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Taktik-Analyse L.A. Rams: McVay, Goff und konsequente Einfachheit

SPOX erklärt vor dem Super Bowl die Taktik der Rams-Offense.
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Das Passing Game der Rams: Crosser und Screens

Der Aspekt über die Crossing Routes aus Play Action heraus ist eine ideale Überleitung auf das generelle Passing Game der Rams; denn auch das fällt auf Tape schnell auf: die Rams haben nahezu immer mindestens eine oder zwei Crossing Routes in ihre Plays eingebaut, aus allen Sets und Formationen heraus.

Das nutzen sie gerne mit Mesh-Konzepten - zwei kurze, direkt aufeinander zulaufende Routes, die Verteidiger dazu zwingen, um Spieler herum zu navigieren, um ihren Gegenspieler zu verfolgen -, sehr häufig sind es aber auch schlicht Mid-Range-Crosser, um Goff eine Option hinter dem Linebacker-Level zu geben: Goff hat in der Mitte des Feldes in der Mid-Range (10 bis 20 Yards Downfield) dieses Jahr 979 Passing Yards aufgelegt, mehr waren es nur mittig Underneath (1.020).

Die Rams sind, vor allem aus dem "normalen" Passing Game, keine sonderlich vertikale Offense. Goff wirft nur 12,2 Prozent seiner Pässe 20 Yards oder weiter, damit rangiert er exakt im Mittelfeld der Liga. Dennoch hatte er fünf Interceptions im Passing Game, nur fünf Quarterbacks haben hier mehr.

Goff ist an sich ein sehr guter Deep-Ball-Passer, das zeigte er auch oft in der vergangenen Saison, und die Rams-Offense unterstreicht diese Qualitäten. Gleichzeitig ist McVay stets bemüht darum, seinen Spielern - inklusive und mitunter ganz besonders dem Quarterback - die Arbeit so leicht wie möglich zu machen.

Deshalb die klaren Reads aus Play Action heraus, und deshalb auch ein sehr gefährliches Screen Game, um Goff und der Offense einfache Yards zu geben.

Phasenweise ist L.A. hier im Laufe der Saison etwas zurückhaltender geworden, die Designs aber sieht man noch immer. Die Rams spielen ihre Screens bevorzugt aus zwei Dingen, die die Offense ohnehin sehr intensiv nutzt: Bunch Formations - dazu gleich noch mehr - und aus Play Action heraus.

Die Screens der Rams kommen also nicht selten, wenn etwa Blocks für einen Run angetäuscht werden oder ganz direkt via Play Action zum Running Back, nachdem erst die Ballübergabe an ihn angetäuscht wurde. Es sind, wie in so vielen Bereichen der Rams-Offense, subtile, aber effiziente Täuschungsmanöver.

Passing Game Part 2: Bunch Formations und Gurley?

Fokussiert man sich auf das normale Passing Game der Rams, wird auch im Super Bowl die Formation schnell ins Auge springen. Einerseits aufgrund der Tatsache, dass hier fast alles aus der bereits angesprochenen Shotgun-Formation passiert; andererseits aber auch, da die Receiver oftmals sehr eng an der Offensive Line und sehr eng beieinander postiert sind.

Das geht wieder Hand in Hand mit dem Ziel McVays, Run- und Pass-Formationen möglichst ähnlich aussehen zu lassen, schließlich sind die Receiver so auch prädestinierte Blocker, wenn ein Run gespielt wird. Es bringt aber noch weitere Vorteile mit sich.

Die drei eng beieinander aufgestellten Receiver - eine sogenannte "Bunch-Formation" - sind für Defenses ein echtes Problem: Die Offense kann daraus konstant mindestens einem Receiver einen freien Release geben, da er sich zurückgezogen aufstellt; der gegnerische Cornerback kann ihn also nicht direkt beim Release stören.

Außerdem sind diverse sich überkreuzende Laufwege, Switch Releases und dergleichen möglich, was vor allem gegen Man Coverage große Probleme mit sich bringt. Zusätzlich kann die Offense die Defense so aus der eigenen Struktur bringen; sind drei Wide Receiver so eng beieinander und auf einer Seite der Formation aufgestellt, muss die Defense in ihrer Coverage meist reagieren und Cornerbacks anders aufstellen, als geplant.

Darüber hinaus zwingen die so weit in der Mitte des Feldes positionierten Bunch-Formations die Defense dazu, das ganze Feld zu verteidigen. Die Seitenauslinie als Unterstützung, wie bei weit außen postierten Receivern, fällt weg, der Verteidiger muss in beide Richtungen verteidigen.

Das hier abgebildete Play zeigt zudem einerseits eine der klassischsten Rams-Formationen (11-Personnel, zwei Receiver und ein Tight End im Bunch auf einer, ein Receiver isoliert auf der anderen Seite), andererseits aber auch, wie die Rams Gurley neben dem Screen Game als Receiver einsetzen: Mit einer durchschnittlichen Tiefe bei seinen Targets von 0,7 Yards rangiert er unter Running Backs weit außerhalb der Top-40, abgesehen von Screens und kurzen Dump-Offs wird er vor allem auch in der Flat eingesetzt, wenn die Rams eine Seite gezielt auf verschiedenen Eben attackieren wollen.

