballwechseln vor Ehrfurcht erstarren. Mit seinen 36 Jahren war der Maestro ein nimmersatter, nimmermüder Matchplayer, der Rekorde pulverisierte, ständig neue Bestmarken scheinbar für die Ewigkeit markierte und gleichzeitig wieder diese einschüchternde Aura für den Rest der Welt verbreitete. Warum die Vorrede? Weil Federer wohl auch seinen ersten Sieg bei der Londoner ATP-Weltmeisterschaft am Sonntag seiner nicht real greifbaren, aber doch ganz zweifellos existierenden Wirkkraft auf die Rivalen verdankte - ganz besonders zu erkennen in jenen wenigen Momenten, in denen sich Tennismatches auf diesem Niveau entscheiden.

Erstes Federer-Match also bei dieser WM, zweiter Satz, Tiebreak, 4:4, der Amerikaner Jack Sock kann mit eigenem Aufschlag in Führung gehen, vielleicht sogar einen Entscheidungssatz nach dem 4:6 in Durchgang eins erzwingen. Sock weiß, dass er etwas Besonderes anbieten muss in diesem Moment, einen außergewöhnlichen Aufschlag, er weiß auch um die Stärke und Qualität Federers bei den Big Points. Es kommt, wie es oft kommt für Federer und den Mann auf der anderen Seite des Netzes. Sock serviert einen Doppelfehler, es steht 4:5. Und zwei Punkte später hat Federer den Tiebreak, den Satz und das Match mit Souveränität und gewohnter Nervenstärke 6:4, 7:6 (7:4) gewonnen.

Gute Basis

Ein Auftakt nach Maß, am Ende einer Traumsaison, eines Traumcomebacks nach vorjähriger Verletzungsnot für den alten Meister. "Die Basis für ein gutes Turnier ist geschaffen. Ich bin zufrieden", sagte Federer hinterher, "der zweite Satz war ganz eng. Aber ich bin halt irgendwie durchgekommen." Federer ist kein Romantiker, er ist ein großer Pragmatiker. Und als solcher freut er sich auch über den Arbeitssieg, der glanzlos ausfällt. Aber eine besondere Veredelung erhält, weil es nun der 50. Erfolg in diesem Jahr ist, bei nur ganzen vier Niederlagen.

Wie gesagt: Wo immer dieser revitalisierte Federer derzeit auch seine Zelte aufschlägt, steht er als Erster unter nicht ganz Gleichen da - selbst wenn sein ewiger Rivale Rafael Nadal in die Rechnung einbezogen ist. Federer ist in London 2017, bei seinem schon 15. WM-Start, der einzige Spieler, der dieses Championat schon mindestens einmal gewonnen hat. Genau genommen: Sechs Mal, 2003 und 2004, 2006 und 2007, 2010 und 2011. Zehnmal stand er im Finale, nur einmal in all den Jahren blieb er in der Gruppenphase stecken, 2008 war das. Dass er am Ende dieser überraschend grandiosen Spielzeit als WM-Favorit gehandelt wird, versteht sich von selbst. Und Federer gefällt diese Rolle, so wie es ihn schon immer vorangetrieben hat, wenn er als Frontrunner in ein Turnier ging. "Wenn man hochgehandelt wird, beweist es, dass man vorher Stärke gezeigt hat. Das gibt Selbstbewusstsein, verleiht Zuversicht", sagte Federer. Man darf gespannt sein, wie sich Shootingstar Alexander Zverev in dieser Gruppe gegen Federer schlägt. Zunächst hatte der Hamburger, aktuell die Nummer 3 der Welt, am Sonntagabend allerdings seine Auftaktaufgabe gegen den Kroaten Marin Cilic zu lösen.

Verhängnisvoller Doppelfehler

Gegen den WM-Debütanten Sock musste Federer nicht die ganz große Virtuosität und spielerische Vielfalt zeigen, um den ersten Gruppensieg zu verbuchen. Er konnte sich vor allem auf einen starken Aufschlag verlassen, der Sock kaum Chancen ließ. Im gesamten Match erspielte sich der zuletzt formstarke Amerikaner keinen Breakball. Sock fightete hart, zeigte auch Courage und eine Spur Unverdrossenheit. Speziell, als er im zweiten Satz sechs Breakbälle des nicht entschlossen genug zupackenden Schweizers abwehrte. Aber dann, als es hart auf hart ging, kam der verhängnisvolle Doppelfehler im Tiebreak - und mit ihm die Niederlage.

Kann der nominell beste Spieler der Saison, der Weltranglisten-Erste Nadal den Freund und Gegenspieler Federer stoppen? Unter normalen Umständen wäre das eine eher rhetorische Frage gewesen. Doch Nadal ist wieder einmal verletzt, das Problemknie bereitet Sorgen und Schmerzen. Aber Nadal will es in jedem Fall versuchen in London, am Sonntag, bei der Verleihung der Nummer 1-Trophäe für 2017 auf dem Centre Court, kündigte er seinen Start für Montag an. Dann spielt er gegen den Belgier David Goffin.

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