Roger Federer – „Energie-Level war ein Auf und Ab“

Der Schweizer kämpft sich in Stuttgart durch und braucht weitere Matchpraxis auf dem Weg zurück zu alter Stärke.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 09.06.2016, 00:00 Uhr

KEY BISCAYNE, FL - MARCH 24: Roger Federer of Switzerland in action during a practice session during the Miami Open Presented by Itau at Crandon Park Tennis Center on March 24, 2016 in Key Biscayne, Florida. (Photo by Clive Brunskill/Getty Images)

Der 14. September 2009 hätte für Taylor Fritz böse enden können. Fünftklässler Fritz hing an diesem Spätsommer-Montag in seinem Computerkurs fest, körperlich zumindest, aber in Gedanken war der Kalifornier weit weg. Denn an der Ostküste der USA, im Arthur Ashe Stadium in New York, spielte Roger Federer gerade das US-Open-Finale gegen Juan Martin del Potro. Der Regen hatte wie so oft das Programm durcheinandergewirbelt in Flushing Meadows, und statt sonntagnachmittags gemütlich auf dem heimischen Sofa schauen zu können, musste Fritz improvisieren. Und auf das nicht so achtsame Auge seines Lehrers hoffen, als er den Stream des Finals auf dem Schulcomputer abspielen ließ, statt seine Aufgabe zu lösen.

Kleine Dinge, die den Unterschied gemacht haben

Ob Fritz den Kurs bestanden hat, ist nicht überliefert. Aber Noten hin oder her, es gibt nun mal Wichtigeres im Leben, das ahnte Fritz schon damals. "Als ich da gesessen bin, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich mal im selben Turnier gegen Federer spielen und mit del Potro im Doppel antreten würde."

Auch wenn Fritz mit dem Ausgang nicht vollends zufrieden sein kann - mit Juan Martin del Potro ging es im Erstrundenmatch raus, gegen Federer im Achtelfinale: Er hat gezeigt, dass er keinen Respekt auf dem Platz vor den Großen der Szene hat. Im Match gegen den "Maestro" bangten gegen Ende nicht wenige um dessen Verbleib im Turnier und auch für Federer waren es letztlich "kleine Dinge, ein, zwei Schläge, die den Unterschied ausgemacht haben". Wie die Challenge in Satz drei, die Federer vor einem 4:5-Rückstand bewahrte und ihm letztlich die Chance einbrachte, Fritz zur Vorentscheidung zu breaken. Ergebnis: 6:4, 5:7, 6:4 für den Topstar des MercedesCups.

Energie-Level wiedergefunden

Federer stelle im Anschluss vor allem seine die fehlende Matchpraxis heraus - er hatte gegen Fritz gerade mal sein 16. Saisonspiel abgeliefert. "Mein Energie-Level war ein bisschen ein Auf und Ab. Das Gute ist, dass ich es gegen Ende wiedergefunden habe. Das passiert, wenn deine Gedanken etwas abdriften. Wenn du dich darauf konzentrierst, wie du servieren oder returnieren willst, vergisst du vielleicht deine Füße. Das kann schnell passieren, wenn du keine Matchpraxis hast. Gerade deshalb ist es wichtig, wieder auf dem Court zu stehen, Matches zu spielen."

Dass sein erstes Spiel seit dem halb-verletzten Auftritt beim Turnier in Rom regenbedingt auf zwei Tage gestreckt war, war ihm im Nachhinein beinahe recht. "Es ist immer gut zu sehen, wie der Körper reagiert. Daher war es gar nicht so schlecht, gestern zu spielen und heute etwas."

Vorsicht ist Mutter der Porzellankiste

Trotz Sonnenschein am heutigen Donnerstag hatte der Regen und die Feuchtigkeit der letzten Tage seine Auswirkungen auf das Grün. So spielte auch Federer wohl unbewusst mit teilweise angezogener Handbremse. "Es war eine Kombination aus Vorsicht auf dem Belag, der doch recht rutschig war, vor allem außerhalb." Dazu kam ein gut aufgelegter Fritz von der Grundlinie und eben der eigene Körper, in den der Schweizer wieder Vertrauen fassen muss. "Mir fehlte ein bisschen die Spritzigkeit, das natürliche Selbstvertrauen in der Defensive, ohne Probleme noch den Slice reinzuspielen, die Vorhand aus dem Lauf... Ich war nicht sicher, ob das etwas Technisches war, von der Beinarbeit, von seinem Schlag. So ist das etwas dahingeplätschert, und auf einmal war es knapp im dritten Satz." Dennoch zeigte sich Federer insgesamt zufrieden. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich schlecht gespielt habe. Ich hatte gute Momente beim Aufschlag, beim Return. Es hat nur nie richtig zusammengepasst."

Federer brachte zwar 64 Prozent seiner ersten Aufschläge ins Feld und wehrte acht von neun Breakbällen ab. "Aber ich darf natürlich nie Doppelfehler servieren bei 0:15, bei 30:30. Bei 30:0 ist das kein Problem, da ein bisschen Risiko zu gehen. Aber die Doppelfehler haben mich so etwas in Bedrängnis gebracht. Das habe ich aber auch nicht anders erwartet, das muss natürlich von Match zu Match besser werden. Deshalb spiele ich Matches, um in diesen Rhythmus zu kommen."

Im Viertelfinale gegen Florian Mayer

Für Turnierchef Weindorfer und das Publikum in Stuttgart dürfte der Sieg des Weltranglisten-Dritten fast genau so wichtig gewesen sein wie für diesen selbst. Federer hat sich und den Zuschauern so einen Leckerbissen erspielt, nämlich ein Viertelfinal-Match gegen Florian Mayer, der Rasen wohl ebenso liebt wie Federer. Und von dem der Schweizer viel hält. "Ich spiele immer gerne gegen ihn, denn er spielt völlig anders als jeder andere auf der Tour. Mir gefällt sein Spiel, er hat eine super Rückhand mit viel Variation, kann gut vollieren... Wenn das jemand kann, schätze ich das sehr."

Das Duell Federer gegen Mayer gab's speziell auf Rasen schon dreimal in Halle (Federer siegte stets), zuletzt im Vorjahr, in dem der zweite Satz umkämpft war. "Das wird ein total anderes Spiel werden als heute. Er wird sicher mehr ans Netz kommen, von dem her wird es athletischer werden. Und da brauche ich eben diese Spritzigkeit und Energie viel mehr als das heute der Fall war", so Federer. "Daher ist das ein guter Test für mich morgen."

von Florian Goosmann

Donnerstag
09.06.2016, 00:00 Uhr