NHL

Ganz Boston steht unter Strom

Von SPOX
Der Kapitän der Boston Bruins, Verteidiger Zdeno Chara, zeigt derzeit ungewohnte Schwächen
© Getty

In der Nacht auf Dienstag steigt im TD Garden in Boston Spiel 3 der Stanley-Cup-Finals (ab 2 Uhr im LIVESCORE) mit den deutschen Profis Dennis Seidenberg und Christian Ehrhoff. Nach den beiden knappen Niederlagen bei den Vancouver Canucks fragen sich bei den Bruins derzeit alle, wie sie die Serie noch rumreißen sollen. Coach Julien stellt sich dabei vor seinen viel kritisierten Kapitän und hat auch schon ein paar taktische Finessen auf Lager.

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Zwei Spiele in Vancouver, zwei hauchdünne Niederlagen für die Bruins. Doch jetzt zieht die Finals-Serie in den Osten nach Boston. Vor heimischer Kulisse will und muss das Team schnellstmöglich die Enttäuschung über den bisherigen Verlauf abschütteln. Ansonsten ist die Chance auf den ersten Stanley-Cup-Gewinn seit 39 Jahren schon vertan.

Nach dem 3:2-Overtime-Sieg in Spiel 2 feierten die Canucks-Fans in den Straßen von Vancouver ihr Team. Die Anhänger in der Rogers Arena waren bereits während der Partie so heiß, dass der nach längerer Verletzungspause ins Team zurück gekehrte Manny Malhotra von einer "Sinnesüberladung" sprach. Auf eine mindestens vergleichbare Stimmung bauen die Bruins nun in ihren beiden Heimspielen.

Die Stadt Boston in der die Stimmung laut Veteran Mark Recci "elektrisch" ist, und vor allem der TD Garden sollen zum Hexenkessel werden, um dem Heimteam den nötigen Schub zu verpassen. Deswegen richtete Recci einen Appell an die Fans: "Wir kommen nach Hause. Ihr wart die ganze Saison über klasse. Wir haben noch einen weiten gemeinsamen Weg vor uns und können es kaum erwarten, wieder vor euch zu spielen."

Sorgenkind Chara

Entscheidend für die Bruins könnte einmal mehr Kapitän Zdeno Chara sein. Während Dennis Seidenberg für seine Leistungen von den Kollegen mit Lob überschüttet wird, zeigt sein Defensiv-Kollege ungewohnte Schwächen. Insbesondere gegen Ende der Spiele geht seine Fehlerquote deutlich hoch, produziert er mehr Turnover. Das ist auch den Canucks schon aufgefallen, die gezielt härter gegen Chara vorgehen und ihn häufiger Checks einstecken lassen, um ihn so müde zu spielen.

Hauptkritikpunkt ist, dass der Slowake Alex Burrows in der Overtime von Spiel 2 laufen und ihn somit das entscheidende Tor erzielen ließ. "Wenn man plötzlich anfängt, zu verlieren, werden bestimmte Spieler hinterfragt. Ich denke, es liegt am ganzen Team, nicht nur an Zdeno", erklärte Claude Julien.

Die Hauptschwäche seines Teams hat der Coach auch ausgemacht: "Die Entscheidungen, die wir auf dem Eis fällen und unsere Puck-Kontrolle kosten uns die Spiele. Wenn du den Puck in der neutralen Zone verspielst, dann rächt sich das gegen einen solchen Gegner."

Ehrhoff: "Spielen sehr körperbetont"

Neben dem erhofften Heimspiel-Effekt und verbesserter Puck-Kontrolle wird noch ein dritter Faktor entscheidend für Boston sein: Ihre äußerst physische Spielweise. Dabei müssen sie vor allem die Strafzeiten in den Griff bekommen. Nachdem Vancouver in Spiel 1 noch keine ihrer sechs Power-Play-Situationen in Tore ummünzen konnte, nutzte Alex Burrows gleich im ersten Drittel von Spiel 2 eine unnötige Strafe wegen Interference von Zdeno Chara zum 1:0.

Keine Frage, die Bruins-Verteidiger um Chara, Dennis Seidenberg und Co. müssen in der Rückwärtsbewegung mit Intensität und Härte agieren. Aber Fehler wie der eben genannte sind unnötig und können Spiele - oder in diesem Fall sogar Meisterschaften - entscheiden. Vor allem in einer Serie, die derart knapp verläuft.

Julien sieht derweil keinen Handlungsbedarf in der Defensive: "Wir müssen in diesem Bereich auftreten wie bisher. Es ist Teil unserer Spielweise. Wenn wir dadurch mal einen Rückschlag hinnehmen müssen, ist das halt so." Aber hier liegt das Problem: Im zweiten Drittel zogen die Bruins eben nicht das physische, harte Forechecking auf, für das sie eigentlich bekannt sind. Ein Umstand, der sich in Spiel 3 dringend wieder ändern muss.

Zitternde Knie bekommen die Canucks im Hinblick auf die Spielweise der Bruins in jedem Fall nicht. "Wir können nur unsere eigene Spielweise kontrollieren. Wir haben bislang sehr körperbetont gespielt und wollen so weitermachen", sagt Vancouvers Verteidiger Christian Ehrhoff. "Wir versuchen einfach, schon in unserer Hälfte ein gutes Passspiel aufzuziehen und dann nach vorne auszubrechen, ohne ihnen gutes Forechecking zu erlauben."

Thomas weiß, wie's geht

Nicht nur Chara musste zuletzt Kritik einstecken, sondern auch Goalie Tim Thomas. Der sonst so sichere Bruins-Rückhalt machte bei Burrows zweitem Treffer ebenfalls keine glückliche Figur.

Dennoch blieb er anschließend selbstbewusst: "Ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie man als Torwart spielt", versicherte Thomas grinsend. "Ich werde auf Verbesserungsvorschläge verzichten und einfach so weiterspielen wie immer."

Auch Coach Julien stellte sich klar vor seinen Leistungsträger: "Ich habe Timmy die ganze Saison über spielen sehen, und für mich hätte er die Vezina Trophy verdient. Wir stehen aufgrund seiner starken Leistungen in den Finals. Von daher sind Fragen zu seinen Qualitäten für mich lächerlich."

Statistik spricht gegen Boston

Die Zahlen sprechen klar gegen die Bruins: In der Geschichte der NHL lag 46 Mal ein Team in den Finals 0-2 hinten - nur vier dieser Mannschaften konnten sich nochmal aufrappeln und die Serie danach noch drehen. Um die Nummer fünf zu werden, müssen nun vier Siege aus den kommenden fünf Partien her.

Und nochmal spricht die Statistik gegen die Franchise aus Massachusetts: Einen 0-2-Rückstand konnten sie bei 27 Anläufen in den Playoffs erst ein einziges Mal noch herumreißen. "Jetzt ist nicht die Zeit, sich zu verkriechen und Panik zu schieben", gibt sich Patrice Bergeron kämpferisch: "Wir müssen da rausgehen, unser Spiel aufziehen und alles geben."

Spiel zwei war erst das dritte (von 41) in dieser Saison, das sie trotz Führung am Ende des zweiten Drittels noch verloren haben. Wenn es den Canucks gelingt, solche statistischen Unwahrscheinlichkeiten herbeizuführen, warum dann nicht auch Boston? Vor allem, da sie in der Postseason noch nie das Spiel drei einer Serie verloren haben.

Sieht auch David Krejci so, der optimistisch bleibt: "Das Positive ist, dass wir beide Partien durch ein Tor verloren haben. Das tut zwar weh, aber wir können mithalten und wissen, was zu tun ist."

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