Zermürbungskünstlerin Caroline Wozniacki am Ziel aller Träume

Große Ehre für Caroline Wozniacki
© getty

Es ist ein Traum, der in Erfüllung geht. Caroline Wozniacki hat in Melbourne ihre Grand-Slam-Titeldürre beendet. "Ich war sogar fast so weit, mit dem Tennis aufzuhören", sagt die Dänin nach ihrem märchenhaften Comeback.

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Eigentlich musste es dieses Mal gut gehen. Jedenfalls und irgendwie nach dieser kleinen, nicht unbedeutenden Vorgeschichte zum großen Sieg. Es war in der zweiten Turnierrunde der Australian Open, das Turnier nahm gerade ein wenig Fahrt auf, da blickte Caroline Wozniacki hinunter in den Abgrund.

Im dritten Satz ihres Matches gegen Jana Fett (Kroatien) lag sie weit abgeschlagen zurück, aussichtslos wäre fast noch eine Untertreibung für ihre Perspektive beim 1:5, 15:40-Defizit, bei zwei Matchbällen ihrer Gegnerin. Aber Wozniacki kämpfte sich Punkt für Punkt, Spiel für Spiel zurück in diesem Duell, sie kämpfte sich zurück ins Grand-Slam-Leben in Melbourne. Sie gewann ein Spiel, das sie nicht mehr gewinnen durfte.

Erfolgreich am Abgrund balanciert

Und zehn Tage nach diesem ebenso bemerkenswerten wie wundersamen Comeback hatte sie auf einmal auch das größte aller Rätsel gelöst, die größte aller Herausforderungen im Profitennis gemeistert - sie war zur Grand-Slam-Königin geworden, im 43. Versuch bei einem der vier herausragenden Wettbewerbe. Der 7:6, 3:6, 6:4-Sieg über die Rumänin Simona Halep, überhaupt aber der ganze Auftritt Down Under war Ausdruck und Spiegelbild der Karriere von Wozniacki - ein Dokument ihrer absoluten Unermüdlichkeit, ihrer Leidenschaft und Willenskraft.

Der Attitüde, niemals, absolut niemals aufzugeben, selbst wenn sich vieles, manchmal sogar alles gegen einen verschworen hat. "Ich bin durch viele Höhen und Tiefen marschiert. Ich war fast so weit, mit dem Tennis aufzuhören", sagte Wozniacki am Abend ihres Triumphs, der auch und vor allem ein Triumph über die Zweifler und die Selbstzweifel war.

Wozniacki erklomm in der schönsten Stunde ihrer Karriere, am Ende der Titeldürre, auch wieder Platz 1 der Weltrangliste, es passte ins Bild einer Grand-Slam-Nacht, die Vergangenes verschloss und neue Möglichkeiten eröffnete. Die Vergangenheit? Zu ihr gehörte vor allem der ewige Makel, ganz oben in der Weltrangliste zu stehen und nie ein Grand-Slam-Turnier gewonnen zu haben.

Die ganz junge Wozniacki war für ihre heitere Unbeschwertheit gefeiert worden, auch als "attraktives Showgirl" (Daily News New York) mit ansteckender Gute-Laune-Mentalität, doch als die ganz großen Erfolge auf großen Bühnen ausblieben, wurde sie schnell wieder fallen gelassen - "wie eine heiße Kartoffel" nach Wozniackis eigenem Eindruck.

Bemüht um Anerkennung

Das Geraune, das Mäkeln und Nörgeln ließen die Dänin nicht kalt. Als ihr, der Nummer 1 seinerzeit, bei den Australian Open 2011 zu Ohren kam, dass ihre Pressekonferenzen offenbar zu langweilig seien, erfand sie schlicht die Geschichte, wie sie einem verletzten Känguruh-Baby in einem Wildpark helfen wollte - und dabei einen "ganz schönen Kratzer" abbekommen habe. Die Schummelei hatte nicht allzu lange Beine, zerknirscht musste die um Unterhaltsamkeit bemühte Blondine eingestehen, alles sei "bloß ein Witz" gewesen.

Es war dann ohnehin bald Schluss mit Lustig. Aus weit falscheren Gründen. Wozniacki verlor nicht nur die wichtigen Spiele, sie erlebte auch bitteres Verletzungspech, durchlitt eine schwere private Krise nach der abgeblasenen Hochzeit mit Stargolfer Rory McIlroy. In der Weltrangliste war sie nur noch im Mittelbau beheimatet, rutschte weiter ab. Schlagzeilen machte sie fast mehr, als sie für wohltätige Zwecke beim Marathon durch die Häuserschluchten New Yorks rannte.

Erst 2016 rückte sie wieder als gefährliche Tennis-Wettkämpferin ins Bewusstsein, das war, als sie im Halbfinale der US Open gegen ihre Freundin Angelique Kerber antrat, die spätere Championesse. Wozniacki war damals die Nummer 74 - und Kerber die Nummer 1.

Verteidigungskünstlerin

Nun ist Wozniacki die Beste, schwarz auf weiß. Nach einem imponierenden Comeback-Märchen, nach diesem langen und komplizierten Marsch durch die Tennis-Institutionen. "Es ist ein Traum, der wahr wird. Auf diesen Moment habe ich eine kleine Ewigkeit gewartet", sagte die 27-jährige nach dem Melbourne-Coup.

Wozniackis Sieg kommt in einem Moment, in dem das Damentennis von Spielerinnen beherrscht wird, die überwiegend meisterlich verteidigen und in immer längeren, immer auszehrenden Matches auf Zermürbungstaktik setzen. Wozniacki ist sozusagen die effektivste unter jenen, die in der Defensive auf nadelstichartige Attacken setzen und so punkten. Sie hat ihre Konterattacken perfektioniert, ist aber natürlich auch die Totrennerin geblieben, das Ausdauerwunder. Die Frau, die auch unverzagt weiter und weiter auf flinken Beinen unterwegs ist, selbst wenn nach fast drei Stunden jeder Knochen, jeder Muskel zu spüren sein sollte.

"Ich bin einfach nur stolz auf Dich, mein Mädchen", kabelte Freundin Serena Williams aus der Heimat und ihrer Noch-Tennispause herüber. Ganz nebenbei: Auch das passte ins ideale Bild, für Wozniacki - die Abwesenheit der Dominatorin, deren letztmaliger Verzicht auf die Rückkehr aus der Schwangerschaftspause. Schon beim Fed Cup im Februar wird Williams wieder im Einsatz sein, die Grand-Slam-Siegerin Wozniacki kann das aber nicht stören.

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