Chung triumphiert in Mailand

Von Florian Heer
Hyeon Chung nach seinem beeindruckenden Start-Ziel-Sieg
© getty

Hyeon Chung ist der erste Gewinner der Next Gen ATP Finals. Vor vollen Rängen auf Mailands Neuer Messe besiegte der 21-jährige Koreaner den Top-gesetzten Russen Andrey Rublev am Samstagabend 3-4(5), 4-3(2), 4-2, 4-2. Chung blieb bei den Turnier ohne Niederlage.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Rublev musste gegen Chung bereits in der Gruppenphase am Dienstag den Kürzeren ziehen und schien sich dementsprechend viel vorgenommen zu haben. Mit einem starken Aufschlag, gefolgt von einem Urschrei Rublev's krallte sich die ehemalige Nummer 1 des Juniorenrankings einen engen ersten Satz im Tie-Break mit 7-5 nach 36 Minuten.

Ein frühes Break im ersten Spiel des zweiten Satzes für den Russen schien eine wegweisende Richtung für den Ausgang des Finals vorzugeben, aber Chung zog das Momentum im sechsten Spiel, als Rublev den Satz nicht ausservieren konnte, auf seine Seite. Nur 27 Prozent der ersten Aufschläge Rublev's fanden in diesem Durchgang ihr Ziel und folgerichtig verlor der amtierende Umag-Champion den Satz schließlich im zweiten Tie-Break des Matches.

Ice-Man Chung

Mit anhaltend stoischer Ruhe begann Chung nun seine Kreise zu ziehen und durchbrach Rublev's Aufschlag zu Beginn des dritten Durchgangs als ein Vorhand des Russen im Netz landete. Der Weltranglisten 54. gewann den Satz nach zwei aufeinander folgenden krachenden Vorhandschlägen nach knapp über eineinhalb Stunden Spielzeit.

Auch zu Beginn des vierten Satzes bewies Chung in den entscheidenden Momenten den längeren Atem und ging nach einer gewonnen 25-Shots-Rally mit einem frühen Break erneut in Führung. Nach einer Stunden und 57 Minuten war es dann soweit als Chung nach einem starken Aufschlag mit einem Cross-Court-Winner seinen dritten Matchball verwandelte.

"Ich spielte eigentlich besser als er und hatte das Match diktiert", war Rublev sichtlich verärgert. "Dann ließ ich meinen Emotionen freien Lauf und plötzlich hat sich das komplette Spiel gedreht. Er war immer da, voll konzentriert und zeigte keine Regung. Er hat bis zum Ende gekämpft. Ich habe leider vom Kopf her verloren."

Chung, erster ATP-Titelträger seines Landes seit Hyung-Taik Lee Juan-Carlos Ferrero im Finale von Sydney im Jahr 2003 niederkämpfte, muss zwar auf ATP-Weltranglistenpunkte für seinen Sieg verzichten, darf sich aber als unbesiegter Champion des Turniers über insgesamt 390.000 US-Dollar an Preisgeld freuen.

"Ich bin natürlich überglücklich, da ich es mir zu Beginn der Woche nicht vorstellen konnte hier zu gewinnen", sprach Chung nach seinem Erfolg. "Nachdem ich zu Beginn so deutlich in Rückstand geraten bin, wurde ich schon nervös. Ich habe es allerdings mit meinem Pokerface überspielt. Jetzt bleibt vielleicht noch ein bisschen Zeit mit meiner Familie und Freunden zu feiern. Darauf freue ich mich."

Spiel um Platz 3

Vor dem großen Finale musste Borna Coric das angesetzte Spiel um Platz 3 gegen Daniil Medvedev verletzungsbedingt absagen. Als anschließend auch noch Denis Shapovalov für ein ersatzweise organisiertes Showmatch nicht antreten konnte, standen sich schließlich Medvedev und Turnierdirektor Ross Hutchins mit je einem Ballkind an der Seite in einem Doppel gegenüber. Wohlgemerkt auf einem Singles Court. Die eingeführten Neuerungen lassen grüßen.

Die Sinnhaftigkeit eines solchen Matches um die Bronze Medaille ohne Treppchen darf man spätestens nach diesen Vorkommnissen ernsthaft hinterfragen, zumindest für alle Tennisevents außerhalb der Olympischen Spiele.

Am Ende war es aber lediglich ein kleiner Dämpfer für eine überwiegend erfolgreiche Premierenveranstaltung in Mailand.

Vorläufiges Ende der Experimentierphase

Mit dem Finale endet auch, zumindest vorerst, das Experiment mit den neuen Regeln. Vieles spricht aber dafür, dass einige der Neuerungen schon bald auch auf weiteren Stationen der ATP-World-Tour wieder zu sehen sein werden. Der Chef des Herrentenniszirkus kann sich jedenfalls an eine Weiterführung des Mailänder Modells gut vorstellen.

"In 10 Jahren könnte vieles von dem, was wir bei den Next Gen ATP Finals gesehen haben auch auf anderer Ebene Realität sein", ließ Chris Kermode während der Woche im Norden Italiens verlauten. Einiges vielleicht auch schon früher.

Natürlich wird nicht jede einzelne Regel von heute auf morgen umgesetzt werden, aber beispielsweise das Shot Clock-Format mit einer strikten 25-Sekunden-Regel zwischen den Ballwechseln oder auch das Player Coaching könnten schon bald auch auf ATP-World-Tour-Level Einzug erhalten.

Artikel und Videos zum Thema