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Super Bowl: Rams-Coach Sean McVay: A Beautiful Mind

Den nächsten Sean McVay zu finden ist der Traum mehrerer NFL-Teams - jetzt könnte der Rams-Coac der jüngste Super-Bowl-Sieger aller Zeiten werden.
© getty
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McVay über die UFL zu den Washington Redskins

Grudens Entlassung in Tampa Bay im Januar 2009 legte McVays NFL-Karriere für ein Jahr auf Eis, dem Football blieb er aber treu und coachte in der United Football League, die ganze drei Jahre schaffte ehe die finanziellen Mittel ausgingen (2009 bis 2012), die Wide Receiver der Florida Tuskers - übrigens unter Jons Bruder Jay, der damals Offensive Coordinator der Tuskers war und später McVays Head Coach in Washington werden sollte.

Doch war es McVay, der zuerst in die Hauptstadt kam: Mike Shanahan, der damalige Head Coach der Redskins, suchte einen Assistenz-Trainer, um mit den Tight Ends zu arbeiten - es dauerte nicht lange, ehe er sich für McVay entschied, wie er später der Washington Post verriet: "Er stellte Fragen, die Leute in seinem Alter normalerweise nicht stellen. Er wollte für alles den Grund wissen."

Und auch der heute frisch gebackene Packers-Head-Coach Matt LaFleur, den McVay später zu den Rams mitnahm, erinnert sich genau. Er war damals derjenige, der befördert wurde und dessen Assistenztrainer-Posten neu besetzt werden sollte; und LaFleur konnte Teile des Gesprächs zwischen McVay und Washingtons damaligem Offensive Coordinator Kyle Shanahan mithören.

"Ich habe durch die Wand gehört, wie er Plays installiert hat. Das war ziemlich beeindruckend", zitiert der Ringer LaFleur, der auch seine ersten direkten Gespräche mit dem neuen, jungen Kollegen noch bestens im Kopf hat: "Ich wusste, dass er Head Coach wird, als ich mich das erste Mal mit ihm getroffen habe. Er hat einfach eine wahnsinnig positive Energie, ist extrem intelligent, liebt Football mehr als irgendwer, den ich kenne - und er ist einfach brillant. Ich glaube, er könnte ein fotografisches Gedächtnis haben."

Sean McVay - A Beautiful Mind

Der Aufstieg ging dann genauso kometenhaft weiter und als Jay Gruden 2014 als neuer Head Coach in der Hauptstadt übernahm, gab es den nächsten großen Schritt für McVay: Gruden machte ihn zum Offensive Coordinator. Drei Jahre später stellten ihn die Rams als jüngsten Head Coach in der modernen NFL vor.

Und während die Head-Coach-Suche anderer Teams in diesem Jahr zum McVay-Meme-Fest wurde, hatte sich McVay selbst bereits einige Monate davor zum Internet-Phänomen aufgeschwungen: Ein Bleacher-Report-Video zeigte ihn, wie er aus zufällig gewählten Spielen in zufälligen Spielsituationen die exakten Plays und Resultate wiedergeben konnte.

Sein fotografisches Gedächtnis war auch eindrucksvoll zu sehen, als McVay unmittelbar nach dem spektakulären Sieg über die Chiefs in dieser Saison auf der Pressekonferenz exakte Coverages der Chiefs und Goffs dazugehörige Reads wiedergeben konnte - eine Situation, in der viele andere Head Coaches nur zu gerne darauf verweisen, dass sie "zuerst das Tape schauen müssen".

Der schnelle Turnaround der Rams - mehr als nur Scheme

Es ist diese Art positive Football-Verrücktheit, die jeder Weggefährte McVays bestätigt. Es gibt Geschichten aus Los Angeles, wonach sich McVay in Team-Meetings teilweise entschuldigt - weil er zu aufgeregt wird, wenn er Plays im Detail erklärt. Er geht teilweise in die Receiver-Drills mit aufs Feld, und vor allem hat er in beachtlicher Geschwindigkeit bei den Rams eine Kultur der Selbstverantwortung installiert.

