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Tom Brady und Aaron Rodgers vor dem Duell am Sonntag: Was wäre, wenn...?

Von Pascal De Marco
Tom Brady hatte beim ersten Duell gegen Aaron Rodgers das Nachsehen.
© imago

Tom Brady und Aaron Rodgers sind zwei der besten Quarterbacks aller Zeiten. Wenn die New England Patriots und die Green Bay Packers im Sunday Night Game (Mo, ab 2.20 live auf DAZN) aufeinandertreffen, stehen sich die beiden trotz 13 gemeinsamer Jahre in der NFL erst zum zweiten Mal als Starter gegenüber. Es kommt zu einem Duell, welches für reichlich Stammtisch-Gesprächsstoff sorgt; denn trotz über 100 Siegen mehr auf dem Konto und einem Super-Bowl-Sieger-Verhältnis von fünf zu eins zugunsten Bradys herrscht Uneinigkeit, wer denn der bessere Quarterback ist.

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Tom Brady und Aaron Rodgers sind die beiden vielleicht ikonischsten Spieler der jüngsten Generation der NFL. Beide haben diese geprägt, wie kaum andere und beide kommen kombiniert auf MVP-Titel in den letzten 16 Jahren. Und doch gab es das direkte Duell erst ein einziges Mal: vor vier Jahren, als Brady im späten November gegenüber Rodgers bei einer 21:26-Niederlage in Lambeau Field das Nachsehen hatte. Rund zwei Monate später war es jedoch Brady, der sich seinen vierten Super-Bowl-Ring sicherte. Seinen vierten von nunmehr fünf.

Er ist der erfolgreichste Quarterback aller Zeiten. Mit 202 Regular-Season-Siegen und acht Super-Bowl-Teilnahmen ist die 16 Jahre andauernde Ära Bradys unter dem Regime von Head Coach Bill Belichick einzigartig und auf sehr lange Zeit hin unerreichbar.

Brady, der Ziehsohn des vielleicht besten Coaches aller Zeiten, hat während seiner Karriere unter den bestmöglichen Rahmenbedingungen gearbeitet, gelernt und gespielt. Er verzichtete auf Geld, um Jahr für Jahr das bestmögliche Team um sich herum zu haben und spielte erfolgreich, unabhängig von seinen Teamkameraden. Rodgers hingegen gelang nur ein einziger Trip zum Super Bowl. Grund dafür waren oftmals weitaus weniger ansprechende Teams um ihn herum, die Rodgers ähnlichen Erfolg wie Brady verwehrten.

Doch wo die Zahlen nicht unbedingt für ihn sprechen, reicht ein Blick auf das Spiel des 34-Jährigen, um zu erkennen, dass er über physisch bessere Voraussetzungen verfügt und Plays dank seiner athletischen Fähigkeiten sowie seiner Wurftechnik kreieren kann, die selbst Brady als "inspirierend" bezeichnet. Die Frage, ob Rodgers unter den Voraussetzungen, welche Brady in New England vorgefunden hat, ähnlich oder sogar erfolgreicher wäre, ist spannend - und in gewissem Maße durchaus berechtigt.

Tom Brady über Aaron Rodgers: "Er ist viel talentierter als ich"

"Ich bin das Produkt der Umstände um mich herum", erzählte Brady erst im vergangenen Jahr. "Von wem ich gecoacht wurde, von meinen Gegnern und der Ära, in der ich gespielt habe. Ich glaube wirklich daran, dass andere, hätten sie in meinen Schuhen gestanden, dasselbe hätten erreichen können."

So übertrieben, wie Bradys Worte im ersten Moment klingen, so einfach verleiten sie zu Hypothesen, die bereits seit Jahren in amerikanischen Bars und Lokalen aufgestellt werden. Zum Beispiel, ob Rodgers an der Seite von Belichick mehr als nur einen Super Bowl gewonnen hätte? Was wäre, wenn er in eben jenen Schuhen gestanden hätte, die Brady ansprach?

