NHL

Die Tintenfische sind in Sicherheit

Von Robert Arndt
Der Tintenfisch ist das Maskottchen der Detroit Red Wings
© getty

Nach fast drei Dekaden haben die Detroit Red Wings mal wieder die Playoffs verpasst. Es war ein Scheitern mit Ansage, wenn auch zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da die Wings zur nächsten Spielzeit ihre neue Arena einweihen werden. Die Verantwortlichen gehen dennoch mit Optimismus in die Zukunft - mit Recht?

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Es ist ein alte Playoff-Tradition, dass während der Spiele der Red Wings tote Tintenfische auf dem Eis der Joe Louis Arena landen. Es ist ein alter Brauch aus dem Jahr 1952, als ein Fischhändler einen Oktopus auf die Eisfläche warf. Die acht Arme des Tiers sollten die acht benötigten Siege für einen Stanley Cup symbolisieren. Und tatsächlich: Die Wings holten den Cup. Eine Tradition war geboren.

Auch zum letzten Spiel der regulären Saison flogen die Meerestiere (35 an der Zahl) auf die Eisfläche. Diesmal aber nicht, weil die Wings die Playoffs erreichten, sondern weil es Abschied nehmen hieß. Nach fast 40 Jahren verlässt Detroit die Joe Louis Arena.

Die Umstände sind dabei alles andere als würdig. Erstmals seit 1990 und insgesamt 25 Saisons wird es keine Stanley Cup Playoffs in Detroit geben. Damit ging die längste Serie der großen vier Ligen des US-Sports zu Ende. In der NHL gelangen lediglich den Boston Bruins (1968-96) und den Chicago Blackhawks (1970-97) längere Streaks.

Vorbei sind die großen Zeiten, in denen gleich viermal der Cup (1997, 1998, 2002, 2008) in die Höhe gereckt werden konnte. Große Spieler und zahlreiche Hall of Famer wie Captain Steve Yzerman, Sergei Fedorov, Nicklas Lidström, Chris Chelios, Brandan Shanahan prägten eine ganze Ära. Lediglich Henrik Zetterberg, 36, der zum Saison-Abschluss sein 1000. Spiel als Red Wing bestritt, ist noch da.

Nach der Final-Niederlage um den Stanley Cup 2009 gegen die Pittsburgh Penguins ging es langsam aber sicher bergab. Leistungsträger beendeten ihre Karrieren, es wurde verpasst, frisches Blut in den Kader zu bringen. Warnsignale waren ausreichend vorhanden. Der ehemalige Coach Mike Babcock unkte bereits vor zwei Jahren nach der bitteren Pleite in Spiel 7 gegen die Tampa Bay Lightning: "Unser Team ist nicht so gut wie früher", so der jetzige Trainer der Toronto Maple Leafs. "Drei unserer besten Spieler sind 34, 35, 37. Niemand außer uns sah das Team als Stanley Cup Contender."

General Manager Ken Holland beteuerte: "Ich versuche, jedes Jahr ein wettbewerbsfähiges Team auf das Eis zu stellen, um unseren Fans einen Grund zu geben, dass sie glauben, wir könnten die Playoffs erreichen". Holland arbeitet bereits seit 1996 am Lake Michigan und erlebte wie kein anderer die großen Erfolge und vertrat die Philosophie entsprechend.

"Rebuilds dauern keine zwei, drei Jahre. Wenn man sich einmal für sowas entscheidet, sollte man auf zehn bis 15 harte Jahre vorbereitet sein." Keine rosigen Aussichten für verwöhnte Fans, Verantwortliche und eine Franchise, die fast drei Dekaden im Win-Now-Modus war.

Auf der Suche nach Picks

Mit dem Draft beschäftigten sich die Entscheider entsprechend wenig. Immer wieder wurden Picks für Veteranen eingetauscht, die Chance auf einen sanften Umbruch, einen Übergang zwischen den Zeiten fand nicht statt. Die Einsicht kam erst zur Trading-Deadline im März, als sich das Verpassen der Playoffs bereits ankündigte. Zu inkonstant zeigte sich das Team, die Verteidiger-Reihen zählen zu den schwächsten der Liga (Platz 26 bei Gegentoren), dazu war das eigene Powerplay über die ersten Saisonmonate ein großer Schwachpunkt (Platz 27).

"Die Entscheidungen, die ich in den letzten Wochen getroffen habe, basieren auf unserem enttäuschenden Jahr. Es war die Möglichkeit, zahlreiche Picks zu sammeln." So gingen Topscorer Thomas Vanek (kam erst im Sommer als Free Agent), der beste Verteidiger in Brandan Smith und der talentierte Forward Tomas Jurco. Drei Drittrundenpicks und ein Auswahlrecht für die zweite Runde liegen stattdessen nun in der Schatulle von Holland.

