Die Angie-Quote: Gut oder schlecht?

Jubelt Kerber heute wieder?
© getty

2,28 Millionen Tennisfans verfolgten am Samstag das Damen-Finale zwischen Angelique Kerber und Serena Williams im ZDF. Ein Erfolg - oder ernüchternde Zahlen, wie einige meinen? Letztlich eine Frage der Erwartungshaltung.

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Ein Kommentar von Florian Goosmann

Kurzfristig haben sich die Mainzelmänner vom Lerchenberg das Wimbledon-Finale geschnappt, dank einer Sublizenz des Rechteinhabers Sky.

Branchendienst DWDL sprach durchaus von einem Erfolg: 2,28 Millionen Zuschauer waren im Schnitt dabei, bei einem Marktanteil von 13,6 Prozent (in der Spitze mehr als 3 Millionen und mehr als 20 Prozent). Der größte Konkurrent: das zeitgleich übertragene Fußball-WM-Spiel um Platz drei zwischen Belgien und England, das in der ARD auf 8,53 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 52,7 Prozent) kam.

Dennoch - oder gerade deshalb - sage auch ich: Die Tennis-Zahlen sind gut. Nicht aufgrund der Quoten an sich, denn aus sportlicher Sicht hätte Angie Kerber speziell in Wimbledon, dem Lieblingsturnier des einstigen Tennis-Deutschlands, mehr verdient. Sondern aus der Erfahrung der letzten Jahre. Und der entsprechenden Erwartungshaltung.

Größerer Erfolg wohl nur langfristig möglich

Außer Fußball und Wintersport holt kaum eine Sportart noch Spitzenquoten, was zum Großteil daran liegt, dass kaum etwas anderes auf den großen Sendern übertragen wird, seit die Titanen und Zuschauermagneten anderer Sportarten wie Henry Maske (Boxen), Michael Schumacher (Formel 1) oder Boris Becker (Tennis) nicht mehr aktiv sind. Aber wie kann man Sportfans gewinnen - neben den Hardcore-Fans, die ohnehin auf allen Sendern dabei sind?

Um breites Interesse an anderen Sportarten zu generieren und langfristigen Erfolg damit zu haben, müsste man langen Atem beweisen, den selbst die Öffentlich-Rechtlichen, Bildungsauftrag hin oder her, nicht haben. Denn auch dort spielt die kurzfristige Quote trotz GEZ-Gebühr eine große Rolle, auch wenn man dies öffentlich nicht eingestehen will. Spartensender haben, für ihre Verhältnisse, oft mehr Erfolg, auch dank ihrer Ausdauer (und teils günstiger Rechte-Pakete) - man denke an die Darts-WM auf Sport 1, die jährlich neue Rekorde vermeldet, übrigens ohne deutsche Teilnehmer in den Finalrunden.

Was mich überrascht hat: "Nur" 190.000 Zuschauer waren in diesem Jahr beim Kerber-Finale auf Sky dabei - viele Sky-Kunden haben offenbar trotz ihres Abos beim ZDF geschaut. Ob's an der dortigen Co-Kommentatorin Barbara Rittner lag? Letztlich ist es schade, denn was der Pay-TV-Sender zwei Wochen lang mit hoher Kompetenz und großer Leidenschaft auf die Beine gestellt hat, war großes Tennis!

Zum Vergleich: Kerbers Wimbledon-Finale 2016 schauten 350.000 Zuschauer (exklusiv) auf Sky, das Endspiel von Sabine Lisicki im Jahr 2013 kam sogar auf 600.000 Zuseher. Allerdings lief damals kein Fußball-Großereignis, zudem hatte das lächelnde Glamour-Girl Lisicki unter der Woche gleich mehrere BILD-Titelschlagzeilen im sonstigen Sommerloch gepachtet. Kerber, und das darf sie als Kompliment verstehen, überzeugt seit Jahren hauptsächlich sportlich.

König Fußball... und dann lange nichts

Gute Quoten, schlechte Quoten - die traurige Wahrheit lautet: König Fußball regiert die Welt, Sportfans an sich müssen den Anbieter ihres Vertrauens suchen. Das Gute ist: Wer Tennis schauen will, findet es. Dank Sky, DAZN, Eurosport und Co. wird aktuell mehr übertragen als zu den Tennis-Glanzzeiten der 80er- und 90er-Jahre. Und dass ein WM-Spiel zwischen Belgien und England (und vermutlich auch ein Freundschaftsspiel zwischen dem FC Bayern und dem SC Rumpelhausen) ein Vielfaches an Zuschauern findet als ein Wimbledon-Finale von Angelique Kerber? Sollte (leider) niemanden mehr überraschen.

Immerhin: Auch das dramatische Ende des vom ZDF eigentlich nicht eingeplanten Wimbledon-Halbfinals zwischen Rafael Nadal und Novak Djokovic schauten 1,55 Millionen Zuseher (Marktanteil: 12,7 Prozent). Ein kleiner, feiner Erfolg, der zeigt, dass guter Sport durchaus seine Fans finden kann - wenn er denn läuft.

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