NFL

New England Patriots OC Josh McDaniels: Verlasse nicht die Familie!

Von Pascal De Marco
Josh McDaniels könnte seinen sechsten Super Bowl gewinnen.
© getty

Die New England Patriots haben wieder einmal eine der beeindruckendsten Offensiven der Liga gestellt. Wenig wird dabei von Offensive Coordinator Josh McDaniels gesprochen. Der aber könnte wie Bill Belichick und Tom Brady seinen sechsten Super Bowl (am Montag ab 0.30 Uhr live auf DAZN) gewinnen. Auf ein Head-Coaching-Angebot der Green Bay Packers hatte er in diesem Jahr keine Lust. Grund dafür könnte eine für ihn wichtigere Aussicht sein, als die, Aaron Rodgers zu trainieren.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Zwei Niederlagen in den ersten drei Saisonspielen waren für die aus Gewohnheit langsam in die Saison startenden Patriots kein Grund, in Panik zu verfallen. Niederlagen im Dezember dagegen, wie die vor einigen Wochen in Miami und in Pittsburgh, war man von dem Team, das in den Wintermonaten eigentlich immer abliefert, jedoch nicht gewohnt.

Für einige war das Grund genug, den Glauben an das Team um den 41-jährigen Tom Brady und einer mehr und mehr problematischen Situation in New England, zu verlieren. Schließlich erkannte man Tight End Rob Gronkowski in dieser Saison nicht wieder, und als mit Josh Gordon der einzig verlässliche Deep Threat das Team verlassen hat, schienen die Möglichkeit in der sonst so gefährlichen Patriots-Offense zu begrenzt.

Die Patriots wären jedoch nicht die Patriots, wenn sie sich nicht auch in misslichen Situationen anpassen könnten. Und das bewiesen sie in diesen Playoffs wieder einmal mit unnachahmlicher Coolness. In den Spielen gegen die Los Angeles Chargers und die Kansas City Chiefs dominierte man offensiv, weil man die Schwächen der gegnerischen Defense nicht nur erkannte, sondern auch Lösungen parat hatte, um sie effizient und kontinuierlich an diesem Punkt zu attackieren.

Das Lob dafür erhielten wie so häufig Bill Belichick und Tom Brady. Nur selten wurde hingegen der Name von Offensive Coordinator Josh McDaniels erwähnt.

New England Patriots setzen offensive Anpassung ideal um

In New England wusste man zu jeder Zeit um die Stärke seiner physischen Offensive Line. In Trent Brown, Joe Thuney, David Andrews, Shaq Mason und Marcus Cannon verfügen die Patriots über eine der besten Units der gesamten Liga und in Dante Scarnecchia einen ligaweit geschätzten Offensive-Line-Coach der höchsten Kategorie. Warum also hätte man diese Stärke nicht nutzen sollen?

Der Abgang von Wideout Gordon hatte einen Wandel der Philosophie zur Folge. Die Patriots gingen von Three-Receiver-Sets vermehrt zur Nutzung von 21-Personnel über und setzten dabei, ähnlich wie die San Francisco 49ers mit Kyle Juszczyk, überwiegend auf Fullback James Develin als zweiten Mann im Backfield. Anders als an der Westküste jedoch ist man in den Möglichkeiten für seine Run-Konzepte flexibler.

Die Patriots beherrschen nämlich sowohl Outside Zone als auch eine Menge von Gap-Scheme-Konzepten wie Isos, Lead Draws oder Wham. Bei nur wenigen Team ist die Nutzung beider Wege derart balanciert und dementsprechend schwer vorhersehbar. Während sie im ersten Moment auf Geschwindigkeit und Technik bei einem Play in die Horizontale setzen, können sie beim nächsten Play auf das rustikale Stilmittel setzen und in einem physisch und numerisch dominierten Kampf in den Trenches für ein Run-Play in die Vertikale blocken.

