NHL

Die Canucks schlagen zurück

Von Philipp Dornhegge
Von wegen Krise: Goalie Roberto Luongo meldete sich mit 31 Saves und einem Shutout zurück
© Getty

Zwei Klatschen setzte es in Boston, doch nun sind Christian Ehrhoff und seine Vancouver Canucks zurück in Kanada - und mit ihnen auch der Erfolg. Dank eines späten Treffers durch Maxim Lapierre konnten sie den Lauf von Dennis Seidenbergs Bruins stoppen und liegen nun in der Finals-Serie mit 3:2 in Führung.

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Nach zwei bitteren Pleiten in Boston haben sich die Vancouver Canucks das Momentum in den Finals zurück geholt und Spiel fünf gegen die Bruins mit 1:0 gewonnen. In der Best-of-Seven-Serie führen die Kanadier jetzt mit 3-2 und stehen somit dicht vor ihrem ersten Titelgewinn.

Maxim Lapierre markierte in der 45. Minute das Tor des Tages für Vancouver, Roberto Luongo feierte nach 31 Saves einen Shutout. Auch Bostons Goalie Tim Thomas machte wieder eine starke Partie (25 Saves, 96 Prozent).

Reaktionen:

Kevin Bieksa (Vancouver) über Roberto Luongo: "Vor dem Spiel war er in einer ganz bestimmten Stimmung. Er wirkte extrem selbstsicher und relaxt. Und er hat im Locker-Room viel gesprochen. So ist er normalerweise nicht. Da waren wir uns sicher, dass er ein besonderes Spiel zeigen würde."

Alex Burrows (Vancouver)...

... über Luongo: "Er weiß genau, dass wir an ihn glauben. Er ist einfach unglaublich und hört überhaupt nicht auf das, was außerhalb des Teams über ihn gesagt wird. Für uns ist er der beste Goalie der Liga."

... über seine Vorarbeit zum 1:0: "Ich hoffe, dass ich mit Absicht das Netz verfehlt habe, denn ich habe deutlich daneben geschossen. Ich stand in keinem guten Winkel zum Tor, von daher habe ich so gespielt und zum Glück einen guten Abpraller herausgeholt."

Tim Thomas (Boston): "Das war die Art von Tor, das fällt, wenn keinem etwas gelingt. Oftmals sind es dann diese Zufallsprodukte nach Abprallern, Lapierre hat den Puck beim Schuss nicht mal richtig getroffen. Hätte er ihn richtig getroffen, dann wäre ich in der Lage gewesen, die Aktion besser zu lesen und hätte sie möglicherweise entschärfen können."

Claude Julien (Trainer Boston): "Ich weiß gar nicht, wie oft wir das schon erlebt haben. Wir sind kein Team, das es sich einfach macht, von daher ist es keine Überraschung, dass wir uns jetzt in dieser Lage befinden. Heute war keine gute Nacht für unser Power Play und das Herausspielen von Chancen."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Trotz zwölf Gegentoren in den Spielen 3 und 4 steht auch heute wieder Roberto Luongo für Vancouver im Tor. Der zuletzt schwache Verteidiger Ballard wird von Tanev ersetzt, die Defensivpaare werden kräftig durchgerüttelt. Offensiv spielt Glass für Tambellini in der Rotation. Boston-Coach Claude Julien schickt die gleiche Truppe wie in Spiel vier auf das Eis.

6.: Thomas ist schon wieder voll da. Kesler setzt Raymond ein, der zwei Gegner umkurvt und aus spitzem Winkel von links freie Schussbahn hat. Thomas schiebt sich blitzschnell rüber und wehrt Raymonds Schuss mit der rechten Schulter ab. Das war eng!

15.: Was für ein Confidence-Builder für Luongo! Die Bruins haben schon ihre dritte Power-Play-Gelegenheit, erstmals bekommen sie richtig gute Chancen. Luongo wehrt erst einen von Bergeron abgefälschten Schuss glänzend ab, auch der zweite Versuch von Bergeron aus kurzer Distanz kann den Goalie nicht überwinden.

27.: Luongo mit einem wunderbaren Save gegen Ryder, der sich anschickte, Bostons Dominanz im zweiten Drittel fortzusetzen. Auf der anderen Seite bekommt Kesler eine zweifelhafte Strafzeit angehängt, die Fans rasten förmlich aus! Die Bruins werden ausgebuht, die Referees müssen sich böse Sprechchöre gefallen lassen. Man kann fast froh sein, dass Boston kein Power-Play-Tor erzielt.

33.: Wow, zwei hundertprozentige Chancen, je eine auf beiden Seiten! Zunächst setzt sich Boston gefühlt mehrere Minuten in Vancouvers Zone fest, Marchand schießt dann den Puck freistehend vor Luongo neben das Tor. Als die Scheibe endlich geklärt wird, täuscht Tanev einen Schuss von rechts an und spielt nach links, wo Glass nur noch einschieben muss. Doch der neu berufene Angreifer haut mit dem Schläger am Spielgerät vorbei, das Tor war völlig blank!

