NHL

Nie wieder unter dem Radar

Von Adrian Bohrdt
Alex Steen führt zurzeit die Torschützenliste der NHL an
© getty

Jahrelang galt Alexander Steen als einer der am meisten unterschätzten Spieler in der NHL. Mit einem sensationellen Lauf mischt der 29-Jährige in dieser Saison allerdings die Liga auf und dürfte schon bald von keinem mehr übersehen werden. Dabei bleibt Steen geerdet - wegen einer Katastrophe und einer Lektion zu Beginn seiner Karriere.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Alexander Steen ist es gewohnt, übersehen zu werden. Vor der Saison führte "ESPN" eine Umfrage unter NHL-Spielern durch, um den am meisten unterschätzten Spieler zu ermitteln. Den ersten Platz belegte Steen. Doch es scheint, als würde der 29-Jährige von den St. Louis Blues in diesem Jahr endlich aus diesem Muster ausbrechen und damit auch aus dem Schatten seines berühmten Vaters Thomas treten.

Denn wenn NHL-Fans nach den ersten Wochen der neuen Saison auf die Torschützenliste schauen, dürften nicht wenige überrascht sein. Nicht etwa Sidney Crosby oder Corey Perry führen diese zusammen mit Alex Ovechkin nämlich an, vielmehr hat Steen mit 17 Toren aus 19 Spielen die Nase vorne.

Diesen Schnitt dürfte Steen, der bis vor kurzem schlicht unter dem Radar flog, über die komplette Saison kaum aufrechterhalten können. Dennoch scheint der First-Round-Pick der Toronto Maple Leafs aus dem Jahr 2002 endlich auch für alle sichtbar die stets hohen Erwartungen erfüllen zu können. Und doch verliert der Forward dabei nie die Perspektive.

Steen auch im Erfolg uneigennützig

Denn zum Charakter des in Kanada geborenen Schwedens würde es nicht passen, deshalb abzuheben. "Ich denke, wir sollten mich nicht mit Brett Hull vergleichen und Ovechkin macht das schon seit Jahren", betonte Steen hinsichtlich seines guten Saisonstarts. Er spricht ungern über persönliche Erfolge und rückt lieber seine Mitspieler in den Vordergrund.

"Um ehrlich zu sein, ist das ein wichtiger Grund dafür, dass ich mich wohl und selbstsicher fühle. Ich spiele gerne mit David Backes und T.J. Oshie. Ich denke, wir sind drei hart arbeitende Jungs", so der 29-Jährige weiter.

Steen wirkt auch im Erfolg geerdet, immerhin musste er schon in seiner Kindheit die Schattenseiten des Lebens kennen lernen.

"Damals war alles schlimm"

Alex Steen war gerade sechs Jahre alt, als sein jüngster Bruder Amadeus geboren wurde. Der Säugling lebte nur für zwei Monate, ehe er an einer Herzerkrankung starb.

Noch Jahre später wurde Steen unruhig, wenn die Sprache auf seinen kleinen Bruder fiel. "Es war eine Viruserkrankung am Herz", erinnert sich Vater Thomas: "Damals war alles schlimm."

Doch die beiden Steen-Männer bewiesen Kampfgeist auch außerhalb des Eises. 2007 gründeten Alexander und sein Vater die Amadeus-Steen-Stiftung, die Kinder und Jugendliche unterstützt.

So sammelten die Steens gleich im ersten Jahr eine Million Dollar, um ein Jugendzentrum neu aufzubauen. "Es ist ein Platz, an den Jugendliche gehen können und sich so aus Ärger raushalten", erklärte Alexander.

Kontroverser Wechsel in Schweden

Es sind dieser Realitätssinn und das Denken an andere, das Steen noch heute auszeichnet, vielleicht gerade weil er auch in seiner Profi-Laufbahn bereits Widerstände überwinden musste. 2004, ein Jahr bevor er den Schritt in die NHL wagte, wechselte Steen innerhalb der schwedischen Liga: Trotz einer angeblichen mündlichen Zusage verließ er Frölunda nach fünf Jahren und ging zu Modo.

Damit zog sich der damals 20-Jährige den Hass der Fans auf sich und wurde beim ersten Gastspiel in Göteborg übel beschimpft und ausgepfiffen. "Es ist traurig. Man hat es natürlich im Hinterkopf, aber darf sich nicht darauf konzentrieren. Es hat Spaß gemacht, mal wieder in Göteborg zu sein", gab Steen damals trotzig zu Protokoll.

Auch nach dem Sprung über den großen Teich lief zunächst nicht alles wie gewünscht. Zwar bot Steen in der NHL stets solide Leistungen, kam aber nie an die großen Auftritte seines Vaters (817 Scorer-Punkte in 950 Spielen für die Winnipeg Jets) heran und wurde 2008 schließlich von Toronto nach St. Louis transferiert.

Zeit unter dem Radar vorbei

Auch bei den Blues hatte Steen einen holprigen Start.Ganze sechs Tore erzielte er in den ersten 61 Partien. Doch er steigerte sich und lieferte gleich in seiner zweiten Saison in St. Louis seine bisher torreichste Spielzeit ab: 24 Treffer gelangen Steen in 68 Spielen. Doch abermals meinten es die Sport-Götter nicht gut mit ihm, zwischen 2010 und 2012 verpasste Steen verletzungsbedingt 49 Spiele und erzielte in der vergangenen Saison in 40 Partien nur acht Treffer.

Davon unbeeindruckt gelang dem 29-Jährigen ein Traumstart in die aktuelle Saison, neben 17 Toren weist er auch eine starke Trefferquote von 25,4 Prozent auf. "Er ist das Sinnbild eines Spieler, der sich gewissenhaft verbessert", beschreibt Blues-Coach Ken Hitchcock seinen neuen Top-Torjäger: "Ich denke, er ist das perfekte Beispiel dafür, was passiert, wenn man sich richtig reinhängt."

Einen Nachteil hat Steens Lauf allerdings auch, wie Mitspieler Kevin Shattenkirk so treffend formulierte: "Hoffentlich unterschätzen ihn die Teams noch ein wenig. Aber ich denke, diesen Stempel ist er bald los." Das bekam er bereits am Sonntag gegen die Capitals zu spüren, als er das Duell mit Ovechkin klar verlor.

Trotzdem scheint mit 29 Jahren Steens Zeit unter dem Radar endgültig der Vergangenheit anzugehören - und damit auch die Zeit als der am meisten unterschätzte Spieler der NHL.

Alexander Steen im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema