Kerber - Das Glück des schweren Sieges

Angelique Kerber ist auf Kurs Titelverteidigung
© getty

Angelique Kerber hätte den Einzug in die zweite Runde der Australian Open 2017 schneller klarmachen können - am Ende zählt aber nur das positive Resultat.

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Alles hätte ganz schnell vorbei sein können. Geräuschlos, in zwei Sätzen, ohne große Anstrengung, ohne Nervenkitzel, ohne Thrill. Aber wahrscheinlich wäre Angelique Kerber dann nicht ganz zufrieden gewesen. Jedenfalls nicht so, wie sie es nach ihrem unfreiwilligen, indes nicht ganz unwillkommenen Gastspiel als Drama-Queen war - am Ende ihres ersten, langen Arbeitstages in Melbourne, nach ihrem ersten Grand Slam-Spiel überhaupt als amtierende Nummer eins des Wanderzirkus. "Ich bin froh, dass ich ein wirkliches Match hatte", sagte Kerber (28) zufrieden nach ihrem mühsamen, teils schwerfälligen 6:2, 5:7, 6:2-Erfolg gegen die Ukrainerin Lesia Tsurenko. Das mochte jenseits der besonderen Sphäre von Weltklasse-Tennisspielern paradox klingen, ist aber für die Stars der Branche nur logisch: Denn über harte, aufreibend gewonnene Erstrunden-Matches lässt es sich - gerade zu Saisonstart bei den Australian Open - leichter in den typischen Grand Slam-Modus finden, in die für große Ambitionen nötige Intensität und Leidenschaft.

"Als es eng wurde, habe ich richtig Kampfgeist gezeigt", sagte Kerber, die im zweiten Durchgang sogar einen Matchball ausließ, "Das gibt nun gutes Selbstvertrauen für die nächsten Runden." Auch für das schwere und durchaus knifflige Zweitrunden-Match gegen die 21-jährige Carina Witthöft (7:5, 7:6 gegen die Japanerin Hozumi), mit der sie vor ein paar Tagen noch zusammen auf dem obligatorischen Gruppenfoto der deutschen Tennisfrauen in Melbourne posiert hatte. Melbourne posiert hatte. Kiel gegen Hamburg - dieses Duell der beiden Nordlichter gab es schon zwei Mal, jeweils auf Grand Slam-Niveau, 2015 und 2016 in Wimbledon. "Richtig aufpassen" müsse sie da, sagt Kerber, "Carina ist eine gefährliche Gegnerin. Aber für mich ist es wichtig, sich auf sich selbst zu konzentrieren." Kerber weiß, wovon sie redet: Letztes Jahr, im All England Club, musste sie Witthöft in einem knüppelharten Drittrunden-Fight niederringen, bei dem sie den ersten Tiebreak-Satz so eben mit 13:11 gewann.

Eine aus der nächsten Generation

Witthöft gehört schon zur Gruppe von Spielerinnen, die hinter der goldenen deutschen Generation mit Frontfrau Kerber auf ihre Karrierechancen lauert - sie könnte nach Kerbers Absage auch ins deutsche Fed Cup-Team aufrücken, das im Februar auf Hawaii gegen die USA spielt. "Eine tolle Herausforderung" sei die Partie gegen Kerber, sagt Witthöft, "es ist immer schön, gegen die Nummer eins der Welt zu spielen. Erst recht, wenn die auch noch aus Deutschland kommt." Neben Kerber und Witthöft rückten noch zwei weitere deutsche Spielerinnen in die zweite Runde vor: Julia Görges, die 3:6, 6:3 und 6:4 gegen die Tschechin Siniakova gewann. Und Mona Barthel, die 6:3 und 7:6 gegen die Australierin Aiava siegte. Ausgeschieden sind dagegen Annika Beck (4:6 und 5:7 gegen die Australierin Barty) und Laura Siegemund, die deutsche Nummer 2. Sie verlor in einem hart umkämpften Match gegen die frühere Weltranglisten-Erste Jelena Jankovic (Serbien) mit 1:6, 6:1 und 4:6.

Und Kerber? Natürlich dachten bei ihrer Achterbahnfahrt alle, sie selbst eingeschlossen, an die Turbulenzen vor Jahresfrist in Melbourne. Damals hatte Kerber einen Matchball gegen die Japanerin Misaki Doi abwehren müssen, bevor sie die Auftaktpartie und dann noch einigermaßen unglaublich das ganze Turnier gewann. "Als ich im zweiten Satz den Matchball vergab, dachte ich: Passiert das jetzt genau umgekehrt", sagte Kerber später über den Moment, in dem sie den leichten Sieg vergab und in die Strafrunde einer Extraschicht musste. 6:2 und 5:3 hatte die Nummer eins geführt, den Siegpunkt nicht genutzt, das Break zum 4:5 kassiert und schließlich auch noch drei weitere Spiele zum 1.1-Satzausgleich vergeben - das sorgte erstmal für heftigen Frust bei Kerber, die wutentbrannt ihren Frust hinauf in ihre Box schleuderte: "Ich mache hier soooo viele Fehler."

Lob von Becker

Sollte Kerber 20 Jahre nach dem Sturz eines deutschen Australian Open-Titelverteidigers, 20 Jahre nach dem Erstrunden-Knockout von Boris Becker gegen den jungen Carlos Moya ähnliches Ungemach drohen? Die Antwort gab Kerber sich und ihren Fans mit einer trotzigen, beseelten Vorstellung im Entscheidungssatz, allerdings begünstigt auch durch abbauende Kräfte der zuletzt oft verletzten Tsurenko. "Sie hat bekommen, was sie unbedingt wollte: Einen schwierigen, mutmachenden Sieg", gab TV-Experte Becker hinterher zu Protokoll, "und nichts zählt mehr an einem Tag wie diesem als ein Sieg." Kerber konnte das nur unterstreichen, mit gefühlt drei, vier Ausrufezeichen: "Du hast immer diese Ungewissheit vor dem ersten Grand Slam-Spiel. Und Druck", so die Kielerin, "deshalb bin ich jetzt wirklich glücklich über diesen Start, über diesen Tag."

Hier die Auslosungen und Ergebnisse der Australian Open: Einzel, Einzel-Qualifikation.

Hier der Spielplan.

Angelique Kerber im Steckbrief

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