"Es ist eine Liga der Draftpicks, wie es scheint. In den letzten zehn Jahren haben wir Picks liegen gelassen, weil wir versucht haben zu gewinnen. Dafür standen die Red Wings und ich als GM. Aber irgendwann zahlt man dafür den Preis", so Holland. Seit 2000 fehlte den Wings entweder ein Erst- oder Zweitrundenpick, davon alleine siebenmal in der vergangenen Dekade. Der letzte Top Five Pick Detroits datiert gar aus dem Jahr 1990.

Cap-Hölle

Die Wings werden nicht alle Mauern einreißen, dies ist aufgrund der Cap-Situation gar nicht möglich. Dieser ist mit 67,7 Millionen Dollar bei 22 Spielern bereits für die kommende Saison belastet. Nur die Anaheim Ducks haben mehr Geld für die kommende Saison verplant. Bei einer Cap-Höhe von 73 Millionen Dollar bleibt wenig Spielraum. Dabei ist aber noch gar nicht die mögliche Verlängerung von Tomas Tatar eingerechnet, der nach der Spielzeit Restricted Free Agent wird. Platz könnte lediglich geschaffen werden, falls das Expansion-Team, die Vegas Golden Knights, den Wings einen teuren Vertrag wie den von Goalie Jimmy Howard abnimmt.

Ein Rebuild dürfte also einiges an Zeit in Anspruch nehmen, auch wenn Holland dies ein wenig anders sieht: "Wir werden einen Weg in die Spitze zurückfinden. Es ist eine sehr ausgeglichene Liga. Wir sind ja keine 29 Punkte hinten dran." Dies mag stimmen, aber ein Fakt ist auch, dass im Osten nur zwei Teams weniger Punkte sammelten.

Darum sind die Worte von Holland ein wenig optimistisch gewählt. Das Vertrauen in den eigenen Kader erscheint größer, als es vielleicht sein sollte. Das machte sich bereits im Sommer bemerkbar, als Holland Spieler wie Frans Nielsen (6 Jahre, 31,5 Mio) , Danny DeKeyser (6, 30) oder Niklas Kronwall (7, 33,25) mit neuen teuren Verträgen ausstattete. Geld, welches nun im Sommer fehlen wird, um wieder um eine Postseason-Teilnahme spielen zu können.

Keine Leafs 2.0

Doch nur dabei sein, war nie die Maxime in Detroit. Es ist ein großer Unterschied, ob man um eine Playoff-Teilnahme spielt oder eben nach den Sternen greift und ein Date mit Lord Stanley bekommen möchte. Gerade die Eastern Conference präsentierte sich in diesem Jahr unheimlich stark.

Entsprechend soll auch die Strategie im Draft langfristig angelegt sein: "Wir werden 18-Jährige draften. Nicht jeder wird einschlagen und manche werden, wenn sie keine Superstars sind, erst Jahre später einen Einfluss haben. So ein Prozess zahlt sich also vielleicht erst in sechs Jahren aus", ist sich Holland sicher.

Es mag vielleicht ein wenig übertrieben klingen, doch ganz unrecht hat Holland dabei nicht, wenn weiter eine Kultur des Gewinnens vorgelebt werden soll. Abschreckende Beispiele wie die Edmonton Oilers oder die Maple Leafs sind noch zu präsent. Erst absolute Ausnahme-Talente wie Connor McDavid oder Auston Matthews konnten in den jeweiligen Teams für eine Trendwende sorgen.

Abscheid von The Joe

Doch will man in der Motor City so lange warten? Es scheint zumindest nicht so. Auch im öffentlichen Bild und für Sponsoren kommt der Absturz zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Zum Ende der Saison wird die altehrwüdige Joe Louis Arena nach fast 40 Jahren verlassen. Mit der neuen Little Caesars Arena startet eine neue Ära in unruhigen Zeiten für die Wings.

Zurück bleiben zunächst einmal zahlreiche Erinnerungen an die große Zeit. Viele Spieler waren noch gar nicht geboren, als die Red Wings das letzte Mal die Playoffs verpassten. Eine solche Serie wird man in der NHL so schnell wahrscheinlich nicht mehr sehen, zu ausgeglichen ist die Liga mit den eingeführten Cap-Regeln strukturiert.

Das ist die gute Nachricht für Detroit, doch die Marke Red Wings hat einen nicht unerheblichen Schaden genommen. Erst wenn genügend Talent zur Verfügung steht und das Team im Aufwind ist, wird das Interesse der Free Agents wieder geweckt werden.

Solange dies nicht passiert, scheinen die Oktopusse in Sicherheit, denn bevor die neue Arena Playoff-Hockey sehen wird, könnte es einige Jahre dauern.

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