NHL

Zeit für ein Music City Miracle

Von Florian Regelmann / Philipp Dornhegge
Die Blackhawks haben vier der sechs Saisonspiele gegen die Preds gewonnen
© Getty
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San Jose Sharks (1) vs. Colorado Avalanche (8)

Saisonbilanz: 2:2 (2:5, 3:1, 4:3, 4:5 OT)

Ausgangslage: Jeden April das gleiche Spiel. Die Sharks haben eine herausragende Regular-Season gespielt, gelten als Topfavorit auf den Stanley Cup - und fliegen dann auf blamable Weise aus den Playoffs. Auch diesmal macht San Jose vordergründig wieder einen starken Eindruck. Die Linie um Joe Thornton, Patrick Marleau und Dany Heatley ist einzigartig - Leute wie Ryan Clowe oder Joe Pavelski sorgen für zusätzliche Firepower. Im Fokus wird aber vor allem Jewgeni Nabokow stehen. Die Playoff-Bilanz des Sharks-Goalies ist sehr mittelmäßig.

Colorado ist eine der ganz großen Überraschungen in dieser Saison. So gut wie niemand hätte den Avs eine Playoff-Teilnahme zugetraut, aber jetzt haben sie es trotz Einbruch zum Ende der Regular Season (drei Siege aus den letzten 13 Spielen) geschafft. Es gibt kaum ein Team, bei dem das Zuschauen mehr Spaß macht. Paul Stastny, Matt Duchene, Chris Stewart, T.J. Galiardi, Ryan O'Reilly, Brandon Yip, Kyle Quincey - Colorado ist mit unglaublich vielen Jungstars gesegnet. Craig Anderson ist zudem mehr als nur solide im Tor.

Players to watch: Joe Thornton vs. Matt Duchene. Der eine - Thornton - ist seit Ewigkeiten einer der besten Playmaker der NHL. Der andere - Duchene - ist einer der beeindruckendsten Rookies, den die NHL gesehen hat. Thorntons Produktivität ist in den letzten Jahren zwar punktetechnisch immer mehr zurückgegangen, aber wenn man dann immer noch 86 Scorerpunkte zu Buche stehen hat, dann ist das nicht so schlecht. Duchene ist erst 19 Jahre alt, spielt aber so clever und intelligent wie ein alter Hase. Dazu ist er sowohl als Sniper als auch als Vorbereiter gefährlich. Duchene is the real deal.

Prognose: Mit Peter Mueller fällt ein ganz wichtiger Spieler bei Colorado erstmal aus. San Jose hätte keinen besseren Gegner erwischen können. Sharks in 5.

Chicago Blackhawks (2) vs. Nashville Predators (7)

Saisonbilanz: 4:2 (3:1, 2:0, 0:2, 1:4, 4:1, 5:4)

Ausgangslage: Es könnten keine zwei unterschiedlicheren Teams aufeinander treffen. Die Blackhawks haben um Patrick Kane, Jonathan Toews und Duncan Keith herum ein echtes Star-Ensemble zusammen. Das alles in einem großen Markt wie Chicago - die Blackhawks sind absolut hip. Ganz anders ergeht es den Predators. Diese haben nicht die beeindruckende Historie der Blackhawks, sie gibt es ja erst seit elf Jahren.

Es gab deshalb eine ganze Menge Leute, die gehofft haben, dass die Predators es nicht in die Playoffs schaffen. Jetzt, wo sie eben dabei sind, hoffen viele, dass sie wenigstens schnell rausfliegen. Rein statistisch spricht auch wenig für das Team von Marcel Goc. Der Deutsche, der eine extrem solide Saison spielt, hat wenig Star-Power um sich herum. Steve Sullivan und Patric Hornqvist sind mit vergleichsweise lächerlichen 51 Punkten die Topscorer der Preds. Dafür brilliert Nashville mit mannschaftlicher Geschlossenheit - die Abwehr um Shea Weber und Ryan Suter ist ohnehin grandios gut.

Players to watch: Antti Niemi vs. Pekka Rinne. Das finnische Goalie-Duell. Wenn Nashville einen Vorteil hat, dann im Tor. Während sich Rinne als absoluter Ausnahme-Goalie etabliert hat, ist Niemi das große Fragezeichen bei den Blackhawks. Da Cristobal Huet seinen Starter-Job durch katastrophale Leistungen verloren hat und keine Rolle spielt, muss Niemi seinen Mann stehen. Gut für den Rookie: Chicagos Defense ist so gut, dass Niemi im Normalfall wenig Schüsse bekommt. Aber was passiert, wenn er mal einen Key Save machen muss? In der Regular Season war Niemi gut, aber erst in den Playoffs kommt sein großer Test.

Prognose: Es wird eine hammerharte Serie, die Preds werden Chicago mit ihrer disziplinierten Spielweise frustrieren. Es ist ein äußerst gewager Tipp, aber irgendeine Sensation gibt es immer. Warum nicht ein Music City Miracle? Predators in 7.