Das Run- und Play-Action-Game der Patriots ist ein Show

Die Pats sind sich der physischen Voraussetzung und der Konstellation der gegnerischen Defense zu jeder Zeit bewusst und wissen sie in vielen Fällen auf dem falschen Fuß zu erwischen. Darauf zu reagieren ist für eine Defense auf physischer Basis genauso anstrengend, wie es mental anspruchsvoll ist. Alleine das zu kontrollieren ist für viele Teams eine Herausforderung; doch beherrschen die Patriots und Tom Brady zudem auch noch das Play-Action-Game zur Perfektion.

New England verfügt zwar nicht über die Receiver, die Secondaries bei reinen Drop-Back-Plays konstant schlagen können, doch wissen allesamt von Play Action zu profitieren. Hier nutzen Julian Edelman, Phillip Dorsett und Gronkowski die zusätzliche Zeit, um sich gegen Man-Coverage zu befreien oder die sich öffnenden Räume in Zone Coverage anzulaufen.

Selbstverständlich sind die Patriots auch eines der besten Teams darin, den Run zu verkaufen und Play-Action-Designs bestmöglich vorzubereiten. Immer wieder kann man beobachten, wie Downfield-Blocks angetäuscht werden und Linemen die Kontrolle wahren, bevor sie als Illegal Man Downfield in eine verbotene Zone für ein Passing Play treten würden. Oder Receiver, die nach dem Snap von ihrer Außenposition ins Zentrum laufen, nur um nach der angetäuschten Ballübergabe schnell wieder in Richtung Außenbahn zu sprinten, um einen Verteidiger zu beanspruchen und aus dem Play zu nehmen.

Das gesamte Run- und Play-Action-Game der Patriots wirkt in seiner Planung, Ausführung und situativen Anwendung nahezu perfekt strukturiert. Hierfür gilt es ein Riesenkompliment an das Coaching Staff und vor allen Dingen Play-Caller McDaniels auszusprechen.

Josh McDaniels: Head-Coaching-Debüt in Denver geht in die Hose

McDaniels ist das vielleicht wichtigste Mitglied des Coaching Staffs von Belichick und der Assistent, in den der Head Coach am meisten Vertrauen hat. Seit 2001 ist McDaniels Teil des Staffs in New England und so durfte er dementsprechend gleich im ersten Jahr den ersten Super Bowl in der Belichick-Brady-Ära feiern. Der Erfolg, den die Patriots daraufhin hatten, machte McDaniels für Head-Coaching-Posten ligaweit interessant.

Diesen sollte er 2009 bei den Denver Broncos angeboten bekommen. Doch verlief die Amtszeit nicht wie erhofft. Der Erfolg blieb aus, und die Medien sahen in ihm aufgrund der prominenten Vergangenheit schnell eine dankbare Zielscheibe. Ast des wenig von Erfolg gekrönten Belichick-Coaching-Trees zu sein half hier genauso wenig, wie die Involvierung in einen Skandal bezüglich der Videoaufnahme eines Walkthoughs der 49ers in London.

Nach zwölf Spielen in seiner zweiten Saison wurde McDaniels mit einer Bilanz von 11-17 und in der Verantwortung für den Uptrade für Tim Tebow in die erste Runde des Drafts 2010 stehend entlassen. Nach einem Jahr als Offensive Coordinator der St. Louis Rams holten die Patriots, die in den drei Jahren ohne McDaniels so wenig Erfolg wie sonst nie in der Belichick-Ära hatten, schließlich zurück.

Nachdem Bill O'Brien die Pats dann als Offensive Coordinator in Richtung Houston verließ, übernahm McDaniels nach nur einem Jahr seine ehemalige Rolle wieder. Die Pats sollten in allen der darauffolgenden sechs Spielzeiten in den Top 5 des offensiven DVOA abschließen und zwei weitere Super Bowls gewinnen. McDaniels war somit bei allen fünf Super-Bowl-Siegen der Patriots Teil des Belichick-Staffs. Es verwunderte wenig, dass er ein neues Head-Coaching-Angebot erhalten sollte.

