tennisnet.com Kolumne

Über Florian Mayer und Tennis im ZDF

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 19.06.2016, 20:47 Uhr

HALLE, GERMANY - JUNE 19: (L-R) Alexander Zverev of Germany, Florian Mayer of Germany, Hannelore Kraft, SPD, prime minister of the German state of North Rhine-Westphalia and tournament director Ralf Weber pose for photograoher during the final day of...

Der Sieg von Florian Mayer in Halle - eine Geschichte, wie man sie sich nicht besser hätte ausdenken können. Und eine, wie sie nur der Sport schreibt: Mayer, der ob seiner zwei Viertelfinal-Teilnahmen in Wimbledon (2004, 2012) als "Gras-Hüpfer" bekannt wurde, war zuletzt von Verletzungen geplagt und kündigte im Frühjahr in München bereits leise ein nicht mehr allzu fernes Karriereende an. In Halle beklagte er sich zum Anfang der Woche über die ihm verwehrte Wildcard - als fünfmaliger Viertelfinalist immerhin. Diskussionen in diese Richtung sollten sich in den kommenden Jahren erledigt haben.

Mayer macht Spaß auf Gras

Es gab kaum einen, der Mayer den Sieg nicht gönnte. Mayer, der deutsche Fabrice Santoro, der "spielt wie kein anderer auf der Tour", wie Roger Federer sagte. Und der im Finale gegen Alexander Zverev alles einsetzte, was das Spiel auf Rasen - von Gewalt-Aufschlägern abgesehen - so schön macht: den Slice (auf Vorhand und mit der beidhändigen Rückhand), den Stopp, den Lob... Mayer zeigte Übersicht und spielte Tennis, das oft eine Gratwanderung zwischen "einen Gegner vorführen" und "einen Gegner genial ausspielen" war. "Ich wollte diesen Sieg unbedingt, mit aller Macht", sagte er im Anschluss. Hätte Mayer das Match trotz zweier Matchbälle in Satz zwei und einer 5:2-Führung in Satz drei gegen den kampfstarken Zverev noch verloren - es hätte wieder die Kritiker des Bayreuthers auf den Plan gerufen, die ihm und einigen anderen Kollegen oft (teils zu Recht, teils zu Unrecht) den fehlenden letzten Biss vorwarfen.

Übertragen wurden die Rasen-Festspiele aus Halle auf Eurosport, ab dem Halbfinale dann vom ZDF - es ist das einzige Turnier, das überhaupt noch Platz im ARD- oder ZDF-Hauptprogramm findet (und an den Schlusstagen auch in 2017 und 2018, eventuell auch in 2019 dort übertragen wird). Ist das gut oder schlecht? Die Diskussion um mehr Tennis im öffentlich-rechtlichen TV wurde insbesondere nach Angelique Kerbers Sieg bei den Australian Open wieder mal geführt - ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg in der Fußball-Monokultur .

Das ZDF war dann mal weg

Blickt man auf die ZDF-Übertragung selbst, mag das nicht mal schade sein. Am Samstag schaltete man in Mainz nach dem Spiel Alexander Zverev gegen Roger Federer hektisch zur Leichtathletik, ohne auch nur einen Interview-Fetzen der deutschen Nachwuchshoffnung nach ihrem größten Sieg zu präsentieren. Auch am Sonntag ging man direkt nach Spielende, ob der Verspätung fast entschuldigend, zu den Nachrichten über.

Auch die Übertragung an sich - nun ja. Dustin Brown wurde in einem Einspieler am Samstag als "Mann mit einer großen Zukunft" gelabelt (Brown ist 31 Jahre alt), das Einspielen wurde ebenfalls ausführlich erleutert, und am Sonntag fühlte man sich beim Begriff "Überkopfbälle" irgendwo in die 80er-Jahre zurückversetzt (zumal gerade Volleys gespielt wurden). Der gemeine ZDF-Zuschauer mag nicht der geborene Tennis-Experte sein, aber dennoch - wirklich überzeugend war das alles nicht. Obwohl die Quote beim Zverev/Federer-Match, verglichen mit den mauen Zuschauerzahlen beim Fed Cup auf Sat.1 im Februar , mit 650.000 Zuschauern und einem Marktanteil von 6,8 Prozent zwar nicht überragend gut, aber zumindest nicht befürchtet schlecht war. ("Bibi und Tina" kamen zuvor nur auf 250.000 Zuschauer und 3,7 Prozent, "Die Küchenschlacht" auf 280.000 Zuschauer und 3,9 Prozent.)

Eurosport legt die Messlatte verdammt hoch

Vielleicht sind wir mittlerweile auch einfach von Eurosport verwöhnt. Was man dort zuletzt im Rahmen der Übertragungen der Grand-Slam-Turniere auf die Beine gestellt hat - von der Übertragung auf mehreren Kanälen gar nicht erst zu sprechen -, ist einfach klasse. Und fachlich, wen wundert's, ist man mit Matthias Stach oder dem Duo Alex Antonitsch/Markus Zoecke ebenfalls hochrangig aufgestellt. Natürlich sind auch Rudi Cerne und Martin Wolff vom ZDF ausgewiesene Sportexperten. Aber eben nicht dermaßen beim Tennis zu Hause wie die Eurosport-Kollegen. (Was kein Vorwurf ist: Natürlich kann man vom ZDF nicht verlangen, für die seltenen Tennis-Übertragungen einen hauseigenen Experten zu beschäftigen.)

Die Diskussion, dass Tennis zu selten im Free-TV läuft - ja, sie wird immer wieder kommen. Der große Teil der ATP-Tour wandert ab 2017 von Sport 1+ zu Sky, wo auch Wimbledon stattfindet. Aber sonst? Sieht das alles doch auch im Gratis-Bereich gar nicht so schlecht aus, speziell wenn man andere Sportarten betrachtet. Den Großteil der WTA-Tour empfängt man auf ran.de (mit der App auf Tablet oder TV eine tolle Sache!), die Majors und einige Auswahlturniere gibt's auf Eurosport. Und im Gegensatz zu den 90ern ist Eurosport kein Geheimtipp mehr, vor allem nicht für den Sportfan an sich. Sondern ein Programm, das quasi jeder Haushalt auf der Fernbedienung hat. Nur eben nicht auf den Tasten eins oder zwei.

Österreich macht's vor

Dass ARD oder ZDF dem Fußball im Gegensatz zu allen anderen Sportarten zu viel Raum geben, ist dennoch falsch. Natürlich sind Sportübertragungen, insbesondere Tennismatches, schwierig zu timen. Vielleicht sollte man, wenn man auch im Sportbereich allgemein (und nicht nur im Fußballbereich) der Informationspflicht und dem oft gerühmten öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag nachkommen will, noch mal über einen eigenen Sportsender nachdenken. In Österreich gibt's den bereits mit ORF Sport +.

von Florian Goosmann

Sonntag
19.06.2016, 20:47 Uhr