Die simple Taktik, die funktioniert, wenn nichts funktioniert

Von Marco Kühn / Tennis-Insider
Frust ist im Tennis allgegenwärtig
© getty

Mit Kartoffelsack schwerer Wut im Bauch sitzt du auf der Bank. Der Kopf und deine Schultern führen einen Wettkampf darüber, wer am meisten hängt.

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Vor Frust weißt du für einen kurzen Augenblick gar nicht, wie es im Satz überhaupt steht. Nichts von dem, was du dir vor dem Spiel vorgenommen hast, hat bisher funktioniert.

Aggressive Vorhand, wenn der Gegner zu kurz wird? Fehlanzeige! Sichere, halbhohe Rückhand mit viel Spin? Fehlanzeige! Hohe Quote beim ersten Aufschlag? Fehlanzeige! Vorhand Inside-Out, um mehr Druck auszuüben? Fehlanzeige? Zwingender Return auf den schwachen zweiten Aufschlag des Gegners? Fehlanzeige! Manchmal bist du der Hammer, aber manchmal bist du auch der Nagel. Und wenn du der Nagel bist, brauchst du eine Taktik, die den Hammer ins Leere laufen lässt.

Die Geschichte des Bergsteigers, der sein Ziel nie erreichte

Roland ist Bergsteiger aus Leidenschaft. Für ihn ist die ständige Herausforderung eine Erfüllung. Das Bergsteigen gibt ihm das Gefühl von Freiheit und Leben. Für sein großes Ziel, dass Besteigen eines bekannten Berges, nahm er sich einiges vor. Er wollte diesen Berg nicht nur einfach so besteigen, sondern möglichst schnell. Bei der Vorbereitung auf diese Abenteuer überließ er nichts dem Zufall. Er bereitete eine Liste mit all den Sachen vor, die ihm auf seinem Ziel unterstützen sollten. Jeder Zentimeter seines Rucksacks wurde genutzt, um das Ziel zu erreichen.

Die Mission begann vielversprechend. Die ersten Anstiege verliefen für Roland vollkommen nach Plan. Seine Planung schien sich auszuzahlen. Doch je mehr Meter er zurücklegte, desto schwerer wurde sein Rucksack. Roland hatte nicht seine Kraft mit eingeplant. Er hatte in seinen Vorbereitungen nie überlegt, ob er nicht zu viele Utensilien in seinem Rucksack hatte. Er ging nicht strategisch vor, sondern opportunistisch. Alles, was er gebrauchen könnte, musste mit. Dieses Denken machte seiner gesamten Mission, dem Besteigen des Berges, einen dicken Strich durch die Rechnung. Roland musste sein Ziel aufgeben, weil er sich selbst im wahrsten Sinne des Wortes zu viel auf die eigenen Schultern packte.

Auf dem Tennisplatz bist du hart zu dir selbst. Du willst neun verschiedene Schläge und Strategien spielen, zerfleischt dich selbst aber sofort, wenn drei von diesen nicht gelingen. Du nimmst dir zu viel vor und gerätst in Panik, wenn nichts von dem gelingt. In diesen Momenten brauchst du einen Plan, der dich aus diesem Sumpf rauszieht. Wichtig ist, dass dieser Plan simpel und effektiv zugleich ist. Ein sechsköpfiges Gremium, welches dich in schwierigen Fragen berät, steht dir auf dem Tennisplatz leider nicht zur Verfügung.

Verrückt ist, wer immer dasselbe tut

Wenn man emotional angegriffen ist, und dies ist man auf dem Tennisplatz sehr regelmäßig, neigt man dazu die logische Sicht auf die Dinge zu verlieren, die auf dem Platz vor sich gehen. Eine hervorragende Taktik ist es, das Gegenteil von dem zu tun, was einen in die Misere gebracht hat. Dies ist nicht nur logisch, sondern in den meisten Fällen simpel und effektiv. Und genau das sollte die Taktik ja sein, wie du ein Stückchen weiter oben gelesen hast.

Du wolltest schnell auf den direkten Punkt gehen, aber dein Gegner ist einfach zu sicher? Dann spiele weich, hoch und lang. Du wolltest nur sicher reinspielen, um dem Gegner Raum für mehr Fehler zu geben, aber dein Gegner hat den Tag seines Lebens erwischt und trifft jeden Ball? Spiel statt hoch flach und setze den Slice ein. Spiele die Vorhand schneller, ohne dabei aber die Kontrolle gänzlich aus der Hand zu geben. Dein erster Aufschlag kommt einfach nicht? Spiele den ersten als zweiten und setze auch hier den Slice ein.

Die Idee dahinter ist, dass du einen simplen Plan hast und dein Gegner sich nicht auf eine Strategie von dir festlegen kann. Für deinen Gegner wird es unangenehm sein, wenn er ständig auf andere Schläge von dir reagieren muss. Wenn du vier Aufschlagspiele sehr schnell servierst und dann auf ein geringes Tempo mit viel Slice umsteigst, wird dies deinem Gegner Aufgaben stellen.

Verrückt ist, wer immer dasselbe tut, aber immer einen anderen Ausgang erwartet. Drehe diesen Spruch von dem großartigen Albert Einstein um und verbessere deine Strategie auf dem Platz.

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