Amélie Mauresmo – „Tennis gibt gerade ein schreckliches Bild ab“

Die Trainerin von Andy Murray betitelt die aktuelle Preisgeld-Debatte als unproduktiv und sieht die WTA nicht auf Augenhöhe mit der ATP.

von Björn Walter
zuletzt bearbeitet: 30.03.2016, 00:00 Uhr

MELBOURNE, AUSTRALIA - JANUARY 23: Amelie Mauresmo, coach of Andy Murray of Great Britain watches his third round match against Joao Sousa of Portugal during day six of the 2016 Australian Open at Melbourne Park on January 23, 2016 in Melbourne, Aus...

Sie war ein prägendes Element der sogenannten "Goldenen Ära" des Damentennis. In den Jahren 2000 bis 2005 bestimmte Amélie Mauresmo den Takt auf der WTA-Tour entscheidend mit -gemeinsam mit Größen wie den Williams-Schwestern, Justine Henin, Kim Clijsters, Maria Sharapova, Lindsay Davenport und Jennifer Capriati. Die ehemalige Nummer eins der Welt war nie als stromlinienförmige "Ja-Sagerin" bekannt und zeigte gerne Kante. Auch zu den aktuellen Brennpunkten auf der Tour nimmt die Chefin des französischen Damenteams kein Blatt vor den Mund. In einem Interview mit der französischen Sportzeitung "L'Équipe" äußerte sich die zweifache Grand-Slam-Siegerin unter anderem zur teilweise unsachlichen Debatte um gleiches Preisgeld, "Best of Five" im Damentennis sowie über die "Mitläufer-Rolle" der WTA.

Amélie Mauresmo über...

... die oft polemisch geführte Preisgeld-Debatte:

"Ich verstehe nicht, warum dieses Thema immer wieder aufgekocht wird. Dennoch muss ich einräumen, dass die Herren-Tour momentan attraktiver ist als die der Damen. Drei der besten Spieler aller Zeiten duellieren sich innerhalb einer Ära. Vor etwa zehn Jahren hatte die Damen-Tour eine ähnliche Hochphase. Was ich nicht verstehe, ist, dass das Preisgeld, welches die Damen verdienen, nicht zum Nachteil der Herren ist. Sicherlich tragen Roger, Rafa' und Novak den Tennissport inklusive des Damentennis, welches nicht auf dem gleichen Niveau ist. Aber warum soll nicht jeder davon profitieren? Ich finde die Debatte sehr unproduktiv."

... Verständnis für die vermeintliche Benachteiligung der Herren:

"Eingegrenzt auf die Grand Slams ist es nachvollziehbar, da die Männer im ,Best-of-Five-Format' spielen. Ich bin dafür, dass die Damen am Ende des Turniers ebenfalls diesen Modus übernehmen, wohingegen die Herren im ,Best-of-Three-System'beginnen sollten. In der ersten Woche sind die Matches bei den Herren oft sehr einseitig. Dafür könnten die Halbfinals und Finals bei den Damen durch einen zusätzlichen Gewinnsatz an Spannung gewinnen."

... die Sichtweise von Andy Murray in der "Geschlechter-Frage":

"Wir sprachen bereits vor seinen öffentlichen Aussagen über dieses Thema. Seine Ansichten sind sehr interessant und vor allem sehr angelsächsisch. Seiner Meinung nach sollte die Nummer 100 der Damen die gleichen Möglichkeiten haben wie die Nummer 100 der Herren. Er versteht nicht, warum eine Nummer 70 mit einem ,Paar Eiern' mehr verdienen sollte als Serena Williams, nur weil er im selben Jahr wie Djokovic, Nadal oder Federer geboren wurde. Andy hat verstanden, dass es um gleiche Chancen geht, und nicht darum, dass die Herren-Tour attraktiver ist."

... den leidenden Tennissport in Zeiten von Wettmanipulationen, dem Sharapova-Fall und Preisgeld-Kontroversen:

"Das momentane Bild unseres Sports ist schrecklich und macht mich enorm traurig. Es wird nur über diese negativen Dinge gesprochen. Über die Leistungen, Werte, Hingabe und den Schweiß der Spieler spricht keiner. Tennis muss gerade einen schweren Schlag einstecken. Jetzt heißt es: ,Weiterkämpfen und aufräumen.'"

... den Vergleich der Organisationen ATP und WTA:

"Die ATP ist proaktiver, was aber auch durch deren Ära begünstigt wird. In meiner Zeit hatte die WTA viele Champions und war deshalb auch stark. Heute ist sie mehr Mitläufer. Im Sharapova-Fall hat die Organisation ihre Rolle allerdings überstrapaziert. Es hat keinen Sinn, den Spielerinnen vorzuschreiben, was sie öffentlich sagen sollen. Sie sagen sowieso, was sie wollen und sind meiner Meinung nach keine Mauerblümchen."

... ihr Interesse, zukünftig für die WTA zu arbeiten:

"Es sollte da sein... aber nein! (bricht in Gelächter aus; Anmerkung). Ich bevorzuge es, weiterhin auf dem Platz meinen Einfluss zu nehmen - bin also mehr eine ,Action-Person.' Für mich ist es nichts, sich an einen Tisch zu setzen und an zahlreichen Meetings teilzunehmen."

von Björn Walter

Mittwoch
30.03.2016, 00:00 Uhr