"Williams-Duell? Habe mich zurückgehalten"

Karsten Braasch (r.) gewann im Laufe seiner Karriere sechs ATP-Doppel-Titel
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SPOX/Tennisnet: Ihre Spielweise war von einem ziemlich speziellen Aufschlag geprägt, der im Laufe der Jahre zu einem richtigen Markenzeichen wurde.

Braasch: Nennen wir ihn einmal etwas unkonventionell. (lacht) Klar, der trug dazu bei, dass mich die Leute irgendwie mochten, weil man so einen Aufschlag nicht so häufig zu sehen bekommt. Aber am Ende zählt nur das, was rauskommt. Und die Qualität war bei meinem Aufschlag zumindest phasenweise vorhanden.

SPOX/Tennisnet: Auch der Rückhand-Slice war bei Ihnen ziemlich speziell.

Braasch: Den musste ich einsetzen, weil ich Rückhand-Topspin nicht konnte. Ich habe wirklich alles versucht. Beidhändig, einhändig - nichts hat funktioniert.

SPOX/Tennisnet: Ab 1996 ging es erstmal bergab. Warum?

Braasch: Ich hatte mir einen Bandscheibenvorfall eingefangen, musste operiert werden, fiel ein halbes Jahr aus, verlor meinen Ranglistenplatz und musste wieder in der Quali oder bei Challenger-Turnieren spielen. Mir wurde damals klar, dass ich noch härter als vorher trainieren müsste, um nochmal unter die ersten 100 zu kommen. Da ich schon fast 30 war, sagte ich mir: Ne, das ist mir zu anstrengend. Schließlich konzentrierte ich mich in den letzten Jahren meiner Karriere auf das Doppel.

SPOX/Tennisnet: Die letzte Zeit Ihrer Laufbahn war die Zeit nach Boris Becker, Steffi Graf und Michael Stich. Und damit die Zeit, in der Nicolas Kiefer herauskam, Tommy Haas mal die Nummer 2 der Welt war oder Rainer Schüttler das Finale der Australian Open erreichte - also durchaus erfolgreiche Spieler. Trotzdem hatte man den Eindruck, dass für die verwöhnten deutschen Fans und die Medien nichts gut genug war. Das war ziemlich ungerecht, oder?

Braasch: Ja, das war unfair. Rainer war mal die Nummer 4 oder 5 in der Welt, Tommy wie schon angesprochen die Nummer 2. Wenn ich der zweitbeste Sportler in meiner Sportart bin und es immer nur heißt: 'Der hat keinen Grand-Slam-Titel gewonnen, der hat hier wieder verloren' oder was weiß ich nicht alles. Man geht in Deutschland sehr kritisch mit seinen Sportlern um - nicht nur im Tennis. Man wird immer mit vergangenen Helden verglichen und kann so kaum mehr gut wegkommen. Der Sport ist und war schon immer ein schnelllebiges Geschäft. Nur ganz große Sportler wie beispielsweise Boris haben eine längere Halbwertszeit.

SPOX/Tennisnet: Apropos Becker. Ganz abgesehen von den jüngsten Meldungen über angebliche Geldsorgen hat er sich in den vergangenen Jahren in der Gunst der Deutschen durch seine Tätigkeit als Trainer von Novak Djokovic oder als TV-Experte wieder weit nach vorne gebracht. Zuvor hatte man, Stichwort Fliegenklatschenmütze, teilweise Mitleid. Wie bewerten Sie seine Entwicklung?

Braasch: Boris hat unglaublich viel Ahnung von diesem Sport. Das hat er sowohl als Djokovic-Coach als auch als TV-Experte bewiesen. Gerade als TV-Experten finde ich ihn fantastisch. Den ganzen anderen Quatsch, den er zuvor mit Pocher und so weiter gemacht hat, den braucht kein Mensch. Boris gehört einfach zum Tennis, da ist er gut aufgehoben. Das ist bei mir ähnlich. Ich will nichts anderes als Tennis und wahrscheinlich kann ich auch nichts anderes. Denn da hab ich in meinen Augen richtig Ahnung von. So ist es bei Boris auch. Er soll das machen, was er kann.

SPOX/Tennisnet: Wie war während der Karriere Ihr Verhältnis zu Becker?

Braasch: Neutral, würde ich sagen. Boris hatte immer seinen Stab mit Physiotherapeut, Bespanner und Trainer - da gab es wenig Berührungspunkte. Natürlich ist man sich mal über den Weg gelaufen und hat sich dann auch begrüßt, aber wir waren in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal gemeinsam beim Abendessen oder so. Das war mit anderen Spielern, die wie ich ohne Coach durch die Welt gereist sind, anders. Da hat man auch mal abseits des Platzes Zeit miteinander verbracht.

SPOX/Tennisnet: Das Leben auf der Tour ist besonders. Sie haben Ihre Karriere aber auch dazu genutzt, um über den Tellerrand hinauszublicken, oder?

Braasch: Ich habe es als Privileg empfunden, um die Welt reisen zu dürfen und hatte auch immer das Gefühl, dass ich gerne wiedergesehen wurde. Ich war in Ländern, in die viele andere Menschen in ihrem ganzen Leben nicht kommen. Und natürlich habe ich versucht, Land und Leute kennenzulernen. Mal zwei Tage an ein Turnier dranzuhängen, mal mit dem Leihwagen in Australien die Küste entlang zu fahren. Man muss ja nicht nur Tennisplatz, Hotel und Restaurant sehen. Das hat mir viel für mein Leben gebracht. Auch Dinge zu sehen, die mir bewusst gemacht haben, wie gut es mir geht.

SPOX/Tennisnet: An welche Situation denken Sie dabei?

Braasch: Wenn ich in Indien auf dem Weg vom Hotel zur Anlage durch einen Slum gefahren bin, dann konnte ich nur dankbar sein für das Leben, das ich führen darf. Mir ist natürlich bewusst, dass es auch in den USA oder in Deutschland Menschen gibt, denen es nicht sonderlich gut geht. Trotzdem können wir in Deutschland nur dankbar sein, vor allem wie vergleichsweise sicher wir nach wie vor leben.

SPOX/Tennisnet: Für einen Spieler wie Sie, der meist nicht zur absoluten Spitze zählte, war das Touren finanziell gar nicht so einfach. Sie haben einmal erzählt, dass es eine Saison gegeben habe, in der Sie sogar draufgezahlt haben.

Braasch: Das stimmt. Das war in dem Jahr, als ich es im Einzel nach meiner Verletzung noch einmal versucht habe und im Doppel noch nicht ganz so gut war. Ich hatte zuvor aber gut verdient und kam entsprechend gut durch. Hätte ich die ersten fünf Jahre meiner Laufbahn Minus gemacht, hätte ich wahrscheinlich aufgehört.

SPOX/Tennisnet: Wie schwierig war der Anfang?

Braasch: Da hatten einige von uns Glück, dass sie die Bundesliga im Rücken hatten. Wir erhielten von den Vereinen Geld, mit dem wir reisen konnten. Die Zeiten waren damals eben anders. Gerade in den letzten Jahren sind die Preisgelder richtig gestiegen. Für die erste Runde bei den diesjährigen French Open gab es 35.000 Euro. In Australien gab es dieses Jahr um die 130.000 für die dritte Runde. Ich stand auch mal in Melbourne in der dritten Runde - und habe 21.000 bekommen. Für die erste Runde gab es bei meinen ersten Australian Open um die 6000 Dollar. Wenn du heute unter den ersten 100 bist, verdienst du sehr gut. Ich stelle das nur fest, beklage mich in keiner Weise.