Barbara Rittner – „Wir müssen vermitteln, welch toller Sport Tennis ist“

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 10.05.2016, 00:00 Uhr

LEIPZIG, GERMANY - FEBRUARY 03: Head coach Barbara Rittner attends a DTB press conference prior to the Fed Cup match against Switzerland at Messe Leipzig on February 3, 2016 in Leipzig, Germany. (Photo by Thomas Eisenhuth/Bongarts/Getty Images)

Frau Rittner, der NÜRNBERGER Versicherungscup steht vor der Tür. Was erwarten Sie sich von diesem Turnier?

Barbara Rittner: Natürlich gute Ergebnisse von den deutschen Spielerinnen. Eine tolle Atmosphäre auf der Anlage. Viele Fans, die Spaß und Freude an den Matches haben. Ich denke, alles ist bereitet für eine schöne Woche, speziell natürlich nach dem Australian-Open-Sieg von Angie Kerber. Jetzt kommt sie als Grand-Slam-Champion nach Nürnberg, das ist doch toll. Es wird sicherlich eine ganz spezielle Stimmung herrschen dieses Mal, umso mehr, da Angie auch das andere deutsche Turnier in Stuttgart gewonnen hat.

Aber wir erlebten in dieser Saison ja auch immer wieder Topergebnisse anderer deutscher Spielerinnen. In Stuttgart erreichte Laura Siegemund sensationell das Finale.

Rittner: Das ist ja das Schöne. Dass wir im Moment viele Spielerinnen haben, die starke Resultate liefern können. Man merkt schon, dass da jetzt die nächsten Generationen an die Tür klopfen, sich bemerkbar machen. Bei Laura Siegemund ist es so, dass bei ihr nach langen Jahren nun das Puzzle zusammenpasst. Sie spielt selbstbewusst, frech, hat ein gutes Team. Von ihr können wir auch noch eine Menge erwarten.

Auch Spielerinnen wie Annika Beck und Anna-Lena Friedsam überzeugten 2016, teils auch im Fed-Cup-Team.

Rittner: In der Tat. Sie haben ihre Lehrjahre auf der Tour hinter sich. Verstehen jetzt viel besser, was es braucht, um im Welttennis erfolgreich zu sein. Ich bin gespannt, wohin ihr Weg noch in diesem Jahr führt.

Der Australian-Open-Sieg von Angelique Kerber wurde auch als Chance für einen neuen Tennis-Aufschwung in Deutschland betrachtet. Spürt man das?

Barbara Rittner: Das Interesse am Tennis ist eindeutig gewachsen. Man merkt, dass alle genauer hinschauen bei den Turnieren, wo unsere Topspielerinnen antreten. Dass auch die Medien alles mehr im Fokus haben. Melbourne, der Sieg von Angie dort, das hat auch die Sportfans schon wachgerüttelt. Und der Name Kerber ist natürlich viel populärer geworden. Größeres Medieninteresse wird man sicher auch in Nürnberg spüren.

Sie haben selbst viel Kontakt zur Tennis-Basis. Hat sich dort die Stimmung aufgehellt?

Rittner: Es gibt schon länger eine Aufwärtstendenz in den Klubs. Viele Kids wollen durchaus wieder Tennis spielen, sehen dort wohl auch eher eine Chance für eine Karriere. Da kommt Angies Sieg gerade recht. Viele haben ihr das ganz besonders gegönnt, einfach, weil sie das nette Mädchen von nebenan ist. Und nicht eine unnahbare Figur, mit der man sich nicht identifizieren könnte. Man hat das schon in Stuttgart erleben dürfen, wie gefragt Angie ist. Insofern freue ich mich auf Nürnberg und ihren Start dort.

Wie kann der DTB, wie kann das Tennis insgesamt in Deutschland diesen Grand-Slam-Coup nutzen?