Freilich leidet Rodgers in Wisconsin nicht unter unzumutbaren Umständen. Fehler jedoch, wie solch einer, den Ty Montgomery am Sonntag begangen hat - als er vor einem möglich finalen Drive bei einem Kickoff-Return eine Coaching-Anordnung ignorierte und den Ball raus brachte, nur um via Fumble Rodgers eine Chance auf den Game-Winning-Drive zu verwehren - findet man in Rodgers' Teams immer wieder; genau wie teilweise horrende Coaching-Entscheidungen, Packers-Fans trauern dem NFC-Championship-Game in Seattle vor einigen Jahren noch immer nach.

Brady weiß um die besonderen Fähigkeiten von Rodgers und sagte in einem Gespräch mit einem NFL-Coach, dass wenn er im System der Patriots spielen und über dieselben Kenntnisse verfügen würde, Rodgers "in jedem Jahr für 7.000 Yards werfen würde. Er ist viel talentierter als ich."

Brady, Rodgers: Die Karriere im Vergleich

KategorieTom BradyAll-Time-PlatzierungAaron RodgersAll-TimePlatzierung
Passer Rating97,63103,61
Quarterback-Rating74,2270,16
Interception-Percentage1,8T-21,51
Touchdown-Percentage5,5T-236,3T-6
Completion-Percentage641364,98
Yards per Attempt7,12T-267,9T-5

Packers-Coach Mike McCarthy immer wieder in der Kritik

Rodgers jedoch spielt seine gesamte Karriere bereits unter Head Coach Mike McCathy. Er war es, der sich für den Erstrundenpick und gegen die Legende Brett Favre entschied, als dieser wieder einmal einen Rücktritt zurücknahm. Er war es, der Rodgers und die Packers zu einem Super-Bowl-Titel coachte, und dem dafür ein fairer Anteil an Kredit zusteht.

Nichtsdestotrotz ist McCarthy in den vergangenen Jahren immer wieder in die Kritik geraten. Die Offense der Packers war oftmals eindimensional und meist nur dann erfolgreich, wenn Rodgers selbst Plays kreieren musste, anstatt das Schemes und Laufwege der Receiver für Räume in der gegnerischen Defense sorgten.

Auch in dieser Saison nahm Rodgers öffentlich kein Blatt vor den Mund, als er den Game Plan und das Play-Calling beispielsweise nach dem Sieg gegen die Buffalo Bills kritisierte. Rodgers hatte bemängelt, dass seine Receiver durch den Game Plan nicht in die bestmögliche Positionen gebracht werden und dass dies nicht seine Aufgabe sei. Ganz zu schweigen von den dramatischen Defense-Problemen, die Green Bay über die vergangenen Jahre immer wieder hatte.

Bill Belichick: "Hätte keinen Quarterback lieber als Tom Brady"

Belichick seinerseits hatte niemals einen physisch derart talentierten Quarterback wie Rodgers in seinem Kader. Die wichtigsten Quarterbacks während seiner Stationen in Cleveland und New England waren Bernie Kosar, Vinny Testaverde, Drew Bledsoe und Brady. Lediglich Testaverde ist in dieser Riege kein reiner, traditioneller Pocket-Passer gewesen.

"Er ist ein großartiger Quarterback", kannte Belichick vor dem ersten Duell mit Rodgers an. "Er kann alles und hat keine Schwachstellen. Er beherrscht jeden Wurf und liest die Defense gut. Er hat die großartige Fähigkeit, Plays zu verlängern. Entweder durch die Bewegung in der Pocket oder durch Scrambles außerhalb. Er weicht dem Rush aus und gibt seinen Receivern die Chance, sich freizulaufen."

Es wäre wahnsinnig spannend zu sehen, wie Belichick sein System an die Fähigkeiten von Rodgers anpassen würde. Rollouts sowie Bootlegs sind aktuell kein Thema im Spiel der Patriots. Die Armstärke des 34-Jährigen würde Belichick desweiteren wohl kaum ungenutzt lassen. Und doch sagt der Patriots-Coach, dass "ich keinen Quarterback lieber hätte als Tom Brady".

Macht Brady das System oder macht das System Brady?

