Aufholjagd in Vancouver

Steffi Graf und Co. krönten sich 1987 zum Fed-Cup-Sieger
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tennisnet.com blickt auf das Jahr 1987 zurück, als Steffi Graf und Claudia Kohde-Kilsch Deutschland zum Premierentitel im Fed Cup führten.

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Von Christian Albrecht Barschel

1963 feierte die International Tennis Federation (ITF) 50. Geburtstag. Als Geburtstagsgeschenk wurde der Federation Cup (seit 1995 mit der Bezeichnung Fed Cup) als weibliches Gegenstück zum Davis Cup ins Leben gerufen. Die Damen hatten damit auch endlich ihren internationalen Mannschaftswettbewerb. Deutschland durfte sich bislang zweimal in die Siegerliste eintragen - 1987 und 1992. tennisnet.com blickt auf den ersten deutschen Erfolg beim Federation Cup vor 25 Jahren zurück.

Bis zur Namenskürzung in Fed Cup war der Modus des Wettbewerbs im Vergleich zur heutigen Austragung zunächst ein anderer. Gespielt wurde drei Jahrzehnte lang mit 16 Mannschaften innerhalb einer Woche an einem festen Austragungsort, der in der Regel jährlich wechselte. Die Teams mussten in dieser Turnierwoche demnach vier Spiele gewinnen, um im Federation Cup zu triumphieren. Der Spielmodus unterschied sich zudem zum Format vom Davis Cup. Statt der fünf Matches gab es nur drei Matches, bestehend aus zwei Einzeln und einem Doppel.

Graf und Kohde-Kilsch sollen es richten

Vom 26. Juli bis 2. August 1987 fand die 25. Ausgabe des Federation Cups im kanadischen Vancouver statt. Als Titelfavoriten galten wieder die beiden Finalisten des Vorjahrs - die USA (ohne die Weltranglisten-Erste Martina Navratilova) und die Tschechoslowakei. Deutschland stellte mit Steffi Graf, die kurz davor stand, die Weltranglistenspitze zu übernehmen, und der Weltranglisten-Neunten Claudia Kohde-Kilsch ebenfalls ein starkes Team. Mit diesem Duo sollte es endlich mit dem lang ersehnten Triumph im Federation Cup klappen. Viermal war Deutschland ins Finale eingezogen, viermal gab es eine Pleite. Zweimal mit dabei war auch Kohde-Kilsch, die 1982 und 1983 im Endspiel stand. In Vancouver sollte der Finalfluch nun endlich besiegt werden.

Deutschland legte mit einem 3:0-Erfolg gegen Hongkong los. Graf hatte dabei gegen Patricia Hy überraschend große Probleme, ihr Einzel zu gewinnen. Das Achtelfinale gegen Südkorea verlief dann mit dem gleichen Ergebnis völlig souverän. Im Viertelfinale stellte auch Argentinien kein Stolperstein dar. Nach den Einzeln war der Halbfinaleinzug perfekt, Graf schlug im Spitzeneinzel Gabriela Sabatini. Der erste richtige Härtetest folgte für das deutsche Team im Halbfinale gegen den Vorjahresfinalisten aus der Tschechoslowakei. Nachdem Kohde-Kilsch das Eröffnungseinzel gegen ihre Doppelpartnerin Helena Sukova verloren hatte, glich Graf gegen Hana Mandlikova zum 1:1 aus. Das Doppel musste die Entscheidung bringen. Dort setzten sich die beiden Deutschen gegen die favorisierten Mandlikova/Sukova, die zu den allerbesten Doppelspielerinnen zählten, mit 7:5, 6:2 durch und führten ihr Land in das fünfte Endspiel beim Federation Cup.

Graf putzt Evert zum Ausgleich

Am 2. August 1987 war es dann so weit. Deutschland erwartete im Endspiel den Titelverteidiger und Rekordsieger aus den USA. Im fünften Anlauf sollte es nun endlich mit dem Gewinn des Fed Cups klappen. Pam Shriver, die Nummer fünf der Welt, und die vier Plätze schlechter platzierte Kohde-Kilsch eröffneten das Endspiel. Die Deutsche wachte nach dem chancenlosen Verlust des ersten Satzes zu spät auf und gab nach ihrer 0:6, 6:7-Niederlage Graf die Bürde eines Rückstands mit auf den Weg. Im Spitzeneinzel zwischen der Weltranglisten-Zweiten aus Deutschland und Chris Evert, der Nummer drei der Welt, stand für das deutsche Fed-Cup-Team schon alles auf dem Spiel.

