Die Auswirkungen der Neuerungen

Von Maximilian Kisanyik
Borna Coric ist einer von acht Spielern bei den ATP NextGen Finals in Mailand
© getty

Die ATP NextGen Finals in Mailand sind in vollem Gange und sorgen mit den neuen Regeln für ein anderes Spielgefühl. Doch welche Auswirkungen haben die neue Regeln auf das Tennis?

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Es gibt neue Regeln. So zumindest läuft es momentan bei den NextGen Finals in Mailand ab. Die moderne Technik steht dabei vor allem im Vordergrund. Linienrichter werden durch das Hawk Eye ersetzt, den Spielern bietet sich in den Pausen die Gelegenheit mit ihrem Trainer über Headset zu sprechen und mit einem aufgestelltes Tablet an dem jeweiligen Sitzplatz des Spielers können die NextGen-Stars Daten zu ihrem Spiel abrufen. Auch eine "Shot-Clock" wurde eingeführt. Diese zählt nach Bekanntgabe des Spielstandes durch den Stuhlschiedsrichter von 25 Sekunden herunter, bis der nächste Aufschlag erfolgen muss. Sollte der Aufschläger den Ball nicht rechtzeitig wieder ins Spiel gebracht haben, bekommt dieser eine Verwarnung.

Die ganzen Neuerungen sollen dazu dienen, das Spiel dynamischer und schneller zu machen. Doch ist das wirklich sinnvoll? Manche Ideen ja, andere eher nicht.

Zum Beispiel ist die mögliche Kontaktaufnahme mit dem Coach eine tolle Gelegenheit für den Zuschauer einen Blick in die Gespräche zwischen Star und Coach zu bekommen. Das bringt Abwechslung in den Ablauf und die nötigen Tipps helfen den Spielern. Bei der WTA dürfen die Trainer sogar auf den Court kommen und die Damen aktiv coachen - warum also nicht auch bei den Männern. Daumen hoch für diese Möglichkeit. Im Gegensatz dazu steht das allmächtige Hawk Eye. Eine blecherne Stimme hallt bei einem Ball im Aus durch die Halle und ruft laut "Out". Segelt der Ball weit ins Aus bekommen die Spieler und Zuschauer gar nichts zu hören - da dieser Bereich außerhalb des Hawk-Eye-Feldes liegt. In diesem Fall muss der Stuhlschiedsrichter eingreifen und den Ball ausgeben. Diese Technik nimmt dem ganzen Spiel die menschliche Seite. Der Court wirkt durch das Fehlen der Linienrichter leerer und trister. Auch eine hitzige Diskussion über eine mögliche Fehlentscheidung ist nicht mehr möglich - aber darüber wird und muss kontrovers diskutiert werden. Dieses Thema ähnelt sehr der Einführung des Videobeweises im Fußball. Natürlich geht es in Tennismatches um viel Geld und Professionalität, aber die Emotionen gehören auch dazu.

Starke Aufschläger im Vorteil?

Auch die Sätze werden bei der Youngster-WM nur bis vier Spiele gespielt, beim Stand von 3:3 wird ein Tiebreak gespielt. Für starke Aufschläger ist dies ein willkommenes Unterfangen. Allgemein wirkt ein Fünfsatz-Match in Mailand eher wie in 800-Meter-Sprint, als ein "Marathon", wie einst Roger Federer ein herkömmliches Fünfsatz-Match betitelte. Ein Comeback in einem Satz ist beinahe unmöglich. Verliert ein Spieler sein Aufschlagspiel liegt er im schlechtesten Fall mit 0:3 zurück und kann sich nur noch in den Tiebreak retten. Die Dramatik geht dabei verloren und ein Satz wird zu schnell einseitig. Zudem kommt, dass sich die Spieler zwischen den Ballwechseln nur wenig erholen können. Die 25 Sekunden reichen nach harten und kräftezehrenden Ballwechseln nur knapp aus, dass sich der Aufschläger genug Zeit für die Vorbereitung seines Service nehmen kann. Am Premierentag bekam dieses Tempo der Russe Daniil Medvedev zu spüren, der bereits im dritten Satz mit Krämpfen zu kämpfen hatte. Möge man sich vorstellen, dass ein Rafael Nadal sich diesen 25 Sekunden unterordnen müsste, wäre der Rhythmus des Spaniers ein völlig anderer.

"No-let-Regel" macht Spaß

Die Abschaffung der Netzregel beim Aufschlag hingegen bringt positive Dynamik in das Spiel. Berührt ein Ball bei einem Aufschlag die Netzkante und fällt von da aus ins Feld, wird weitergespielt. Solche Szenen sorgen für einen Überraschungsmoment und Abwechslung. Dass sich die Spieler und auch der Schiedsrichter erst einmal daran gewöhnen müssen, konnten die Zuschauer am ersten Tag in Mailand im rein russischen Duell zwischen Medvedev und Karen Khachanov bestaunen. Stuhlschiedsrichter Carlos Bernardes rief nach einer Netzberührung "let" und unterbrach den Ballwechsel, obwohl der Ball ins Feld gesprungen war. Der Punkt wurde wiederholt und der Fauxpas mit Lachern auf den Gesichtern der Spieler wieder wett gemacht.

Um ein Résumé der ersten Matches in Italien ziehen zu können, muss differenziert werden. Zum einen bieten die ganzen Neuerungen eine Chance für ein moderneres Spiel, beinahe ohne menschliche Fehler in Sachen Hawk Eye und "Shot Clock". Doch muss auch gesagt werden, dass genau solche "Fehler" das Tennisspiel erst so attraktiv machen.

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