Und diese Aussage dürfte niemanden überraschen. Brady und Belichick geben seit nunmehr 17 Jahren ein kongeniales Duo ab. Brady versteht, was Belichick will. Belichick bekommt, was er sehen will. Der inzwischen 41-jährige Brady ist zwar wie angesprochen kein Modell-Athlet, sein Instinkt, das Bewusstsein für den richtigen Zeitpunkt, sich in der Pocket zu bewegen sowie die Fähigkeit, Plays anhand des Gesichts der Defense zu ändern und diese auf die falsche Fährte zu locken, sind einzigartig.

Das Alter scheint bis heute keinen entscheidenden Einfluss auf Brady zu haben. Seine Erfahrung und das Spielverständnis sind derart hoch, dass er aktuell immer noch enorm effizient spielen kann. Sein Eifer und die Gier nach Erfolg drängen den dreimaligen MVP bis heute dazu, das Spiel und jeden Gegner weiterhin akribisch zu studieren und sogar auf Millionen von Dollar zu verzichten, damit das Team eine bessere Chance auf Erfolg hat. Rodgers im Vergleich dazu, ist der aktuell bestbezahlte Mann im professionellen Football.

Eines jedoch wirft bei Fans immer wieder Fragen auf: Wenn Brady so wichtig für Belichicks System sein soll, wie konnte ein Matt Cassel dann 2008 im Patriots-Jersey zu einer 11-5-Bilanz kommen, als Brady verletzt aussetzen musste? Der Cassel, der in seiner Karriere auf eine Gesamt-Bilanz von 36-45 kommt?

Und umgekehrt kann man fragen: Wäre Rodgers mit seinem Drang zur Improvisation in New England zwangsläufig dramatisch besser gewesen? Oder ist das Scheme nicht auch so gut, weil Brady es so glänzend umsetzt?

Brady und Rodgers: Stillschweigende Anerkennung

Rodgers und Brady bewundern sich bis heute stillschweigend. Brady betonte immer wieder, welch große Freude er dabei hat, Tape von Rodgers zu schauen. Er sei "einer der Besten, die das Spiel jemals gespielt haben", "inspirierend" und er verleite Brady dazu, "noch härter zu trainieren".

Rodgers hingegen studierte das Tape von Brady als junger Spieler und schätzte dessen Präsenz in der Pocket, die Genauigkeit und die Art und Weise, wie Brady das gegnerische Backfield mit seinen Augen kontrolliert. Auf die Frage, welcher Quarterback denn der GOAT (Greatest of all time) ist, entgegnete Rodgers trocken: "Er hat fünf Championships. Das sollte jede Diskussion beenden."

Es scheint bizarr, dass Brady und Rodgers sich in ihrer 14 Jahre andauernden gemeinsamen Zeit in der NFL erst einmal gegenübergestanden haben. Die NFL allerdings terminiert Spiele von Teams unterschiedlicher Conferences mit jährlich abwechselnden Divisions, sodass die Teams in der regulären Saison nur im vier Jahres-Takt aufeinandertreffen. Und bei den vorherigen Gelegenheiten war entweder Rodgers noch Backup von Favre oder verletzt.

Das Spiel am Sonntag wird auf die Frage, wer denn nun der größte aller Zeiten ist, mit Sicherheit keinen Aufschluss geben. Die Patriots gehen in Foxborough als Favorit in das Duell und versuchen mit ihrem zehnten Heimsieg in Serie die Vormachtstellung in der AFC East ein weiter zu zementieren. Die Packers hingegen würden mit einer Niederlage zum ersten Mal seit 1991 sechs Auswärtsspiele in Serie verlieren und das Zittern im Playoff-Rennen würde langsam aber sicher größer.

Beide Quarterbacks würden in einem Re-Draft ihres jeweiligen Jahrgangs mit meilenweitem Vorsprung an Position 1 gedraftet werden. Rodgers fiel 2005 überraschend bis an Position 24, Green Bay konnte dieses Geschenk trotz Brett Favre nicht ablehnen. Brady war bekanntermaßen Pick Nummer 199 und landete letztlich in der für ihn idealen Situation. Wäre die Dominanz der Patriots mit Rodgers noch größer? Es ist schwer vorstellbar, doch die "Was wäre gewesen, wenn...?"-Frage wird am Sonntagabend auch in New England mitschwingen.

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