McDaniels sagt Colts in letzter Sekunde ab

So sagte er den Indianapolis Colts nach der vergangenen Regular Season zu und war nach dem verlorenen Super Bowl in Minnesota schon auf dem Weg zum neuen Arbeitgeber. Die Colts vermeldeten, sich in Sicherheit wiegend, am 6. Februar 2018 ihre neue Star-Verpflichtung auf den Social-Media-Kanälen und kommunizierten, dass die Vorstellungspressekonferenz für den Folgetag terminiert wurde.

Am Abend desselben Tages, jenes 6. Februar 2018, jedoch sagte McDaniels den Colts urplötzlich ab und sorgte für ein unglaubliches nationales Medienecho voll von Kritik und Unverständnis. McDaniels hatte die Colts als letztes Team ohne Head-Coaching-Besetzung in einem Scherbenhaufen stehen lassen und sich stattdessen kurzerhand für die Fortsetzung seiner Laufbahn unter Ziehvater Belichick entschieden.

"Ich bin dankbar für die Möglichkeit, die mir gegeben wurde", sagte McDaniels kürzlich über das Geschehen, "aber noch dankbarer bin ich natürlich für die Möglichkeit, die ich hier habe. Ich habe schon häufiger gesagt, dass ich einen der besten Jobs der Welt habe und glücklich darüber bin, weiter hier sein zu können."

Das Vorgehen McDaniels war so kontrovers und fragwürdig, dass mancherorts der Zeigefinger nach Boston und in Richtung Eigentümer Robert Kraft gerichtet wurde. Der habe sich, so der Vorwurf, mit dieser Hollywood-reifen Inszenierung für die Folgen von "Deflate-Gate" - als die Pats einen Erstrunden-Pick abgeben mussten und Brady für die ersten vier Saisonspiele gesperrt wurde - an der Colts-Franchise rächen wollen.

Für McDaniels hingegen hätte dies die letzte Head-Coaching-Offerte bedeutet haben können.

McDaniels über Head-Coaching-Job: "Die Türe ist zu"

Dass dies nicht der Fall, wurde in einer weiteren tollen Saison der Patriots-Offensive klar. New England schloss trotz zahlreicher Baustellen erneut auf Platz 5 des offensiven DVOA ab und stellte die viertbeste Scoring-Offense der Liga - und McDaniels würde eine weitere Chance auf einen Head-Coaching-Posten erhalten. Den vielleicht verlockendsten aufgrund der Besetzung der Quarterback-Position. Den der Green Bay Packers rund um Aaron Rodgers.

Für McDaniels allerdings ist das Thema Head Coaching vorerst beendet. Selbst die Aussicht auf die Zusammenarbeit mit dem vielleicht talentierteren Quarterback im Vergleich zu Brady konnte ihn nicht davon überzeugen, New England ein weiteres Mal zu verlassen.

"Die Türe ist zu", sagt McDaniels zum Thema Head-Coaching in Richtung Wisconsin. "Es ist immer eine bewegende Erfahrung, ein Interview für eine solche Position zu erhalten und ich war dankbar, dass man mir in Green Bay diese Chance gegeben hat, aber meine Zukunft liegt hier."

McDaniels weiß, dass seine Legacy in Boston liegen muss. Dies hat nicht nur mit dem Fakt zu tun, dass er hier die bessere Chance auf einen weiteren Super Bowl hat, sondern dass er sogar noch vor Auslaufen seines Fünf-Jahres-Vertrages im Jahr 2022 die Möglichkeit erhalten könnte, neuer Head Coach der New England Patriots zu werden.

Als Nachfolger des erfolgreichsten Coaches aller Zeiten, seines Ziehvaters und bei der Franchise, deren Konstrukt die wohl dominanteste und beeindruckendste Ära im professionellen Sport aller Zeiten möglich gemacht hat.

Artikel und Videos zum Thema