Philipp Kohlschreiber: Tristes Aus im Achtelfinale von New York

Von Jörg Allmeroth
Philipp Kohlschreiber, US Open
© getty

Zwei Tage nach dem Überraschungscoup gegen Alexander Zverev ist Philipp Kohlschreiber bei den US Open ausgeschieden. Der Augsburger verlor gegen den früheren New-York-Finalisten Kei Nishikori (Japan) mit 3:6, 1:6, 5:7.

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War das noch der Philipp Kohlschreiber, der für den größten Tennis-Coup in der dritten US Open-Runde gesorgt hatte - mit seinem strahlenden Sieg über den nationalen Rivalen, den Jungstar Alexander Zverev? Kohlschreiber stand in der Tat am Montag auf dem harten Boden des Louis Armstrong-Stadions, er war es wirklich, der sich da zum Duell mit dem japanischen Heroen Kei Nishikori stellte.

Aber er war es eben auch nicht, er war ein ganz anderer Spieler als noch 48 Stunden zuvor gegen Zverev, ein viel schwächerer Spieler, ein überwiegend sehr verunsicherter Spieler. Er war meistenteils nur ein Schatten seiner selbst - und damit ohne jede reelle Chance, erstmals in seiner langen Tenniskarriere bei den US Open ins erträumte Viertelfinale vorzustoßen.

3:6, 1:6 und 5:7 - so lautete die frustrierende Endabrechnung in der zweitgrößten New Yorker Arena für den 34-jährigen Veteranen aus Augsburg, der erst, als es schon zu spät war, besser ins Match fand.

Am Labor Day endete die deutsche Grand-Slam-Kampagne

Nishikori konnte eigentlich von Glück reden, was sich in der brütenden Mittagshitze auf der neu erbauten Grand-Slam-Bühne ereignete: Der Finalist des Jahres 2014 hatte keinesfalls seinen besten Tag erwischt, eher einen mittelprächtigen Tag, aber Kohlschreiber spielte auf der anderen Seite des Netzes eines der weniger überzeugenden Matches des ganzen Jahres - im leider wichtigsten Moment.

"Vielleicht wollte er zuviel. Endlich einmal in die Runde der letzten Acht kommen", sagte Eurosport-Experte Boris Becker, "er wirkte blockiert." Mit Kohlschreibers Knockout war dann auch die Grand-Slam-Kampagne aller deutschen Solisten im Big Apple zum Stillstand gekommen - am amerikanischen Labor Day, dem Tag der Arbeit, waren auf einmal alle beschäftgungslos.

"Kohli" wirkte von Anfang an wie gelähmt

Kohlschreiber hatte in der Vergangenheit nicht gerade gegen Laufkundschaft in vier zurückliegenden US-Open-Achtelfinalmatches verloren, Nadal, Federer und Djokovic waren etwa seine Rivalen. Spieler, die einfach eine Hausnummer zu groß waren für den Bayern, auch wenn der sich oftmals tapfer und couragiert verteidigte.

Nishikori indes gehört im Moment nicht zur absoluten Weltspitze, er ist wieder einmal nach Verletzungspausen auf dem Weg nach vorn, er bastelt an einem seiner werweißwievielten Comebacks herum. Kohlschreiber witterte daher zurecht eine realistische Chance, den Fluch der Achtelfinal-Niederlagen zu beenden - aber diese verlockende Möglichkeit vor Augen, wirkte Kohlschreiber von den ersten Ballwechseln und Minuten an gelähmt.

Und so verkrampft, dass sich rasch die Zahl der unerzwungenen Fehler in den zweistelligen Bereich bewegte. Kohlschreiber raufte sich selbst immer wieder die Haare, welche Irrtümer ihm unterliefen - er fand keinen Rhythmus, kein Selbstbewusstsein, keine Sicherheit.

Becker: "Kohlschreiber war erst auf der Zielgeraden ein härterer Gegner"

Nishikori werde ein "unangenehmer Zeitgenosse" sein, einer, der einen mit "hoher Aggressivität in Schwierigkeiten bringen kann", hatte der Deutsche vor dem Spiel gesagt. Doch so wie Zverev im deutschen Duell gegen Kohlschreiber sich selbst der größte Gegner war, hatte nun auch Kohlschreiber am meisten mit Kohlschreiber und nicht mit Nishikori zu tun - der Japaner war so allenfalls zu solider Handwerkskunst, aber keinesfalls zur Preisgabe seines ganzen Könnens gezwungen und aufgefordert.

"Du kannst gegen Nishikori verlieren, auch an einem guten Tag", befand Becker, der Herren-Abteilungsleiter des DTB, "aber Kohlschreiber war erst auf der Zielgeraden ein härterer Gegner." Mangelnde Kampfkraft war dem 34-jährigen dabei nicht vorzuwerfen, im letzten Satz fightete er sich sogar nach einem 3:5-Defizit zurück.

Das Achtelfinale war ein versöhnliches Ende des Grand-Slam-Jahres

Der Achtelfinaleinzug war immerhin ein versöhnliches Ende für Kohlschreibers Grand-Slam-Jahr. In Australien und in Paris war er gleich zum Auftakt trostlos ausgeschieden, in Wimbledon verpasste er mit dem Drittrunden-Aus den Vorstoß in die zweite Turnierwoche.

Kaum einer hatte ihm in New York Großtaten zugetraut, zumal nach einem durchwachsenen Tennissommer. Aber dann war er noch einmal auf seine alten Tage der letzte Deutsche in einem der großen Wettbewerbe, eine nicht ganz kleine Genugtuung für den Routinier.

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