NHL

"Ein Leben lang ein Winner"

Von Interview: Florian Regelmann
Uwe Krupp (r.) und sein Stanley-Cup-Sieg mit der Colorado Avalanche
© Imago

Besonderen Spielern werden in der NHL besondere Ehrungen zuteil. Uwe Krupp war für die Organisation der Quebec Nordiques/Colorado Avalanche ein besonderer Spieler. Deshalb ist das Spiel der Colorado Avalanche gegen die Philadelphia Flyers sein Spiel. Krupp wird die Scheibe einwerfen, er wird ein Gemälde überreicht bekommen, und alle Fans erhalten ein Poster. Im sehr persönlichen SPOX-Interview spricht der 44-Jährige über sein Siegtor im Stanley-Cup-Finale, seine ehemaligen Mitspieler - und er erklärt die Faszination Schlittenhunderennen.

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SPOX: Herr Krupp, was fällt Ihnen ein, wenn ich 104 Minuten und 31 Sekunden sage?

Uwe Krupp: Ich weiß, worauf Sie anspielen. Das war unser Stanley-Cup-Sieg mit der Colorado Avalanche - ein langer Abend mit tollem Ende, ein absolutes Highlight meiner Karriere. Du wirst in Nordamerika die ganze Zeit darauf gepolt, dass der Stanley Cup das Wichtigste auf der ganzen Welt ist. Wenn du ihn einmal gewonnen hast, bist du ein Winner. Ein Leben lang.

SPOX: Sie haben 1996 das entscheidende Tor zum Cup-Gewinn geschossen. Erinnern Sie sich noch genau an die Situation?

Krupp: Die letzten drei Sekunden habe ich noch gut im Kopf. Es war ein Spielzug, der nicht so klappte wie gedacht und ich stand an der rechten Seite an der blauen Linie. Ich stand weit an der Bandenseite und war in keiner aussichtsreichen Position, um ein Tor zu schießen. Dennoch schießt man als Verteidiger im Training von dieser Position aufs Tor, weil man geschult wird, die Scheibe immer zum Tor zu bringen. Das ist dein Job. Auch heute wird das noch gezielt trainiert. Jedenfalls kam es mir vor, als hätte ich unheimlich viel Zeit und ich konnte mit dem ganzen Körper richtig in den Schuss reingehen. Adam Deadmarsh hat John Vanbiesbrouck die Sicht genommen, die Scheibe ist an ihm vorbei und dann war sie drin.

SPOX: Schieben Sie ab und zu das Video rein, um sich das Tor noch mal anzuschauen?

Krupp: Eigentlich nicht. Ich schätze diesen Moment schon, aber es gibt meistens wichtigere Dinge zu tun, als diesen Moment wieder zu erleben. Da muss mir schon richtig langweilig sein. Aber ich sehe das Tor manchmal zufällig, weil es häufiger auf NHL TV kommt, wenn sie die größten Spiele aller Zeiten wiederholen. Das ist im Sommer ganz lustig, weil ich immer das Haus voller junger Eishockeyspieler habe und sie dann ankommen und sagen: "Hey, Coach, das Spiel läuft gerade."

SPOX: Die Meistermannschaft der Avalanche war gespickt mit großen Spielern. Joe Sakic, Peter Forsberg, Patrick Roy, aber auch ein Waleri Kamenski, der einer meiner Lieblingsspieler war.

Krupp: Kamenski habe ich vor nicht allzu langer Zeit noch gesehen, als er in einer russischen Legenden-Mannschaft von Alexander Medwedew gespielt hat. Egal, ob es Kamenski, Sakic, Forsberg oder Roy war, niemand von ihnen hat gedacht, dass er so gut ist, wie er eigentlich war. Jeder war mit beiden Füßen auf dem Boden. Niemand hatte eine eigene TV-Show, es gab keine Extra-Würste, es waren keine Primadonnas, selbst ein Patrick Roy hatte diesen selbstironischen Humor. Und wenn ein Joe Sakic beim Training zu einem kommt und sagt: "Eigentlich müsste man mich vom Eis nehmen, bei mir geht heute gar nichts, und wie ich heute trainiere, ist peinlich", dann merkt man, dass diese Mannschaft aus ganz normalen Typen mit außergewöhnlichem Eishockeytalent bestand. Die Avalanche sind auch heute noch das Team, bei dem ich am meisten mitleide.

SPOX: 1983 wurden Sie aber zunächst von den Sabres gedraftet: Wie haben Sie von Ihrem Glück erfahren?