Die oben dargestellte kurze Comeback- oder Out-Route in Kombination mit einer tieferen In-Breaking-Route sieht man bei den Rams häufiger, um Goff im Idealfall ein Wurf-Fenster über die Mitte zu geben, während die Aufmerksamkeit von zumindest einem Underneath-Verteidiger Richtung Seitenlinie gelenkt wird.

Zone Overload und Multi-Level-Konzepte

Insbesondere in offensichtlichen Passing-Situationen stellt McVay hin und wieder seine Formationen auch um, zu sehen sind dann häufiger diese und dieser sehr ähnliche Formationen:

Goff in der Shotgun generell ist ein Pass-Indiz, mit den zwei Stack-Aufstellungen auf beiden Seiten der Formation wollen die Rams dann mehrere Crossing-Elemente mit mindestens einer vertikalen Route kombinieren.

Die hier abgebildete Szene zeigt den Deep Shot zu Brandin Cooks im Championship Game kurz vor der Halbzeitpause. Mit den Crossern auf verschiedenen Ebenen der Defense soll Goff wenigstens eine Option für einen "sicheren" Pass haben - bekommt der vertikale Receiver ein Eins-gegen-Eins, sollte Goff dieses Matchup zumeist aber bevorzugen.

Darüber hinaus baut L.A. insbesondere gegen Zone Coverage sehr häufig Hi-Lo-Konzepte mit ein, also zusammenspielende Routes, welche einen Bereich der Zone Coverage gezielt überladen und so im Idealfall mit zwei Spielern eine Zone attackieren.

Rams: Und wo sind die Schwachstellen?

Zum Abschluss die Frage: wo liegen die Ansätze für New England? Die Rams hatten ihre schwächsten offensiven Auftritte in dieser Saison fraglos gegen die Bears und die Eagles, die sich in zwei kritischen Aspekten ähnlich waren: beide konnten mit dem 4-Men-Rush Druck erzeugen und beide nahmen den Rams mit mehreren tiefen Zone-Verteidigern die Big Plays weg.

Beides sind nicht gerade die Kernkompetenzen der Patriots-Defense: New England spielt mehr Man Coverage, als irgendein anderes Team und hat keinen individuell dominanten Pass-Rusher; der Pass-Rush kommt vor allem über das Scheme, schwer lesbare Fronts und Blitzing zustande, für die Belichick aufgrund der starken Secondary in der Front die Freiheiten hat.

Doch auch damit sollte New England einige Möglichkeiten, um Zugriff auf die Rams-Offense zu bekommen, finden. Noch immer fällt auf, dass Goff Schwierigkeiten bekommt, wenn sich Coverages nach dem Snap umstellen, wenn er unerwartete Dinge lesen muss und wenn die vermeintlich über die Route-Kombinationen offenen Receiver plötzlich nicht frei sind.

Hier sollten die Patriots vor allem Möglichkeiten sehen. New England hat die individuellen Mittel, um gegen die Rams-Receiver Eins-gegen-Eins-Coverage zu spielen und kann dann mit Safeties und anderen "freien" Verteidigern dazu übergehen, Goff das Leben schwer zu machen.

Goff hatte dieses Jahr gegen Pressure eine Completion-Quote von 43,3 Prozent, unter allen Quarterbacks mit mindestens 150 Dropbacks bedeutet das in dieser Regular Season Platz 33. Nur sechs Yard pro Pass sowie fünf Touchdowns und sechs Interceptions, wenn er unter Druck stand, sprechen ebenfalls eine klare Sprache.

Das muss also eine der obersten Prioritäten für New England sein, und vor allem auch, es aus den schwer lesbaren Pass-Rush-Paketen ohne Blitzing zu schaffen. Die Rams sind offensiv in ihren Play-Designs und auch in Person von Goff stark abhängig von ihrer herausragenden Offensive Line. Wenn New England L.A. hier Probleme bereiten kann, besteht eine reelle Chance, dass die Offense Sand ins Getriebe bekommt.

Eine Sache, die zudem im Eagles-Spiel aufgefallen ist? Philadelphia war vor allem früh im Spiel sehr konsequent darin, die Backside des Plays mit einem (oder zwei) Defensive Back(s) zu attackieren. So wurde Gurley die Option, den Run mit einem Cut zurück zu bringen genommen, und nicht selten erwischte einer dieser Spieler Gurley auch an oder noch vor der Line of Scrimmage.

Wie sie die Line of Scrimmage kontrollieren können, ohne die Secondary zu entblößen, wird der Schlüssel zum Sieg für die Patriots-Defense sein. Mehr dazu gibt's am morgigen Mittwoch hier auf SPOX in der ausführlichen Analyse der Patriots-Defense!

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