Vancouver Canucks (3) vs. Los Angeles Kings (6)

Saisonbilanz: 3:1 (2:1 SO, 4:1, 3:1, 3:8)

Ausgangslage: Weil die Northwest Division vergleichsweise unterirdisch war, standen die Canucks ja schon früh als Nummer drei fest. Die Frage war: Gegen wen geht's in Runde eins? Nachdem in den letzten Tagen der Spielzeit die Red Wings und die verdammt heißen Predators in der Verlosung waren, dürfte Vancouver einigermaßen froh über die Kings als Gegner sein. Denn wirklich Angst macht einem diese Truppe nicht. Erstmals seit 2002 in den Playoffs, erstmals seit fast 20 Jahren 100 Punkte erreicht: Man sollte kein Team erwarten, dass genau weiß, was es in der Postseason zu tun hat.

Doch Vorsicht! Mit dem 8:3 im letzten Duell vor wenigen Tagen ließ L.A. aufhorchen und entblößte konsequent Vancouvers aktuell größte Schwachstelle: Nach etlichen Verletzungen ist die Defensive löchrig wie ein Schweizer Käse. Dass die Kanadier trotz 26 Gegentoren noch drei der letzten sechs Partien gewannen, zeigt aber auch, wie stark die Offense ist. Nur die Capitals erzielen mehr Tore als die Canucks. Die Kings dagegen machen nichts überragend gut, aber eben auch nichts schlecht. Sie erzielen genug Tore und kassieren nicht übermäßig viele. Kapitän Dustin Brown lebt zudem vor, wie man in den Playoffs spielen sollte: Ligaweit verteilte der Right Winger die zweitmeisten Hits. Ob die Kings diese Einstellung nun auch wirklich an den Tag legen, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

Players to watch: Sedin-Reihe vs. Doughty/Scuderi. Art-Ross-Trophy-Winner, anyone? Alexander Owetschkin und Sidney Crosby hin oder her, kein Spieler holte in diesem Jahr mehr Punkte als Henrik Sedin (112). Das macht ihn natürlich nicht zum besten Spieler der Liga, zeigt aber, dass da eine ganze Menge auf die Defense der Kings zukommt. Gepaart mit Bruder Daniel bildet der Schwede das kreativste Duo der Liga, Alexandre Burrows als Vollstrecker ist die perfekte Ergänzung. Auf die Kings-Defense um Drew Doughty wird viel Arbeit zukommen. Ein wichtiger Faktor könnte Rob Scuderi werden. L.A.s Arbeit gegen Vancouvers Offensive ist der Schlüssel in dieser Serie.

Prognose: Nicht wenige Experten bemängelten die zuletzt schwachen Leistungen von Canucks-Torhüter Roberto Luongo, aber der Gegner hat da ganz andere Probleme. Deren Nummer eins Jonathan Quick hat sein Mojo in den letzten Wochen nämlich komplett verloren. Canucks in 5.

Phoenix Coyotes (4) vs. Detroit Red Wings (5)

Saisonbilanz: 2:2 (3:2 OT, 2:3, 1:4, 5:4 OT)

Ausgangslage: Die Coyotes sind die Story der Saison. Ein relatives No-Name-Team gewinnt 50 Spiele und macht 107 Punkte - Wahnsinn! Warum Phoenix in dieser Saison so gut ist, ist auch leicht erklärbar: Defense. Der zweite Grund: Defense. Der dritte Grund: Defense. Die Coyotes reißen offensiv wahrlich keine Bäume aus, aber es gibt kein Team, das in der Verteidigung als Einheit so kompakt spielt und kaum Torchancen zulässt. Dass man dann noch mit Ilja Bryzgalow einen Weltklasse-Keeper im Kasten stehen hat, rundet das Bild der Defensivkönige ab.

Die Red Wings hatten lange mit Verletzungen zu kämpfen, sie fanden einfach ihren Rhythmus nicht und in der Konsequenz stand Detroit verdammt lange unter dem Strich. Dass die Red Wings die Playoffs nicht verpassen würden, war dennoch klar. Irgendwann würden sie heiß laufen. Genau so kam es. Seit der Olympia-Pause ist Detroit nicht mehr zu stoppen. In der Offensive zaubern Henrik Zetterberg und Pawel Datsyuk wie eh und je - und im Tor gibt Super-Rookie Jimmy Howard den nötigen Rückhalt. Howard muss aber wie so viele Goalies in den diesjährigen Playoffs erst noch zeigen, dass er ein Money-Keeper ist.

Players to watch: Lee Stempniak vs. Johan Franzen. Die Coyotes haben einen der besten Trades der Saison gemacht. Lee Stempniak aus Toronto nach Phoenix zu holen, war ein genialer Schachzug. In 18 Spielen im Coyotes-Trikot hat Stempniak 14 Mal eingenetzt und sich damit in der Offense zum Go-to-Guy gemausert. Die Red Wings sind froh, dass Johan Franzen nach langer Verletzungspause wieder zurück und in Form ist. Der Schwede ist ein absoluter Schlüsselspieler für Detroits Weiterkommen.

Prognose: Da spielst du so eine überragende Saison und bekommst als Dank die Red Wings in Runde eins. Die Welt ist ungerecht. Red Wings in 6.

Der komplette Playoff-Spielplan