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Die Probleme der Los Angeles Rams: Das Genie unter Druck

Von Jan Dafeld
Sean McVay verlor erstmals in seiner Karriere als Head Coach zwei Spiele in Serie
© getty

Die Los Angeles Rams stecken ausgerechnet unmittelbar vor den Playoffs in ihrer ersten kleinen Krise. Die Offense strauchelt, Jared Goff ist kaum wiederzuerkennen. Kann Sean McVay sein Team schnell genug zurück in die Spur führen?

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Die NFL-Playoffs sind brutal. Anders als es zum Beispiel in der NBA der Fall ist, entscheidet ein einziges Spiel über Weiterkommen und Ausscheiden, über Triumph und Niederlage. Ein kleiner Fehler, ein Drop oder ein verpasstes Tackling, kann das Saisonaus bedeuten und die Arbeit von Monaten in einem Moment zerstören.

Es ist dieses Bild, das bleibt. Wer erinnert sich noch an die herausragende Regular Season der Pittsburgh Steelers im letzten Jahr, als man Platz eins in der AFC nur um Haaresbreite verpasste? Wer hat die starken Leistungen der Carolina Panthers, die bis zuletzt mittendrin im Kampf um eine Playoff-Bye-Week waren, noch vor Augen? Allzu viele dürften es nicht sein. Die Niederlagen gegen die Jacksonville Jaguars und die New Orleans Saints im ersten Playoff-Spiel sind deutlich präsenter.

Jeder in der NFL ist sich dieser Wahrnehmung bewusst. Auch Sean McVay.

L.A. Rams: Warten auf den ersten Playoff-Sieg

McVay ist ein herausragender Coach, ein Genie, wenn es um Football geht. Darüber herrscht kein Zweifel. Er verwandelte die tristen Los Angeles Rams innerhalb eines Jahres in eines der spektakulärsten Teams der NFL. Kollegen und Spieler respektieren ihn, in den Medien wird er so sehr gefeiert, dass das Video einer bloßen Aufzählung der elf Starter der Bears-Defense ("Hicks macht exzellente Arbeit", "Amos spielt schon seit langer Zeit gut") durch McVay landesweit viral ging. Aber: McVay hat in seiner Karriere auch noch kein Playoff-Spiel gewonnen.

Es waren zwei Special-Teams-Fumbles, die McVay und seine Rams im vergangenen Jahr gegen die Atlanta Falcons auf die Verliererstraße brachten. Dieses Schicksal darf sich in dieser Spielzeit nicht wiederholen. Zu viel wurde in der Offseason in neue Spieler investiert, zu gut war das Team über weite Strecken dieses Jahres. Doch genau zum schlechtmöglichsten Zeitpunkt schlitterte L.A. in seine erste Formkrise.

Jared Goff steckt in der Krise

Zehn Siege bei nur einer Niederlage hatten die Rams vor ihrer Bye-Week gefeiert, der furiose 54:51-Erfolg über die Kansas City Chiefs war der vorläufige Höhepunkt ihrer grandiosen Saison. Quarterback Jared Goff hatte 26 Touchdowns bei nur sechs Interceptions auf dem Konto und war ein legitimer MVP-Kandidat.

Seitdem? Zwei Niederlagen in drei Spielen. Sieben Interceptions und nur ein Touchdown für Goff. Dazu kommen drei Fumbles und eine Completion Percentage von weniger als 55 Prozent für den 24-Jährigen. Im Dezember spielte kein Quarterback schlechter. Der MVP-Titel ist längst außer Reichweite.

"Wir müssen herausfinden, was los ist und zwar schnell", schlug McVay nach der jüngsten Niederlage gegen die Philadelphia Eagles selbst Alarm. "In den letzten zwei Wochen haben wir Dinge getan, die völlig uncharakteristisch für gute Football-Teams sind. Jeder trägt eine Mitschuld daran."

Die Probleme der Rams über die vergangenen drei Spiele - schon gegen die Detroit Lions deuteten sich viele der Makel an - sind vielschichtig.

Los Angeles Rams: Zahlreiche Probleme in der Offense

Der Druck, den Defenses auf Goff ausüben, ist merklich größer geworden. Obwohl die Offensive Line, die über Wochen zu den besten der Liga zählte, personell weiter intakt ist, hielt die Pass-Protection zuletzt deutlich schlechter. Für ein Team, das weniger als jedes andere in der NFL auf schnelle Pässe setzt, und einen Quarterback, der seit Beginn seiner Profikarriere Probleme gegen Pressure zeigt, ist das alarmierend.