45.: Tor für Vancouver! 1-0, Lapierre (Torres, Bieksa)! Der Shutout-Streak von Thomas ist Geschichte. Nach 110 Minuten scheitert Lapierre mit seinem ersten Versuch am Goalie, aber er sichert den Rebound für die Canucks. Über Torres und Bieksa prallt der Puck von der Bande erneut zum Third-Liner. Diesmal haut er die Scheibe einfach in Richtung Thomas, von dessen Körper sie über die Linie rutscht. Was für eine Erlösung für die Fans in der Rogers Arena!

Der Star des Spiels: Roberto Luongo. Was musste sich der Goalie der Canucks nicht alles anhören, nachdem er 12 Tore in zwei Spielen kassiert hatte. Ein Wechsel im Tor zugunsten von Cory Schneider - wie schon in der Blackhawks-Serie - stand sogar im Raum. Nicht jedoch für Coach Alain Vigneault, der Luongo sein Vertrauen aussprach. Eine gute Entscheidung: Trotz unermesslich großer nervlicher Belastung machte der Vezina-Kandidat einen ganz coolen Eindruck, löste auch die kniffligsten Aufgaben souverän und fuhr letztlich seinen vierten Shutout der Playoffs ein. Auch stark: Der viel gescholtene Alex Edler und seine wahnsinnigen 10 Hits.

Der Flop des Spiels: Brad Marchand. Der Rookie hatte es in Boston noch geschafft, den Canucks-Stars mit Hits und Trash-Talk gehörig auf die Nerven zu gehen - und zudem offensiv zum Erfolg beizutragen. In Vancouver wiederum fehlte ihm, wie so vielen Bruins, das letzte Fünkchen Feuer. Anfangs war es sicher klug, die Partie ruhiger anzugehen. Doch mit zunehmender Spieldauer hätte man sich gewünscht, dass mal wieder einer der Gästespieler kräftig dazwischen haut. Es wäre sicher übertrieben, von einer blutleeren Vorstellung zu sprechen, aber der Eastern-Conference-Champion braucht definitiv mehr von Marchand und Co., um ein siebtes Spiel zu erzwingen.

Analyse: Nach zwölf Gegentoren, von denen viele nicht auf die Kappe des Goalies gingen, hatten alle Spieler der Canucks etwas gut zu machen. Und anstatt sich die Verunsicherung anmerken zu lassen - sofern sie überhaupt vorhanden war -, gingen die Skater von Beginn an mit vollem Einsatz zur Sache.

Bereits im ersten Drittel sammelten Alexander Edler, Ryan Kesler und Co. eine ganze Reihe von Hits, die das Publikum ins Spiel, die Gäste aber nicht im geringsten aus der Ruhe brachte.
Boston machte es im ersten Drittel sehr geschickt, nahm sich nach zwei rüden Spielen in Beantown merklich zurück und wirkte extrem cool. Die Folge: Raffi Torres, Henrik Sedin und Andrew Alberts wurden nach Unbeherrschtheiten auf die Strafbank geschickt, die Bruins vermieden Penaltys.

Die Canucks wiederum holten sich neues Selbstvertrauen durch vorzügliche Arbeit in Unterzahl. Roberto Luongo konnte sich dabei einige Male auszeichnen und ebenfalls seine Nerven beruhigen.
Gegenüber Tim Thomas blieb dagegen bis auf eine vorzügliche Parade gegen Mason Raymond nahezu beschäftigungslos. Das sollte sich im zweiten Abschnitt ändern, als Vancouver 12 Schüsse auf Thomas losließ und zum Teil beste Einschussmöglichkeiten ungenutzt ließ.

Bislang hatte Boston stets das zweite Drittel dominiert: In den bisherigen vier Partie hatten die Bruins 8 Treffer erzielt, die Canucks noch keinen. Über die gesamten Playoffs steht das Original-Six-Team bei 26, die Kanadier bei nur 13 Toren im zweiten Abschnitt. Diesmal holte der Gastgeber immerhin ein torloses Unentschieden heraus.

Vancouver war voll im Spiel, die Fans warteten auf ein Erfolgserlebnis - und wurden nach rund fünf Minuten im Schlussabschnitt endlich erlöst, als Lapierre in Thomas' Rücken einen Rebound versenkte.

Nachdem sie einmal vorn waren, lief es noch flüssiger für die Canucks. Weil die Gastgeber jetzt noch selbstbewusster auftreten konnten. Und weil der Druck, mit einem Rückstand vor der Brust nach vorne spielen zu müssen, nicht unbedingt die Sache der Bruins ist.

Freilich versuchte Boston mit dem Mute der Verzweiflung in den letzten Minuten noch mal alles - unter anderem Rich Peverley hatte eine exzellente Chance -, doch mit konzentrierter Defensivarbeit und einem vorzüglich auftretenden Luongo machten die Canucks das Tor auch dicht, als die Bruins ihren Goalie vom Eis genommen hatten und zu sechst anstürmten.

Nach dem dritten Sieg der Finalserie stehen die Vancouver Canucks nun ganz dicht vor dem ersten Stanley-Cup-Sieg. Und das, nachdem sie nach zwei indiskutablen Leistungen in Boston von vielen schon totgesagt wurden.

Die Frage ist nun, ob die Kanadier bei der Rückkehr in den TD Garden besser auftreten als zuletzt. Beziehungsweise ob Boston die physische Spielweise wiederentdeckt, mit der man den Canucks in beiden Heimspielen deutlich den Schneid abkaufen konnte. Der Druck jedenfalls lastet auf den Bruins.

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