Der Neue an ihrer Seite: Einer, der jahrelang gegen Kerber coachte

Erfolgsgespann: Angelique Kerber mit ihrem neuen Coach Wim Fissette
© Jürgen Hasenkopf

Unter seiner Führung ist Angelique Kerber 2018 noch ungeschlagen. Neu-Trainer Wim Fissette hat den Höhenflug der ehemaligen Nummer eins der Welt entscheidend mitgestaltet.

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Seine neue Chefin kannte Wim Fissette schon bestens, lange vor dem ersten gemeinsamen Arbeitstag im letzten Spätherbst. Fissette saß ja über viele Jahre im gegnerischen Lager, er musste für frühere Arbeitgeberinnen die richtigen Strategien gegen Angelique Kerber entwickeln, etwa, als er in Diensten von Simona Halep, Viktoria Azarenka, Johanna Konta oder auch Sabine Lisicki stand.

"Ich hatte einen genauen Plan, woran ich mit Angie arbeiten wollte und würde", sagt der 37-jährige Belgier, ein jugendlicher Coach, der bereits in sehr jungen Jahren als Übungsleiter herausragende Erfolge vorzuweisen hatte. Nicht zu vergessen: Fissette war gerade 29 Jahre alt, als er an der Seite seiner belgischen Landsfrau Kim Clijsters half, deren faszinierendes Comeback zu inszenieren. 2009 holte Mama Clijsters wie aus dem Nichts den US-Open-Titel, und Fissette jubelte auf der Tribüne mit.

Angie 2.0

Eine lange Anlaufzeit haben Kerber und Fissette nun auch nicht gebraucht, um eine erstaunliche Rückkehrmission auf den Centre Court zu zaubern. Bei den Australian Open wirkt die ehemalige Weltranglisten-Erste drahtiger, zäher, wendiger und fitter als je zuvor - die durchschlagende Wirkung war schwarz auf weiß verbrieft: Bis zum schwer erkämpften Viertelfinaleinzug durch einen 4:6, 7:5, 6:2-Entfesselungsakt gegen die Taiwanesin Su-Wie Hsieh hatte die 30-jährige Kielerin noch kein einziges von 13 Saisonmatches verloren und zwischenzeitlich auch schon einen Turniererfolg in Sydney gefeiert.

Und eins war, vor allem anderen, zu sehen: Kerbers langjährige Schwäche, der zu langsame, oft nicht dynamische und selbstbewusste Aufschlag, war schlicht keine Schwäche mehr. Er hatte sich, im Gegenteil, zu einem Pluspunkt entwickelt, zu einem mitbestimmenden Faktor, um Matches zu gewinnen.

"Als wir uns das erste Mal zusammensetzten und über die gemeinsame Arbeit sprachen, habe ich klar gemacht, dass wir am Aufschlag etwas richtig verändern müssen", sagt Fissette, "schließlich ist das der einzige Schlag im Tennis, den der Gegner nicht beeinflussen kann." Auch im Viertelfinalduell mit der Amerikanerin Madison Keys wollte Kerber druckvoll servieren und auch ansonsten mit dem Selbstvertrauen ans Hand-Werk gehen, das ihr der ideale Saisoneinstieg verliehen hat.

"Ich bin einfach nur sehr zufrieden, wie ich wieder Tennis spiele", sagt Kerber, "das letzte Jahr ist aus meinem Gedächtnis verschwunden." Fissette, der neue Mann an ihrer Seite, sei dabei ein wertvoller Impulsgeber gewesen: "Es war wichtig und richtig, eine neue Stimme hören zu können." Eine gut verständliche, ganz nebenbei, denn auch: Denn Fissette spricht auch flüssig Deutsch, es gibt keinen komplizierten Kommunikationsaufwand.

Naheliegendes "Bauchgefühl"

Fissette war in Deutschland vor allem als Coach von Sabine Lisicki bekannt geworden. 2013 führte die Kooperation mit dem engagierten Belgier zum Wimbledon-Finaleinzug der Berlinerin, allerdings endete das Arbeitsverhältnis dann schon im Herbst jener Saison, angeblich wegen "unterschiedlicher taktischer Auffassungen." Fissettes Reputation blieb stets unbeschädigt in den typischen Wechselspielchen, denen auch er in der launischen Damentennis-Branche ausgesetzt war.

Er gilt weithin als Mann, der noch jeder seiner Chefinnen einen signifikanten Aufschwung bescherte und für spielerischen Fortschritt sorgte. Es sei ein "Bauchgefühl" gewesen, Fissette zu wählen, sagt Kerber, aber es war natürlich auch eine sehr naheliegende Personalentscheidung nach der Trennung von Langzeitbegleiter Torben Beltz. Schließlich sind nicht viele Trainer mit vergleichbarer Biographie und Meriten auf dem Markt.

Fissette weiß, woran er in den nächsten Wochen und Monaten ansetzen muss, um das Comeback Kerbers in der Weltspitze auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. "Angie ist eine absolute Künstlerin in der Defensive. Aber sie kann und muss sich noch mehr Angriff zutrauen. Sie hat alles, um die Matches auch selbst klar zu bestimmen", sagt Fissette, "das Nahziel ist nun, wieder in die Top Ten zu kommen."

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