Eine Folge der verringerten Zeit für Goff ist der komplette Einbruch des Deep Passing Games der Rams. Über die ersten elf Wochen komplettierte Goff 24 von 45 Deep Passes (mindestens 20 Yards) für sieben Touchdowns und nur zwei Interceptions. In den vergangenen drei Wochen waren es zwei von 13 für null Touchdowns und drei Interceptions.

Doch die O-Line ist nicht alleine verantwortlich für dieses Desaster. Genau so wenig ist es die Verletzung von Wide Receiver Cooper Kupp. "Teams machen jetzt andere Dinge gegen uns", analysierte Goff. "Sie probieren andere Sachen aus und wir müssen einen Weg finden, um darauf zu antworten."

Im Fall der Rams sind diese "anderen Dinge" vor allem: Mehr tiefe Safeties, weniger Spieler in der Box. Monatelang dominierten McVay und seine Spieler mit ihrem 11-Personnel gegnerische Defenses, zwangen Safeties in Duelle mit Wide Receivern und kreierten schematisch Raum für Running Back Todd Gurley.

Über die letzten Wochen gelang das allerdings weniger und weniger. Die gegnerischen Konzepte mit zwei tiefen Safeties konnten die Rams über den Boden kaum ausnutzen. Nur 66 Rushing Yards pro Spiel und 4,5 Yards pro Carry verzeichnete Gurley in den Niederlagen gegen die Bears und Rams. Eine Mitschuld trägt dabei auch McVay: Fast 70 Prozent aller Rams-Plays über die letzten drei Wochen waren Passing Plays - kein Team warf ligaweit mehr. Über die ersten elf Spiele der Saison hatte L.A. in puncto Pass Percentage noch Platz 20 belegt.

Sean McVay kritisiert erstmals seinen Quarterback

Die aktuelle Situation ist auch für den genialen Head Coach neu. Erstmals verlor das Team unter seiner Führung zwei Spiele in Serie, erstmals steht auch er selbst unter Druck. "Ich denke, es ist ziemlich klar, wir brauchen keine Wunderlösung", zeigt sich McVay aktuell noch betont entspannt. "Wir passen nicht gut auf den Ball auf. Das müssen wir besser machen."

Doch der Ton wird rauer, auch McVay weiß, dass die Zeit vor den Playoffs, die Zeit, bevor es ernst wird, knapp wird. Nach der Niederlage gegen die Eagles tat der 32-Jährige etwas, das er zuvor noch strikt vermieden hatte: Er kritisierte seinen Quarterback. "Er muss bessere Entscheidungen fällen", so McVay. "Manchmal muss man einfach mal einen Sack schlucken."

"Ich habe ein paar dumme Fehler gemacht, die uns weh getan haben, und das kannst du nicht machen", zeigte sich Goff selbstkritisch, ergänzte allerdings auch: "Gleichzeitig haben wir den Ball am Ende des Spiels ziemlich gut bewegt und genau das genommen, was die Defense uns ermöglicht hat. Ich glaube, dass ich in diesem Spiel viel gelernt habe."

Das Vertrauen seiner Mitspieler hat Goff (noch) nicht eingebüßt: "Er ist cool und ruhig, du kannst dir sicher sein, dass er vor nichts zurückschreckt", beschreibt ihn Wide Receiver Josh Reynolds. "Egal ob wir mit 23 Punkten zurückliegen oder mit 23 Punkten führen, er ist immer so. Und unseren Leader so zu sehen, ist gut."

Dankbares Restprogramm als Chance

Die Rams müssen schnellstmöglich wieder in die Spur finden. Der Silberstreif am Horizont: Viel bessere Gegner, um genau das in den letzten zwei Wochen der Regular Season zu schaffen, könnten kaum warten. Sowohl die Arizona Cardinals als auch die San Francisco 49ers sind schon lange aus dem Playoff-Rennen ausgeschieden. Im ersten Aufeinandertreffen mit den Rams kassierten beide Teams mit 0:34 und 10:39 deutliche Klatschen.

Im Januar treffen dann allerdings ganz andere Kaliber auf die Rams. Der wahrscheinlichste Gegner im ersten Playoff-Spiel scheinen aktuell die Chicago Bears zu sein - ausgerechnet das Team, das die Rams-Offense erstmals wirklich in die Schranken wies. Dies wird sich in einem zweiten Aufeinandertreffen auf keinen Fall wiederholen dürfen. Andernfalls blieben alle Siege in der Regular Season nichts mehr als eine Randerscheinung. So ist die NFL. Das weiß auch McVay.

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