Graf musste gewinnen, um die Titelchance zu wahren. Und das tat sie auch eindrucksvoll. Mit einem souveränen 6:2, 6:1-Sieg glich Graf zum 1:1 aus und sorgte für die zweite und letzte Einzel-Niederlage von der herausragenden Fed-Cup-Spielerin Evert. Nun waren die Doppelqualitäten der Deutschen gegen die leicht favorisierten US-Amerikanerinnen, die ihren 13. Fed-Cup-Titel anstrebten, gefragt. Mit Kohde-Kilsch und Shriver hatten beide Mannschaften jeweils eine starke und erfolgreiche Doppelspielerin in ihren Reihen.

Nach aussichtslosem Rückstand zum Triumph

Das Doppel schien zum absoluten Fiasko für die Deutschen zu geraten. Bundestrainer Klaus Hofsäss musste mit ansehen, wie sich seine Mädels lange Zeit vorführen ließen. Der erste Satz ging mit 1:6 verloren. Nachdem im zweiten Satz bei 3:0-Führung der US-Amerikanerinnen auch noch ein 40:0-Vorsprung verspielt wurde, setzte wohl bei 1:6, 0:4-Rückstand keiner der über 7600 Zuschauer im Hollyburn Country Club in Vancouver nur noch einen Pfifferling auf das deutsche Team. Der Traum vom ersten Fed-Cup-Sieg war in ganz weite Ferne gerückt und fast nur noch eine Illusion. Doch Graf und Kohde-Kilsch erwachten aus ihrem persönlichen Alptraum, spielten mit dem Rücken zur Wand frei auf und gewannen Spiel um Spiel. Plötzlich stand es 5:4 für die Deutschen, die sich wenig später mit 7:5 den Satzausgleich sicherten.

Im dritten und entscheidenden Satz blieb bis zum Stand von 3:3 alles in der Reihe. Jede Spielerin hielt ihren Aufschlag. Mit spektakulären Punktgewinnen durchbrachen Graf und Kohde-Kilsch dann den Aufschlag von Evert zur 4:3-Führung. "Ich habe wie in Trance damals gespielt und bis zum Schluss überhaupt nichts mehr mitbekommen", sagte Kohde-Kilsch im Rückblick auf das Match. Die beiden Deutschen hielten das Break und standen ganz dicht davor, deutsche Sport- und Tennisgeschichte zu schreiben. Bei 5:4 servierte Graf zum erstmaligen Fed-Cup-Sieg für Deutschland. Das deutsche Duo kam noch einmal in Bedrängnis und sah sich bei 30:40 einem Breakball entgegen. Doch Graf und Kohde-Kilsch hielten dem Druck stand. Nach einem Ass von Graf hieß es Matchball für Deutschland. Der erste Aufschlag landete im Aus. Den zweiten Aufschlag returnierte Evert ins Netz. Spiel, Satz, Sieg und Fed-Cup-Titel für Deutschland!

Erster Titel im fünften Anlauf

Nach vier vergeblichen Anläufen hatte es endlich mit dem Premierentitel im Fed Cup geklappt. "Es ist eines der wenigen Matches, das ich nie vergessen habe. Die Details davon habe ich immer noch in Erinnerung. Es war einfach großartig", erinnerte sich Kohde-Kilsch, die nach zwei verlorenen Finals endlich die Siegertrophäe beim Fed Cup in Empfang nehmen konnte. Anschließend gab es die obligatorische Siegerfeier für die deutschen Damen. "Wir waren wirklich nicht die Favoriten und haben anschließend ausgiebig gefeiert. In dem Moment war es ein großartiger Sieg für uns", sagte Kohde-Kilsch.

Die Wege und die Karrieren von Graf und Kohde-Kilsch, die sechs Jahre älter als ihre Teamkollegin ist, gingen nach dem Titelgewinn in unterschiedliche Richtungen. Zwar gewannen beide ein Jahr später die Bronzemedaille im Doppel bei den Olympischen Spielen in Seoul, aber im Fed Cup spielten Graf und Kohde-Kilsch nur noch 1989 ein weiteres Mal zusammen. Beim zweiten deutschen Fed-Cup-Sieg 1992 in Frankfurt waren Steffi Graf und Anke Huber die Heldinnen, die Deutschland zum bislang letzten Triumph in diesem Mannschaftswettbewerb führten.