Andrea Petkovic – „Sportler sind mir nicht geheuer“

Die 29-jährige Deutsche spricht im großen „SZ“-Interview über ihren Traummann und erklärt, warum ihr die Kollegen/innen schon mal „den Vogel“ zeigen.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 18.10.2016, 16:59 Uhr

Andrea Petkovic

DassAndrea Petkovickein „08/15-Profi“ ist, dürfte jedem aufmerksamen Beobachter der Szene seit langem bekannt sein. In einem sehr persönlichen Interview mit dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ erklärt die Darmstädterin, woher dieses Image kommt. Sie sei keine „typische Tennisspielerin“, eher eine Intellektuelle, „das ist das, was andere über mich sagen.“ Mit ihrem großen Interesse an schwerer kultureller Kost steht sie auf der Profi-Tour jedoch zumeist alleine da, wie die Weltranglisten-57. mit einigen amüsanten Anekdoten unter Beweis stellt. Als sie ihrer FreundinAna Ivanovicdas anspruchsvolle Buch „Unendlicher Spaß“ von David Foster Wallace empfohlen hatte, reagierte diese nach kurzer Lektüre mit einer eindeutigen Geste an den Kopf. AuchFeliciano Lopezsei nach einem speziellen Kinobesuch extrem genervt gewesen.

In den folgenden Interview-Auszügen lest ihr, warum „Petko“ wohl auch aufgrund dieser Erfahrungen wenig Lust auf eine Sportler-Beziehung verspürt. Zudem spricht die ehemalige French-Open-Halbfinalistin darüber, „warum die Tenniswelt für sie nicht mehr ganz so glamourös ist, wie sie es am Anfang war“ und vieles mehr…

Andrea Petkovic über ...

… ihre „zerissene Seele“:

„Ich kann mich erinnern, dass ich mich als Kind nie zugehörig gefühlt habe. Wenn mich früher in der Schule jemand nach meinem Namen gefragt hat, habe ich ,Andrrrrea’ geantwortet und dasR’ dabei gerollt. Die Leute dann gleich: ,Hä, woher kommst du denn?’(ihre Eltern sind vor dem Jugoslawienkrieg nach Darmstadt geflohen, als Petkovic sechs Monate alt war; Anmerkung)Ich war nicht beim Logopäden, aber irgendwann habe ich mir abgewöhnt, dasR’ zu rollen. Wenn man genau hinhört, merkt man, dass ich es heute hinten noch ein bisschen gurgle. Damals in der Schule war mir das extrem unangenehm. Meine Eltern haben immer gesagt: ,Fall’ bloß nicht auf. Wir sind hier neu.’“

… Freundschaften auf der Tour und ihr gutes Verhältnis zuAngelique Kerber:

„Bei den meisten musst du im Hinterkopf behalten, dass sie auch Konkurrentinnen sind. Du musst aufpassen, dass du nicht zu viel teilst. Da gibt es immer eine Schranke. Bei ,Angie’ und mir ist das anders. Wir haben alles zusammen durchgemacht. Deutsche Meisterschaften, die kleinen Turniere, als wir noch kein Geld hatten und uns Zimmer geteilt haben mit noch drei, vier anderen. Selbst wenn ich gegen sie spiele, ist diese Schranke weg. ,Angie’ hat mich auch schon in Darmstadt besucht, so was ist selten. Aber es gibt viele Spieler, mit denen ich mich gut verstehe und mit denen ich gerne rumblödle, Ana Ivanovic oderNovak Djokovic.“

… die Kunstbanausen Ana Ivanovic und Feliciano Lopez:

„Einmal habe ich Ana ,Unendlicher Spaß’ von David Foster Wallace empfohlen. Sie hat es tatsächlich gekauft und die ersten zwanzig Seiten gelesen. Anschließend hat sie mir den Vogel gezeigt: ,Was für ein Scheiß!’ Sie habe kein Wort verstanden. Neulich habe ich dann meinen spanischen Kollegen Feliciano Lopez gezwungen, mit mir ins Kino zu gehen. ,A Bigger Splash’ mit Tilda Swinton haben wir uns angeschaut. Er war so genervt! Seither habe ich es aufgegeben. Mit ,Angie’ Kerber gehe ich manchmal zusammen in die Stadt, wenn wir zur selben Zeit irgendwo spielen. Ich gehe dann ins Museum, und ,Angie’ macht was anderes.“

… das Thema Ängste und Schwächen unter den Profis:

„Die meisten Gespräche sind schon eher oberflächlich: ,When did you arrive? – Oh, I am so jetlagged! – Who are you playing against? – How do you feel?’(frei ins Deutsche übersetzt: Gespräche über Ankunft, Jetlag, kommende Gegner und allgemeine Befindlichkeiten; Anmerkung)Mit manchen kann man beim Bier schon mal offen über Nervosität sprechen. Über Niederlagen spricht aber eigentlich niemand. [...] Wir leben in einer kleinen, sehr behüteten Blase. Immer dieselben Kollegen, immer dieselben Journalisten. Wenn deine Klamotten dreckig sind, drückst du sie jemandem in die Hand, und am nächsten Tag bringt er sie sauber wieder. Die Tenniswelt ist für mich auch nicht mehr ganz so glamourös, wie sie es am Anfang für mich war. Alles Große schrumpft irgendwann.“

… Beziehungen zu Sportlern und den Zeitpunkt des Rücktritts:

„Ich bin seit fünf Jahren Single. Die männlichen Profis haben ihre Ehefrauen, die überallhin mitreisen. Für Frauen ist es schwierig. Viele sind mit anderen Sportlern zusammen, mit ihrem Trainer oder ihrem Physio’. Das wäre keine Option für mich. Ich war noch nie an Sportlern interessiert. Das ist mir nicht geheuer. Dann bist du noch mehr in dieser Blase drin. […] Ich denke immer öfter darüber nach(über das Karriereende; Anmerkung). Ich weiß auf jeden Fall, dass ich weiter reisen will. Ich sehe mich als Wandervogel. Ich fühle mich überall schnell zu Hause. Ich will nicht an einem Ort sein. Zwei Jahre Paris. Zwei Jahre New York. Zwei Jahre Montreal. Und Tokio! Vielleicht gründe ich eine Produktionsfirma für Filme. Olympia in Tokio 2020 will ich noch erleben. Aber fragen Sie mich nächstes Jahr noch mal. Ich bin da volatil wie eine Aktie.“

Hier geht es zum kompletten Interview – sehr lesenswert!

von tennisnet.com

Dienstag
18.10.2016, 16:59 Uhr