Die nächste große Wendung: Alexander Zverev als Überlebenskünstler in Paris

Von Jörg Allmeroth
Alexander Zverev kämpft sich ins Achtelfinale in Paris
© getty

Alexander Zverev hat den nächsten großen Kampf bei den French Open überstanden und steht im Achtelfinale. Mit seinem Kampfeswillen mutiert der 21-Jährige zum Überlebenskünstler in Paris.

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Jörg Allmeroth aus Paris

Es muss schon etwas Besonderes passieren, damit Alexander Zverev senior Gefühle zeigt. Der Vater und Trainer des deutschen Tennisstars verzieht eigentlich keine Miene am Spielfeldrand, er gilt als ausgewiesenes Pokerface. Doch am Freitagnachmittag war auch Papa Zverev kaum noch zu halten und zu bremsen, immer wieder schrie er in den letzten Minuten mit hochrotem Kopf Kommandos auf den Pariser Centre Court.

Dort kämpfte sein Sohn einen schweren French Open-Drittrundenkampf, gegen den trickreichen, giftigen, quirligen Damir Dzumhur (Bosnien-Herzegowina). Und manchmal auch gegen sich selbst, gegen die in den Kopf kriechenden Ängste und Zweifel, gegen die Aussicht, womöglich doch schon wieder vor der alles entscheidenden zweiten Grand Slam-Woche zur Zuschauerrolle verdammt zu sein.

Es war eine emotionale Berg- und Talfahrt, in der alle Höhen und Tiefen ausgelotet wurden. Aber Vater und Sohn Zverev und der Rest der Tennisfamilie, sie alle hatten schließlich nach drei Stunden und 54 Minuten allen Grund zum Jubeln: Der Weltranglisten-Dritte, auf dem Papier aber der erste Herausforderer von Rafael Nadal in Paris, siegte nach Abwehr eines Matchballs mit 6:2, 3:6, 4:6, 7:6 und 7:5 gegen Dzumhur und zog damit erstmals ins Achtelfinale der Offenen Französischen Meisterschaften ein.

Zverev: "Es war ein verrücktes Match"

"Es war ein verrücktes Match. Ich bin einfach nur glücklich, durch zu sein", sagte der restlos erschöpfte Hamburger. Direkt nach dem verwandelten Siegpunkt hatte Zverev nur müde die Hand in den Himmel gereckt, ein ausgezehrter Fighter, der schon zum zweiten Mal binnen 48 Stunden ein denkwürdiges Comeback auf den Sandplätzen unterm Eiffelturm hingelegt hatte.

Schon in der zweiten Runde hatte Zverev einen 1:2-Satzrückstand gegen den Serben Dusan Lajovic wettgemacht, nun kam er nach einem 2:4-Defizit im vierten Durchgang und einem Matchball Dzumhurs in Akt Nummer 5 des Grand Slam-Dramas auf den Erfolgsweg zurück. "Ich bin eigentlich ruhig geblieben, habe mich fast immer Punkt für Punkt konzentriert", sagte Zverev später. Er trifft jetzt entweder auf den Lokalmatador Lucas Pouille oder den Russen Karen Khachanov.

Am Ende der Partie war auch der große Impresario Ion Tiriac auf den Hauptplatz der Pariser Grand Slam-Feierlichkeiten gekommen, er hat dort einen ewigen Stammplatz in der eigenen Loge. Beim Madrider Masters vor knapp einem Monat hatte Tiriac gemeinsam mit Boris Becker den Siegerpokal an Zverev überreicht, es war dessen strahlendster Moment in dieser starken Sandplatzsaison.

Zverev nimmt den Kampf an

In Paris sah Tiriac allerdings einen anderen Zverev, nicht so souverän und dominant wie bei fast allen Auftritten vor den French Open. Sondern einen Zverev, der vor allem damit beschäftigt war, sich irgendwie durchzubeißen gegen einen komplett unbequemen Gegner. Der Deutsche musste ackern und rackern im Sand, er musste ungezählten Stoppbällen hinterherlaufen, es war eine jener gefürchteten Zermürbungsschlachten - ein schweres Abnutzungsduell, das an die Substanz und Psyche ging.

Zverev beherrschte die Partie, dann verlor er die Kontrolle, auch durch Leichtsinn und mangelnden Biss. Dann, als er über dem Abgrund balancierte, im vierten Satz, war die Entschlossenheit, der Überlebenswille, wieder da. Und mit dieser Charakterstärke auch wieder die Chance, weiter im großen Spiel zu bleiben.

Zverevs erster Sieg gegen einen Top 50-Spieler auf Major-Niveau war mit dem 2:2-Satzausgleich allerdings noch längst keine beschlossene Sache. Dzumhur zeigte sich ungerührt, auch als Zverev zum 3:1 im letzten Satz weg zog. Der Mann vom Balkan glich aus, hatte sogar einen Matchball. Aber den wies Zverev bei 4:5 mit einem mächtigen Aufschlag zurück.

Grand-Slam-Abenteuer geht weiter

Vom jüngeren Zverev, der in kritischen Momenten schon mal vollends die Nerven verlor, umher brüllte und Schläger über den Platz feuerte, war ganz und gar nichts zu sehen. So schaffte der coole neue Zverev dann auch erst die 6:5-Führung mit einem Break und durfte dann zusehen, wie Dzumhur beim ersten Matchball eine Vorhand weit ins Aus setzte. "Es war ein Augenblick mit tiefer Erleichterung. Ich dachte nur: Es ist vorbei", sagte Zverev hinterher in einem TV-Interview.

Dort, wo er noch im letzten Jahr eine weitere Erstrundenpleite bei einem Grand Slam-Turnier kassiert hatte - auf dem Centre Court gegen den Spanier Fernando Verdasco - gelang ihm nun sein größter French Open-Triumph. Das Grand Slam-Abenteuer Zverevs geht in die Verlängerung.

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