"Er stellt sich vor uns und gibt das offen zu. Er sagt dann: "Ja, da habe ich Scheiße gebaut und euch in eine schlechte Lage gebracht. Ich werde das reparieren." Wenn du einen Coach hast, der so etwas macht, erlaubt es das auch jedem anderen, sich so zu verhalten", erzählt Defensive Lineman Michael Brockers.

Left Tackle Andrew Whitworth, der rein sportlich gesprochen selbst einen riesigen Anteil am blitzartigen, mitunter historischen Turnaround der Rams unter McVay - L.A. wurde in seinem ersten Jahr als Head Coach von der schlechtesten zur besten Scoring-Offense transformiert - hat, fügte im Ringer hinzu: "Für jeden, der Sean trifft, spielt das Alter keine Rolle. Von dem Moment an, wenn man mit ihm über Football spricht, bemerkt man seine Intelligenz und sein Spielverständnis - das ist einfach auf einem anderen Level."

So seien "viele Leute stur in ihrem Verhalten und machen Dinge auf eine Art und Weise, weil sie sie eben schon immer so gemacht haben. Er ist das genaue Gegenteil. Er ist nicht nur die intelligenteste Person im Raum, sondern auch die demütigste Person. Auch wenn er die Antwort kennt, fragt er nach, warum man selbst bestimmte Sachen anders machen würde. So findet man Wege, Dinge auf eine Art zu tun, mit der sich alle Beteiligten wohlfühlen."

Der nächste McVay? Viel Erfolg!

Die Idee, den "nächsten Sean McVay" zu finden, muss also viel mehr beinhalten als nur einen begnadeten jungen Offensiv-Taktiker. In Zeiten, in denen viele starke Offenses von Matchup-Waffen, diversen verschiedenen Formationen und Personnel-Gruppierungen leben, hat McVay mit dem Gegenteil Erfolg: kein Team spielt weniger verschiedene Formationen als die Rams, kein Team spielt ansatzweise so viel 11-Personnel (ein Running Back, ein Tight End, drei Wide Receiver).

Die Gefahr des Schemes der Rams-Offense liegt darin, wie ähnlich sich die Spielzüge sehen - weil fast alles mit den gleichen Formationen und Personnel Groupings beginnt. Und darin, wie McVay den Jet Sweep als Mittel benutzt, um Inside-Runs Platz zu verschaffen; auch hier ist kein Team konsequenter darin, was die generelle Nutzung des (angetäuschten) Jet Sweeps angeht. Es ist eine Offense, die für die Offense-Spieler nicht komplex und somit einfach umsetzbar ist, dennoch konstant für Defenses schwer lesbar bleibt.

Doch McVays Rolle geht weit darüber hinaus; diese Fähigkeiten würden ihn zunächst einmal "nur" zu einem begnadeten Offensive Coordinator machen. Es ist die Art, wie er mit den Spielern spricht. Wie er sich selbst nicht über sie stellt, gleichzeitig aber das Team anführt. Wie er sich vor seine Spieler stellt - etwa als vor allem in der Vorsaison darüber diskutiert wurde, wie drastisch der Einfluss von McVay ist, da die Rams schnell an die Line kommen und er so Goff vor dem Snap noch weitere Hinweise und Tendenzen über die Defense aufs Ohr sagen kann. McVay war irgendwann von dieser Diskussion genervt und rückte immer wieder seinen Quarterback in den Mittelpunkt.

Und wie er all seine Ideen an das Team vermitteln kann. Goff erinnert sich noch, was er bei McVay gleich zu Beginn besonders wahrnehmen konnte: "Die Art und Weise, wie er Dinge beschreibt und kommuniziert; wie er wirklich komplexe Dinge so einfach erscheinen lässt. Das war für mich ein "Wow"-Moment."

So dürfen die Verantwortlichen in Los Angeles berechtigt hoffen, dass sie etwas gefunden haben, das fast alle NFL-Franchises suchen und das den kommenden Gegner im Super Bowl seit fast 20 Jahren auszeichnet: eine Head-Coach-Quarterback-Kombination, die eine Basis für langfristigen Erfolg sein kann. Mit einem Coach-Phänomen, dessen NFL-Karriere gerade erst so richtig losgeht.

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