Krupp: (lacht) Ich habe es zunächst gar nicht mitbekommen. Ich wusste nicht einmal, was ein Draft ist. Die NHL war die große Unbekannte damals. Nachdem ich gedraftet wurde, hat mich niemand kontaktiert. Der KEC wurde aus den USA informiert, aber es wurde mir nicht weitergeleitet, weil es für die Leute auch völlig fremd war. Es hat einer aus Amerika angerufen, na und? Ein Mitspieler von mir bekam von seinen Eltern immer den Toronto Star zugeschickt und er kam dann eines Tages auf mich zu und hat mir einen Papierschnipsel hingehalten, nicht größer als 1x3 Zentimeter. Und dort stand dann die Draftliste - Nr. 214, Uwe Krupp, Buffalo Sabres.

SPOX: In der Folge haben Sie eine große Karriere gestartet, die ein bitteres Ende hatte in Detroit. Beim Stanley-Cup-Sieg wurde Ihr Name nicht auf den Cup eingraviert, weil Sie zu wenige Spiele absolvierten.

Krupp: Die Regel ist auch gut so, sonst würde ja jeder draufstehen. In Detroit hatte ich sicher die schwierigste Zeit meiner Karriere. Ich hatte große Verletzungsprobleme und musste auch die Erfahrung machen, dass leider die Wenigsten den richtigen Zeitpunkt erwischen, um aufzuhören. Ich war auch stur und habe gedacht, dass ich noch spielen könnte.

SPOX: Sie haben in Ihrer Karriere unter einigen herausragenden Coaches gespielt. Was hat Sie am meisten geprägt?

Krupp: Zuerst muss man wissen, dass sich im Eishockey viel geändert hat. Man kann die heutige Generation nicht so behandeln, wie die Spieler 1975 behandelt wurden. Ich hatte Trainer, die sehr progressiv, aber auch welche, die altmodisch waren. Es war ein guter Mix. Heraus gestochen haben für mich die Trainer, die streng getrennt haben zwischen den Sachen, die dem Eishockeyspieler Uwe Krupp auf dem Eis passieren und der Person, die alles dafür tun würde, um beim Spiel so zu spielen, dass der Trainer ein gutes Gefühl hat, wenn er mich aufs Eis schickt. Viele denken vielleicht, dass das eine Selbstverständlichkeit ist, ist es aber nicht.

SPOX: Wäre es ein Traum für Sie, später als Headcoach in der NHL zu arbeiten?

Krupp: Ich weiß nicht, ob das ein Traum ist. Die NHL ist hart. Jeder sagt, dass die NHL super ist. Dann soll er doch hingehen. Du verdienst nicht umsonst mehr im nordamerikanischen Eishockey als irgendwo anders. Glauben Sie mir, das Geld wird ehrlich verdient - es ist ein knallharter Job. Kein Schonspülprogramm. Auch, oder besonders als Trainer. Der Werdegang der Trainerkarriere ist nicht so linear wie die des Spielers. Als Spieler ist dein Weg vorgezeichnet, als Trainer nicht. Ich könnte mir auch vorstellen, nach dem Nationalmannschafts-Job im Nachwuchs zu arbeiten. Es muss eine gute Situation sein, in der ich etwas aufbauen kann. Das ist das Wichtigste. Vielleicht am liebsten in der NHL (lacht).

SPOX: Wir waren am Anfang des Gesprächs bei Joe Sakic und Peter Forsberg. Stellen wir uns vor, die Jungs von damals machen ein Duell gegen Alex Owetschkin und Sidney Crosby. Wer gewinnt?

Krupp: (nach langem Überlegen) Das ist eine gute Frage. Es wird auf jeden Fall sehr eng. Die neue Generation ist schon sehr gut. Joe Sakic war auf der anderen Seite der beste Spieler, mit dem ich je zusammen gespielt habe. Sagen wir es so: Ich würde Patrick Roy über jeden Torwart stellen, der aktuell in der NHL im Tor steht. Und dadurch, dass Roy im Tor steht, gewinnen Sakic und Forsberg.

SPOX: Zum Abschluss eine ganz persönliche Frage. Sie haben aktiv Schlittenhunderennen bestritten. Wie groß ist die Faszination dieses Sports für Sie?

Krupp: Es fällt mir etwas schwer, darüber zu reden, weil es eine sehr private Angelegenheit ist, die ich aufgegeben habe, um Trainer zu werden. Ich kann Ihnen aber sagen, dass es für  mich eines der faszinierendsten und interessantesten Dinge war, die ich in meinem Leben gemacht habe. Und da zähle ich die paar Sekunden vom Stanley Cup oder bei All-Star-Games mit dazu. Mit den Tieren zu arbeiten, Coach, Materialwart, Busfahrer, Sponsor und Betreuer in einem zu sein, einfach für alles zuständig zu sein und zu sehen, wie die Schlittenhunde zeigen, wie dankbar sie für die Aufmerksamkeit und Sorgfalt sind - es war ein unglaublich toller Lebensstil und Sport.

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