Rittner: In jedem Fall ist Angie schon zu einer sportlichen Leitfigur aufgestiegen. Das strahlt auf das ganze deutsche Tennis ab, sorgt für Schlagzeilen. Ich würde mir wünschen, dass viele Kids jemandem wie Angie, aber auch unseren anderen Topspielerinnen nacheifern wollen. Wir müssen vermitteln, welch toller Sport Tennis ist - ein Sport, den man auch sein ganzes Leben lang betreiben kann.

Nach Kerbers Erfolg sagten Sie: Es gibt keine Limits für sie in der Zukunft. War das nicht etwas zu forsch?

Rittner: Nein. Wenn bei Angie alles stimmt, so wie in Melbourne, dann sind ihr weitere Grand-Slam-Titel zuzutrauen. Bei einem Majorturnier kann vieles passieren, negativ wie positiv. Du kannst in der ersten Runde ausscheiden, das haben wir ja bei den Australian Open auch gesehen. Aber du kannst dann auch gewinnen, dich durchkämpfen, die Allerbesten schlagen. Und so einen Weg kann Angie nun immer wieder gehen, sie hat die Möglichkeiten, Williams oder Azarenka zu schlagen.

Kerber tat sich anfangs schwer, den Erfolg von Melbourne zu bestätigen.

Rittner: Es war Wahnsinn, was da alles auf sie eingeprasselt ist nach den Australian Open und beim Fed Cup in Leipzig. Deshalb wäre ihr sogar noch eine längere Ruhepause nach diesen turbulenten Wochen zu wünschen gewesen. Für die Turniere in Doha und Indian Wells hatte sie noch nicht den nötigen Energielevel, auch nicht die mentale Kraft. Die Situation, derart gejagt zu werden von allen auf der Tour, ist auch noch mal neu, eine andere Herausforderung.

Im letzten Jahr sorgte schon einmal die talentierte Carina Witthöft für Schlagzeilen. Wie sehen Sie ihre Entwicklung?

Rittner: Sie wird sich denken, letztes Jahr war ich doch dran, nach vorne zu kommen. Jetzt stehlen die mir die Show, da will ich nachziehen. Alle hinter Angie werden schlicht durch die Tatsache motiviert, dass wir jetzt in Deutschland eine aktuelle Grand-Slam-Siegerin haben.

Sabine Lisicki kämpfte mit Anlaufschwierigkeiten in dieser Saison, versucht sich jetzt wieder nach oben zu kämpfen.

Rittner: Bei Sabine habe ich den Eindruck: Sie will es einfach mal allen zeigen. Körperlich ist sie absolut fit, dazu fokussiert aufs Tennis. Wer weiß, was da kommt. Überraschungspotenzial gibt es allemal. Vielleicht schon in Nürnberg.

Sie haben im Zusammenhang mit Kerbers Erfolgen auch mehr TV-Zeiten fürs Tennis in den öffentlich-rechtlichen Anstalten angemahnt. Beide Sender wehrten das recht kühl ab.

Rittner: Ich habe mit nichts anderem gerechnet. Allerdings nicht unbedingt damit, dass man mir Blauäugigkeit vorwirft. Meine Meinung bleibt: ARD und ZDF hätten durchaus Abmachungen treffen können, um bei solchen Erfolgen im Halbfinale oder beim Endspiel in so ein Grand-Slam-Turnier einzusteigen. Bei den deutschen Turnieren sind aber die öffentlich-rechtlichen Sender gut am Geschehen dran, der SWR in Stuttgart und der BR in Nürnberg.

Das Turnier gilt ja auch als wichtige Generalprobe für Paris, für die French Open dann.

Rittner: Zuerst einmal steht das Turnier für sich, hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Wertigkeit. Wir sollten dankbar und froh sein, dass es dieses zweite deutsche Turnier gibt, dass unsere Spielerinnen hier eine Plattform haben, um sich den Fans zu präsentieren. Natürlich kann jede Spielerin aus Nürnberg mit einem guten Abschneiden Selbstbewusstsein mitnehmen für Paris, das ist doch klar. Und das war ja in der Vergangenheit auch so, bei Genie Bouchard oder Simona Halep etwa.

von Jörg Allmeroth

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